Truman Capote

Ein Meister des gesprochenen Wortes

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Der amerikanische Schriftsteller Truman Capote © picture-alliance / dpa / A0001_UPI
Von Maike Albath  · 29.07.2014
Weltberühmt geworden ist Truman Capote durch den Roman "Frühstück bei Tiffany's" und den Reportage-Roman "Kaltblütig". Jetzt gibt es eine neue Biografie über den Schriftsteller. Das Besondere: Sie besteht ausschließlich aus Originaltönen.
Truman Capote war die größte Klatschbase von ganz New York. Kaum etwas bereitete ihm mehr Vergnügen als ein Lunch mit Gloria Vanderbilt oder Jackie Kennedy, bei dem er die neusten Liebschaften bissig kommentieren, seine Freundinnen über gescheiterte Affären hinweg trösten oder haarsträubende Gerüchte in die Welt setzen konnte. Die New Yorker Intellektuellenszene war versessen auf die geistreichen Invektiven des zarten, kleinen Mannes, den man bei Partys schon mal für ein Kind hielt: Truman Capote wurde herum gereicht wie ein Hofnarr. Seine Homosexualität trug er offen zur Schau, er hatte eine Vorliebe für lange Schals und rosa Hemden, lief in Begleitung eines Hundes herum, der aussah wie eine Puderquaste, und galt als exklusives Beiwerk einer jeden Abendeinladung. Man hing an seinen Lippen.
Eine Collage
Gerade weil Capote ein Meister des gesprochenen Wortes war, passt es, dass jetzt auf Deutsch eine Biografie von ihm erscheint, die ausschließlich aus Originaltönen besteht. "Oral biography" nennt der Journalist George Plimpton (1927-2003), der als Sportberichterstatter berühmt wurde, sein Unterfangen. Streng genommen, handelt es sich bei dem dickleibigen Buch um eine Collage. Plimpton sampelt Interviewausschnitte zahlreicher Zeitzeugen zusammen, ergänzt durch Zitate aus Briefen und literarischen Texten Capotes. Von Nachbarn über Schulkameraden bis zu Zufallsbekanntschaften, engen Freunden oder missgünstigen Kollegen kommt jeder zu Wort, den Plimpton für würdig befand. Dazu zählen Norman Mailer, Mia Farrow, Marella Agnelli, Jackie Kennedys Schwester Lee Radziwill und über hundert andere. Auch eigene Erinnerungen an Capote arbeitet der Verfasser ein.
Das Stimmen-Cluster umkreist zuerst Monroeville, wo Capote 1924 geboren wurde und bei Verwandten seiner Mutter aufwuchs. Dann geht es um Trumans Eroberungszug durch New York - denn schon als Bürogehilfe des New Yorker wusste er, dass er nicht nur Schriftsteller werden wollte, sondern ein berühmter Schriftsteller. Phoebe Pierce Vreelands Berichte von durchtanzten Nächten erinnern an Szenen, wie sie in Frühstück bei Tiffany oder Sommerdiebe vorkommen.
Alkohol und Tabletten
Ein Höhepunkt der Biografie sind die Kapitel über die Entstehung des Tatsachenromans "Kaltblütig". 1959 ging Capote für die Recherche der Ermordung einer Farmersfamilie nach Kansas und knüpfte eine Beziehung zu den beiden Tätern an. Der Staatsanwalt, der Gefängnisdirektor und der Gefängniskaplan liefern ihre Version der Geschehnisse ebenso wie der Kriminalbeamte Dewey, mit dem sich Capote anfreundete. Obwohl Truman Capote nach der Veröffentlichung 1966 zum vielleicht berühmtesten amerikanischen Schriftsteller aufstieg und im selben Jahr mit seinem "Black-and-White"-Ball ein gesellschaftliches Großereignis zelebrierte, erholte er sich von "Kaltblütig" nicht mehr. Von nun an bestimmten Alkohol und Tabletten seinen Alltag, bis er 1984 seinen Süchten erlag.
Ein verlässlicher Lebensabriss ist Plimptons umfangreiche Collage nicht - denn natürlich entwirft jeder Zeitzeuge seinen eigenen Mythos. Der mündliche Gestus, der in einem Hörspiel funktioniert hätte, ist mitunter ermüdend, ebenso wie die zahlreichen Wiederholungen. Wer sich dem mal überdrehten, mal melancholischen Stimmenchor anvertraut, erfährt aber viel Neues. George Plimpton gelingt ein ungewöhnliches biografisches Mosaik, und nebenbei liefert er ein äußerst unterhaltsames Gesellschaftspanorama. Capote selbst hätte so ein Buch natürlich geliebt.
George Plimpton: "Truman Capotes turbulentes Leben kolportiert von Freunden, Feinden, Bewunderern und Konkurrenten"
Aus dem Amerikanischen von Yamin von Rauch, Rogner und Bernhard
Rogner & Bernhard, Berlin 2014
496 Seiten, 29,95 Euro
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