Tübinger Musikdirektor Friedrich Silcher

Lieder für Gassenjungen und Adelshäuser

Friedrich Silcher auf einer Briefmarke der Deutschen Bundespost
Friedrich Silcher auf einer Briefmarke der Deutschen Bundespost © imago/Schöning
Von Uschi Götz  · 22.12.2014
Der Komponist und Musikpädagoge Friedrich Silcher prägte im 19. Jahrhundert die Chormusik weit über seine Heimat Baden-Württemberg hinaus. Auch Königin Victoria von England schätzte seine Lieder, er selbst fühlte sich vor allem dem einfachen Volk nah.
Philipp Friedrich Silcher kam am 27. Juni 1789 in Schnait im schwäbischen Remstal zu Welt. Sein Vater war Schulmeister und der kleine Frieder war oft dabei, wenn der Vater Musikunterricht gab. Silchers Vater starb früh, doch seine liebevolle Art, auch als Lehrer, hat seinen Sohn wohl für sein Leben geprägt.
Friedrich Silcher trat zunächst eine Lehrstelle als "Schulknecht" an, wurde dann Lehrgehilfe bei einem Freiherr von Berlichingen. Später bekam er eine Stelle an einer Ludwigsburger Mädchenschule.
In Ludwigsburg lernte Friedrich Silcher Carl Maria von Weber und Conradin Kreutzer kennen. Beide waren von Silchers Talent überzeugt. Sie legten ihm nahe, die Musik zur Lebensaufgabe zu machen. Silcher folgte dem Rat, konzentrierte sich auf die Musik und erhielt Unterricht in Klavier und Komposition von Conradin Kreutzer und Johann Nepomuk Hummel.
Ein ausgezeichneter Musikpädagoge
1817 kam Silcher nach Tübingen und wurde dort der erste Musikdirektor an der Eberhard-Karls-Universität. Er galt als ausgezeichneter Musikpädagoge. Er komponierte Motetten, Kammermusik und Ouvertüren. Und doch war er nahe an den einfachen Menschen.
Rudolf Veit: "Es ist ja tatsächlich so, dass die Silcherschen Lieder, angefangen von den untersten sozialen Schichten, den Handwerkern und den Gassenjungen bis hin in die Adelshäuser, die Königshäuser hinein gesungen wurden. Es ist bekannt, dass zum Beispiel Königin Victoria von England Silcher sehr geschätzt hat, vor allem sein Lied 'Jetzt gang I an Brünnele', das musste ihr der Chor mehrfach vorsingen, im Buckingham Palast, das ist überliefert."
Der Historiker Rudolf Veit ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Silchermuseums in Schnait. Auch der frühere künstlerische Leiter des Südfunk Chors, Hermann-Josef Dahmen, beschäftigte sich sein halbes Leben lang mit dem Werk Silchers. Dahmen starb Ende der 90er-Jahre und hinterließ ein neues Bild von Friedrich Silcher. Er kritisierte vor Jahrzehnten vor allem die Verkitschung der Silcherschen Melodien und rückte ihn in ein neues Licht. Dahmen schrieb das Buch "Friedrich Silcher Komponist und Demokrat. Eine Biografie". Auszüge aus einem SDR-Interview:
Kein Dilettant oder Liedermacher
Dahmen: "Jetzt ist es Zeit zu beweisen, dass er auch etwas geleistet hat. Dazu gehören nicht zuletzt auch seine Theoretika, seine Harmonielehre, seine Kompositionslehre, seine Geschichte der Kirchenmusik, seine Gesangslehre und so etwas alles, das sind Dinge, die ihn dokumentieren, als einen musikwissenschaftlich ernstzunehmenden Mann, der auf der Grundlage musikwissenschaftlicher Forschung all diese Dinge gemacht hat. Das ist also nicht das Geschreibsel eines Dilettanten oder eines Liedermachers, wie er immer gerne so dargestellt wird."
Ein Schüler und Freund Silchers beschrieb das Wesen des Komponisten als freundlich und sanft, fast weich. So soll er bis zu seinem Tod im Jahr 1860 geblieben sein. Silcher starb im Alter von 71 Jahren und wurde in Tübingen begraben.
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