Tschechien

Besichtigungstour zu Denkmälern der Korruption

Baustelle der Straße D47 (D1) vom tschechischen Bohumin in Tschechien zur polnischen Grenze im November 2012
Pro Kilometer ein Drittel teurer als in Deutschland: Neu gebaute Autobahnen in Tschechien © imago / CTK Photo
Von Peter Lange · 20.08.2015
Prächtige Villen, dubiöse Bürobauten, extrem teure Autobahnen – die Korruption in Tschechien hat viele Gesichter. Ein Aktivist organisiert Sightseeingtouren zu Orten, an denen der Filz sichtbar ist.
Eine Stadtrundfahrt durch Prag. Die Stadtführerin - eine junge Frau in einer Art von schwarzer Pfadfinder-Uniform, auf dem Kopf ein Mittelding aus Baskenmütze und Barrett. Ivila Concovas heißt sie und arbeitet für die Agentur "Corrupt Tours".
"Die Tschechische Republik hat in Sachen Korruption in- und ausländischen Besuchern etwas zu bieten. Wir sind ein schönes, kleines Land im Herzen Europas mit ganz vielen Denkmälern der Korruption."
In den nächsten anderthalb Stunden bekommen die Teilnehmer gezeigt, wo tschechische Steuern und Fördermittel der EU in private Taschen abgezweigt wurden. Gründer der Agentur "Corrupt Tours" ist Petr Sourek, studierter Philosoph, Stückeschreiber und Journalist. Vor drei Jahren kam er auf die Idee, weil er fand, dass die Medien über Korruption allzu übervorsichtig berichteten.
"Vielleicht so ein Moment war, als ich in den tschechischen Nachrichten gehört habe, dass es einen angeblichen Verdacht gibt von einer angeblichen Korruption. Das war zu viel von diesem 'angeblich'."
Auf dem jährlichen Korruptionsindex von Transparency International findet sich Tschechien derzeit auf Platz 53, gerade noch vor der Slowakei, aber hinter Polen, und Ungarn. Es war aber schon mal noch schlimmer, betont Radim Bures vom tschechischen Zweig von Transparency.
"Die Position im Index verschlechterte sich in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre als Folge der Privatisierung. Sie verbesserte sich nach dem Beitritt zur EU. Nach den Wahlen 2006 verschlechterte sich die Situation wieder, und diese Entwicklung endete erst 2014."
Wer den Staat nicht beklaut, schädigt seine Familie
Wie seine anderen ehemals kommunistischen Nachbarländer schleppt auch Tschechien eine Mentalität als Erblast mit sich, die eine Trennung von privaten und öffentlichen Interessen nicht kennt. Noch immer gilt der alte Satz: Wer den Staat nicht beklaut, schädigt seine Familie.
"Was eine Besonderheit in unserer Kultur ausmacht, ist eine Art von Pyramide, die auf der Spitze steht. Im Alltag trifft man an die Korruption sehr selten eigentlich. Aber wenn man sozusagen höher in der Politik steigt, dann ist es fast unvermeidlich, dass man sich in diesen Netzwerken fängt sozusagen."
Radim Bures von Transparency kennt die Mechanismen, wie die lukrativen Geschäfte zwischen Politik und Wirtschaft im Verborgenen eingefädelt werden.
"Es gibt zwei typische Muster: Zum einen werden Aufträge ohne öffentliche Ausschreibung an einen Interessenten vergeben, der sich erkenntlich zeigt. Die zweite Methode besteht darin, dass es zwar eine Ausschreibung gibt, die Wettbewerber aber schon ausgemacht haben, wer den Auftrag bekommt. Und die anderen beteiligen sich nur formal."
So wird vor allem im Bauwesen geschmiert und geschoben, bei der IT-Ausrüstung der Verwaltung und bei der Ausstattung der Krankenhäuser. Und immer zum Schaden der Allgemeinheit. Ein Kilometer Autobahn ist deshalb laut Radim Bures in Tschechien um ein Drittel teurer als in Deutschland.
Erster wegen Korruption verurteilter Spitzenpolitiker
Praktiken, unter denen auch ausländische Firmen leiden, wenn sie sich um Aufträge in Tschechien bemühen, weiß Christian Rühmkorf. Er ist der Sprecher der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer und kennt viele Klagen von Firmen, im Wettbewerb unfair behandelt zu werden. Hoffnungen setzt er in den Aktionsplan, den die Regierung verkündet hat.
"Es geht hauptsächlich um Transparenz, also welche Aufträge werden vergeben? Wie werden sie ausgeschrieben? Es geht darum, wer sie am Ende bekommt, für welche Summe. Und wie das Angebot ausgesehen hat. Es geht um Kontroll- und Sanktionsmechanismen, das ist ganz wichtig."
Eine Urteilsverkündung im vergangenen Monat. David Rath, ehemaliger Shootingstar der Sozialdemokraten wird in die jüngere Geschichte Tschechiens eingehen als erster Spitzenpolitiker, der wegen Korruption verurteilt wurde. Er war mit einem Karton voller Geld erwischt worden, dessen Herkunft er nicht erklären konnte. Acht Jahre und sechs Monate Haft, allerdings noch nicht rechtskräftig. Dennoch ein wichtiges Signal, so sehen es Radim Bures und Christian Rühmkorf. Ein überschätzter Sonderfall, meint dagegen Petr Sourek, mit dem womöglich ein viel größerer Skandal verdeckt werden sollte.
"Die Sache Rath war so grob, plump, so altmodisch. Ein Fall für das Museum der Korruption."
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