Turiner Buchmesse

Die Italiener zum Lesen bringen

Präsentation von Neuerscheinungen auf der Buchmesse Turin 2011
Frischer Lesestoff auf der Turiner Buchmesse © dpa / picture alliance / Alessandro Falzone
Von Jan-Christoph Kitzler · 13.05.2015
Italiener lieben deutsche Literatur - aber sie lesen sie nicht. Vielleicht hat es deshalb 26 Jahre gedauert, bis Deutschland Partnerland der Turiner Buchmesse geworden ist. Die Gäste setzen nun auf den großen Auftritt.
Der Salone Internazionale del Libro, die Turiner Buchmesse, ist eine Institution in Italien – schon seit inzwischen 26 Jahren. Aber genau so lange hat es auch gedauert, bis man Deutschland erstmals zum Gastland gemacht hat. Das will nicht so recht passen zur Bedeutung der deutschen Literatur weltweit. Aber das Verhältnis zwischen Italienern und Deutschen ist eben auch beim Thema "Was wird gelesen?“ ein kompliziertes, sagt Viktoria von Schirach:
"Die Italiener lieben die deutsche Literatur, aber vielleicht bewundern sie sie mehr als dass sie sie lesen. Da gibt es immer dieses Vorurteil, dass deutsche Literatur anstrengend ist und auch nicht wirklich verständlich. Und das liegt vielleicht auch daran, dass die Deutschen sehr lange sich mit historischen Themen und politischen Themen beschäftigt haben, die für Italiener zum Teil wenig nachvollziehbar sind."
Von Schirach arbeitet seit langer Zeit in Rom als Literaturscout für deutsche Verlage, bringt also Italienische Autoren nach Deutschland. Aber sie kennt auch die andere Seite: Mit einem kleinen Verlag produziert sie Hörbücher – und versucht neuerdings Krimis aus Deutschland in Italien herauszubringen. Die Gelegenheit ist günstig, sagt sie, denn die Lesegewohnheiten in Italien haben sie verändert – und das ist auch eine Chance für deutsche Literatur:
"Bis vor einigen Jahren war hier Lesen eine Sache der Elite, und diese Elite hat sehr anspruchsvolle Literatur gelesen. Vielleicht hat sich da auch hier etwas verändert, dass die wenigen anspruchsvollen Leser sich langsam verabschieden, während eine breitere Leserschaft nachrückt mit viel Interesse an Unterhaltung."
43 Prozent der Italiener lesen nicht
Allerdings: 43 Prozent der Italiener lesen überhaupt keine Bücher, es gibt hier deutlich mehr Nicht-Leser als in Deutschland, Tendenz steigend. Auch deshalb ist die Turiner Buchmesse wichtig. Aber kann Literatur aus Deutschland die Leser in Italien begeistern? Maria Gazetti, Leiterin des deutsch-römischen Kulturzentrums Casa di Goethe hat ihre Zweifel:
"Der Riese Deutschland ist wichtiger, wird mehr wahrgenommen, wegen der Wirtschaftskraft, wegen der politischen Bedeutung in Europa, aber man kann nicht sagen, dass es literarisch, ästhetisch jetzt hier eine große Rolle spielt und wirklich sehr wahrgenommen wird für die kulturpolitische Diskussion."
Damit sich das ändert, setzt das Gastland Deutschland in Turin auf einen großen Auftritt: 330 Quadratmeter misst der interaktive Pavillon - 43 Verlage aus Deutschland stellen aus, 25 Autoren kommen in die Turiner Messehallen – Bestseller-Autoren wie Frank Schätzing, Daniel Kehlmann und Ingo Schulze – Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo moderiert die Eröffnung. Aber Maria Gazetti hat ihre Zweifel, ob der deutsche Auftritt für neue Begeisterung sorgt:
"Was für ein Bild will jetzt Deutschland auf der Turiner Buchmesse abgeben? Ich sehe eine große Vielfalt, aber ich kann nicht sagen, dass ich ein Thema finde oder ein Bild, wo man sagt: das ist die deutsche Literatur, und deswegen müssen die Italiener jetzt irgendwas von Deutschland entdecken."
Hochzeit für deutsche Literatur
Viktoria von Schirach ist als deutsche Verlegerin in Rom da deutlich optimistischer. Auch weil die Zahlen dafür sprechen, dass sich die Lage für Literatur aus Deutschland verbessert. 2013 wurden 363 deutsche Titel von italienischen Verlagen gekauft. Es ändert sich also etwas:
"Während in den letzten 20, 30 Jahren viel mehr italienische Literatur nach Deutschland kam und auch mehr rezipiert wurde, gibt es jetzt eigentlich mehr deutsche Titel in Italien. Man kann jetzt nicht sagen, dass die sich alle sehr, sehr gut verkaufen, aber zumindest ist es ein neues Kräfteverhältnis geworden."
… und viele Verlage aus Italien haben sich schon vor der Turiner Buchmesse verstärkt mit Titeln aus Deutschland eingedeckt. Vielleicht ist der Salone del Libro also doch eine Chance – trotz der manchmal schwierigen Beziehung zwischen Deutschen und Italienern.
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