Tuntig - bunt - schrill

Von Jörg Oberwittler · 28.08.2009
Sie wollen Vielfalt eine Stimme geben und beweisen, dass sich Schwule auch in der Provinz nicht zu verstecken brauchen: der Chor "Die Schrillmänner" aus Karlsruhe.
"Mein Name ist Alfons, ich bin hier in Karlsruhe und ich lebe sehr offen schwul. 'Schrillmänner' bedeutet auch, dass wir schrill auftreten. Also, wir sind sehr mitunter tuntig, mitunter sehr bunt – und dann eben auch im doppelten Wortklang schrill im Gesanglichen."

"Also, mein Name ist Stefan Fischer, ich bin jetzt seit zirka zwei Jahren Chorleiter der Schrillmänner. Es ist tatsächlich so, dass alle, die in dem Chor singen, schwul sind. Und ich glaube, wenn ich das richtig weiß, ist es auch so, dass dieser Chor einer der ältesten schwulen Chöre überhaupt in Deutschland ist."

"Also, im Moment sind es 14 Sänger. Das Altersspektrum geht im Moment von Mitte 20 bis Mitte 50. Wir haben also keine feste Zuordnung der einzelnen Stimmen. Es wird im Grunde bei jedem Stück neu entschieden, wer hoch, wer tief singt. Natürlich ist es nicht so, dass jeder jede Stimme singen kann. Das ergibt sich ja schon aus den natürlichen Gegebenheiten, aber ich ermuntere die Sänger durchaus dazu, dass sie immer mal was Neues ausprobieren."

"Mein Name ist Stefan, ich bin von Anfang an dabei. Einer von beiden, die noch übrig geblieben sind aus der Anfangszeit. Aber das ist nach so vielen Jahren, nach über 21 Jahren ja auch kein Wunder. Damals ist das Ganze aus der Unigruppe raus entstanden. Als Gedanke: Wie können wir das Thema Homosexualität in die Öffentlichkeit tragen? Wie können wir für Akzeptanz, für Toleranz werben?"

"Genau, ich bin also der Matthias. 2001, glaub ich, war das, dass wir organisiert haben, dass drei Chöre sich einklagen beim Badischen Sängerbund. Dass wir auch von der Laien-Musikförderung des Landes nicht ausgeschlossen werden. Und damals hatte der Vorsitzende des Badischen Sängerbunds gemeint, wir wären eine Gefährdung für die Jugend. Viele haben das überhaupt nicht verstanden, dass man heutzutage Chöre ausschließt von Lesben und Schwulen. Und es gibt im Sängerbund, glaub ich, nicht generell eine Antipathie gegen schwule und lesbische Menschen. Und von daher haben wir das dann doch letztlich auch locker genommen. Aber es hat Widerstandsgeist mobilisiert."

"Und es gab dann ein großes Hallo bei dem Prozess. Und seitdem sind wir doch ohne Probleme Mitglieder im Badischen Sängerbund."

"Provinz kann man uns wirklich nennen, lässt sich nicht leugnen. Zeigt sich schon allein daran, dass es hier kaum Etablissements gibt, die rein schwul sind. Ja, es ist bei Weitem nicht so, dass man ganz frei leben kann. Es gibt noch sehr viele, die nach wie vor Angst haben, nach wie vor sich zu outen. Sei es in der Familie, sei es im Beruf, sei es einfach so im privaten Umfeld. Das hat sich so sehr gar nicht geändert. Wir dürfen zwar heiraten, aber in Anführungsstrichen. Es ist eine "eingetragene Partnerschaft". Sie hat nicht ganz die gleichen Rechte wie die Ehe. Das betrifft zum einen Kinder. Das betrifft auch das Erbrecht."

"Ich denk, wir haben insofern gute Voraussetzungen, als da genug Menschen hier dabei sind, die hier auch Stückideen haben. Textideen haben. Selbst auch Texte schreiben können. Auch Themen aufgreifen können, die aktuell sind. Also ich sehe gute Perspektiven. Ich sehe gute Perspektiven, weil ein tolles Potenzial da ist."

Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.