Turbo-Sparkurs der Downing Street

Von Walter Bohnacker · 19.10.2010
Am 20. Oktober legt die britische Regierung die Details ihres Sparprogramms vor, mit dem sie das Rekorddefizit des Landes bekämpfen will. Das Sparpaket ist das härteste Sanierungsprogramm für den öffentlichen Haushalt seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Besonders hart treffen die Sparmaßnahmen den Kultursektor, hier stehen Kürzungen in Höhe von bis zu 30 Prozent ins Haus. Der für die staatliche Kulturförderung "Arts Council" appelliert lautstark: "Kürzt, aber bringt uns nicht um!"
" "That is what this new government is all about: rolling up our sleeves, getting on with the job, working together in the national interest, delivering on our promises and getting a grip.”"

Tory-Schatzkanzler George Osborne bei der ersten Vorstellung des Sparprogramms nach der Unterhauswahl. So gab er die Marschrichtung der Koalitionsregierung vor: Ärmel aufkrempeln, den Job erledigen und die Wahlversprechen umsetzen. Nur so bekomme man die Krise in den Griff: "Ohne dicken Rotstift und engen Gürtel kommen wir da nicht durch."

Besonders hart soll es das Kulturressort treffen. Statt großzügigen 900 Millionen Pfund Jahresetat für die Kultur wie zuletzt unter Premier Brown drohen dem Ressorthaushalt jetzt Kürzungen von bis zu 30 Prozent. Der neue Kulturminister Jeremy Hunt warnt – wen wundert's – vor schweren, "grausamen" Zeiten.

" "Basically, it's going to be a horrible period for arts and cultural funding. And I've been very open with people that the arts must bear its share of the pain.” "

Gefährdet ist die finanzielle Grundversorgung der etwa 800 Kulturorganisationen im Land: Museen, Theater, Orchester, Literaturvereine und so weiter. Sie alle hängen am Tropf des 1946 gegründeten und für die Vergabe von staatlichen Fördermitteln zuständigen britischen "Arts Council".

Nach den relativ fetten Jahren unter New Labour hat man zwar auch hier Verständnis für die Sparzwänge, aber, so die "Arts Council England"-Vorsitzende Liz Forgan: Eine allzu radikale Rosskur werde verheerende Folgen haben für Kunst und Kultur und die Wirtschaft.

" "What we must do is make the case as well as we can for the fact that the arts are a supreme wonderful asset to the country. They earn hundreds of millions of pounds, tens of thousands of jobs. Our artists and our great scholars are national treasures, and we have to look after them.” "

"Da müssen wir uns nach Kräften wehren. Der Kultursektor ist nach wie vor eine Wachstumsbranche mit Hunderten Millionen Pfund Umsatz und Zehntausenden Arbeitsplätzen. Unsere Kulturschaffenden sind, wenn man so will, nationale Kunstschätze. Sie müssen wir hüten und pflegen."

Für einige prominente Betroffene indes kommt bereits jede Pflege zu spät. Die Filmförderungsstelle "UK Film Council", die seit ihrer Gründung vor zehn Jahren 900 Filmprojekte unterstützt hat, und dafür jährlich knapp 60 Millionen Pfund erhielt, wird ebenso aufgelöst wie der erst vor drei Jahren gegründete "Council MLA" für Museen, Bibliotheken und Archive.

Von halbstaatlichen, quasiautonomen Nichtregierungsorganisationen wie diesen, den sogenannten "Quangos", gibt es in Großbritannien insgesamt knapp 800. Allein das Kulturministerium ist für 55 solcher "Quangos" zuständig. Dieser Riesenapparat mit seinen 120.000 Beschäftigten und 45 Milliarden Pfund Jahresbudget ist den Koalitionspartnern schon lange ein Dorn im Auge. Der Abbau dieses Monstrums verschwenderischer Bürokratie ist denn auch einer der Eckpfeiler ihres Sparpakets.

Ein weiterer ist der forcierte Aufbau eines Mäzenatentums nach US-amerikanischem Vorbild. Durch Spenden von Unternehmen und privaten Investoren sollen die zu erwartenden Fehlbeträge bei den Subventionen ausgeglichen werden. Mehr Sponsoring empfiehlt die Regierung vor allem den vielen kleineren Organisationen in der Provinz, die einen permanenten Überlebenskampf führen.

Die Koalition führe einen "Blitzkrieg gegen die Künste", wetterte Sir Nicholas Serota, Direktor der Londoner TATE Modern- und TATE Britain-Galerien, unlängst im "Guardian". Er formulierte es so: "Bäume stutzt man nicht zurecht, indem man ihnen die Wurzeln absägt."

Wird schon bald dies das Szenario sein: Kein freier Eintritt mehr in den staatlichen Museen und Galerien? Ihre Schließung an mehreren Tagen in der Woche? Geschrumpfte Spielpläne? Leere Kassen und leere Häuser?

Auf ihrer Website sammelt die Initiative "Save the Arts" Unterschriften für ihre Kampagne zur "Rettung der Künste". In einem Zeichentrickvideo rechnet dort ein Bauer seinem Sohn die Ertragsprognosen des Kultursektors und dessen Bedeutung für eine florierende Wirtschaft vor: "Für Großbritannien sind die Künste das, was für Spanien die Sonne ist."

Hinter der Kampagne stehen große Namen: gut 100 in Großbritannien arbeitende Künstler und Stars des internationalen Kulturbetriebs, darunter Damien Hirst, Anish Kapoor, David Hockney und Wolfgang Tillmanns. Sie alle machen hier gegen den Turbo-Sparkurs der Downing Street mobil.

Die Kulturszene des Königreichs sei "eine der großen britischen Erfolgsstorys der letzten 20 Jahre" heißt es im Video. "Viel haben wir nicht mehr, worauf wir stolz sein können. Wenn wir uns auch noch die Kultur kaputt machen lassen, gehen wirklich alle Lichter aus."