Turner-Preis

Die Sprache einer neuen Künstlergeneration

Turner Preis 2014: Die Installation "Things Shared 2014" der Kanadierin Ciara Phillips.
Turner Preis 2014: Die Installation "Things Shared 2014" der Kanadierin Ciara Phillips. © AFP PHOTO/CARL COURT
Von Carsten Probst · 29.09.2014
Im Fokus einer Ausstellung zum Londoner Turner-Preis stehen zunächst zwei der nominierten Künstler: die in Glasgow lebende Ciara Phillips und der in Berlin lebende James Richards. Beide vertreten einen neuen Kunstbegriff.
Eine gewisse Aufregung war schon spürbar seit der Ausstellung "Speculations on Anonymus Materials", die letztes Jahr im Kasseler Museum Fridericianum gezeigt und danach überall diskutiert wurde. Die Sprache einer neuen Künstlergeneration wurde gefeiert, die Bildsprache der nach 1980 Geborenen, die mit der Bilderflut des Internets aufgewachsen sind und für die das Arbeiten mit vorgefundenen, oft anonymen Bildquellen selbstverständlich geworden ist.
Viele Institutionen sind seither auf den Zug aufgesprungen, auch recht frühzeitig der Londoner Turner-Preis mit der Nominierung seiner Short List. Zu Eröffnung der Ausstellung rumort es unter den Kritikern. "Diese Ausstellung dokumentiert einen fundamentalen Wandel in der Gegenwartskunst", heißt es einmal.
Andere beschweren sich darüber, dass überhaupt keine richtige Kunst mehr zu sehen sei, nur noch das Abfilmen von Bildern, die andere Leute gemacht haben – das soll Kunst sein? Richtig und auffallend ist, wie stark Film und Fotografie in diesem 30. Jahr des Turner-Preises dominieren. Co-Kuratorin Sofia Karamani umschreibt den Wandel des Kunstbegriffs der nachrückenden Generation so:
"Es ist eine gewisse Art von Arbeit, dass man heute ständig, nicht nur als Künstler, in immer neue Umgebungen hingerät. Wie konsumiert ein Künstler heute Bilder? Wahrscheinlich auf ganz ähnliche Weise, wie Sie und ich das tun. Die heutigen medialen Bilderwelten umgeben uns mit einer unendlichen Vielfalt, und wir wählen aus, wir stellen selbst zusammen, was wir sehen und erinnern wollen."
Ciara Phillips repräsentiert die Glasgower Kunstszene
Im Fokus stehen zunächst zwei der vier Protagonisten in dieser Short List-Ausstellung. Ciara Phillips stammt eigentlich aus Kanada, lebt aber seit ihrem Kunststudium in Glasgow und repräsentiert die seit Jahren dort wachsende junge Kunstszene, die Glasgow inzwischen zu einer Hauptstadt für Gegenwartskunst hat werden lassen.
Die 1976 geborene Philipps interessiert sich seit langem für die hergebrachten, noch analogen Kunstdruckverfahren, die sie aber in völlig neue Zusammenhänge bringt. Sie hat in der Tate Britain einen kompletten Raum mit Drucken wie mit einer Tapete überzogen und skulpturale Installationen hineingebaut. Sofia Karamani:
"Sie verwendet Siebdrucke auf Papier oder auf Stoffen, sie verwendet Fotografien, entwirft Objekte und Events, Kollaborationen, alles rund um diese Drucktechniken. (...) Ciara Phillips verwendet die Druckverfahren auf eine geradezu skulpturale Weise. Es gibt einen Sinn für Räumlichkeit und Tiefe auf der Oberfläche ihrer Drucke ebenso wie in ihren Installationen, die sie damit entwirft. Für die Turner-Preis-Ausstellung hat sie eine solche Rauminstallation mit über vierhundert handgedruckten Papieren angefertigt, die sie überall auf der Wand zusammengeklebt hat. Und wenn Sie hier durchlaufen, haben Sie das Gefühl, dass Sie durch einen einzigen riesengroßen Siebdruck hindurchgehen; und es gibt Formelemente darin, die aus den Drucken herauszuspringen skulpturale Formen zu werden scheinen."
James Richards, eine Art Galionsfigur der neuen Generation
Der Film "Rosebud" des in Berlin lebenden James Richards fordert die Kritiker in London am meisten heraus. Richards ist fast eine Art Galionsfigur der neuen Generation geworden, seit er an der Kasseler Ausstellung "Speculations on Anonymus Materials" und im gleichen Jahr mit "Rosebud" auf die Venedig Biennale eingeladen war. Er gilt vielen neben Ciara Phillips als Favorit auf den diesjährigen Turner-Preis.
"In den Arbeiten von James Richards geht es zunächst darum, Fotografien, Filme und sonstige Bilder und Sounds miteinander zu kombinieren, die ihm aus bestimmten Gründen irgendwann einmal aufgefallen sind. Durch die Collage dieses vorgefundenen Materials versucht er, Emotionen beim Betrachter zu wecken. Rosebud ist eines dieser Werke, für das er nominiert wurde und in dem er dieses Material filmisch präsentiert. Aber es gibt auf diese Installation mit vier Diaprojektoren, die Bilder aus einem gefundenen Buch an die Wand werfen, einem Buch, in dem es um Theater-Makeup geht. Auch hier will er wieder eine direkte Emotion des Besuchers herausfordern."
Wie verbindlich neu der Kunstbegriff dieser Turner-Preis-Generation ist, wird sich erst noch zeigen müssen, zu jung sind die Karrieren der meisten Beteiligten. Viele Künstler arbeiten seit Jahren mit ähnlichen Methoden. Aber für den Turner-Preis selbst kann es nur gut sein, sich von den klassischen Formaten Malerei, Skulptur und Installationen einmal den etwas neueren Tendenzen zuzuwenden.
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