Türkisch-Deutsches Onlinemagazin "Özgürüz"

Weitermachen trotz Internetsperre

Schild an einer Glastür "Nur für Presse", darunter das Wort "geschlossen".
Der Prozess gegen den türkischen Journalisten Can Dündar geht weiter. Seine Kollegin Semra Uzun-Önder beurteilt den Zustand der Pressefreiheit in der Türkei kritisch. © Screenshot Onlinemagazin "Özgürüz"
Semra Uzun-Önder im Gespräch mit Nicole Dittmer und Julius Stucke · 01.03.2017
Obwohl das Onlinemagazin "Özgürüz" in der Türkei gesperrt wurde, sind die Macher hier in Deutschland optimistisch. Die Menschen in der Türkei wüssten inzwischen, wie sie Sperren der Regierung umgehen, sagt Autorin Semra Uzun-Önder. Der Prozess gegen Chefredakteur Can Dündar geht in der Türkei weiter.
"Die Menschen in der Türkei kennen mittlerweile zur Genüge Alternativen, wie man im Internet an Seiten herankommt, die nicht der Regierung genehm sind, die man aber trotzdem lesen möchte", sagt Uzun-Önder. Das deutsch-türkische Magazin "Özgürüz", herausgegeben vom Rechercheverband "Correctiv" in Deutschland, war im Januar an den Start gegangen und schon zwei Tage nach seinem Launch nicht mehr von der Türkei aus erreichbar. Trotzdem habe die Facebook-Seite des Magazins fast 30.000 Fans, auf Twitter folgten ihnen mehr als 40.000 Menschen. Die Kommentare auf beiden Plattformen zeigten: "Es geht eine große Dankbarkeit und auch Freude darüber aus, dass es eine Plattform gibt, die halt versucht, ungefilterte Nachrichten und investigative Berichte den Menschen zukommen zu lassen."
Der Prozess gegen "Özgürüz"-Chefredakteur Can Dündar wird in der Türkei in seiner Abwesenheit fortgesetzt. Die Situation für Journalisten sei dort generell unsicher, sagt Uzun-Önder. Kollegen, die aus der Türkei für das regierungskritische Magazin arbeiteten, seien sich des Risikos bewusst: "Es würde uns nicht wundern, wenn wir im nächsten Moment die Nachricht erhalten, dass der ein oder andere verhaftet worden ist oder unangenehmen Besuch bekommen hat oder Morddrohungen erhält."
Dass "Özgürüz" allerdings eine Brücke zwischen Gegnern und Unterstützern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan bauen kann, hält sie für unwahrscheinlich. "Zwischen den Ja- und den Nein-Sagern ist da ein tiefer, tiefer Graben." Auch dass die Verfassungsänderung, über die das Volk demnächst abstimmen dürfe, noch aufgehalten werden könne, bezweifelt sie. (SKE)
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