Trotz Online: Die Printpresse hält sich

Von Michael Meyer · 17.07.2012
Die Umsätze der deutschen Zeitungsverlage sind mit 8,5 Milliarden Euro im vergangenen Jahr nahezu gleich geblieben. Sorgenkind der Branche ist allerdings noch immer die Gratismentalität im Netz. Viele Verlage setzen daher verstärkt auf Bezahlinhalte.
Auch in vergangenen Jahr sind die Auflagen um durchschnittlich drei Prozent zurückgegangen. Aber höhere Verkaufspreise, also im Einzelverkauf und im Abo, haben das kompensiert. Die Gesamtumsätze sind mit 8,5 Milliarden Euro nahezu gleich geblieben. Allerdings, so räumt Hans-Joachim Fuhrmann vom BDZV ein, sind bei den Verkaufspreisen zum Teil Grenzen erreicht, die man kaum noch steigern könne:

"Wir haben die Vertriebspreise in den vergangenen Jahren immer wieder angehoben, man kann das den Menschen auch erklären, und das machen auch viele Zeitungen. Zum einen in dem man darstellt, dass sich das Erlösmodell gewandelt hat und zum zweiten, und das ist das viel, viel Wichtigere, muss man es über Qualität definieren."

Erfreulich sind für die Verleger die steigenden Verkaufszahlen von Apps und E-Paper- Ausgaben für Tablet-Computer. Dort ist ein Plus von 33 Prozent zu verzeichnen und auch die Apps laufen gut, derzeit bieten die Verlage 330 verschiedene Anwendungen an, von denen 240 kostenpflichtig sind.

Sorgenkind der Branche ist allerdings noch immer die Gratismentalität im Internet: Zwar lesen viele Menschen, und gerade jüngere Nutzer gern und oft Zeitungen im Netz. Im Schnitt sind es vier von zehn Bundesbürgern, die regelmäßig Zeitungsseiten besuchen, bei den Jüngeren sind es sogar fast zwei Drittel. Verdienen können die Verlage daran aber nur bedingt, denn die Werbeumsätze sind nach wie vor nur gering. Umso wichtiger sei es, sagt Dietmar Wolff, Geschäftsführer des BDZV, dass man verstärkt Bezahlinhalte im Netz anbiete:

"Wir sehen vereinzelt, dass es schon sehr gut funktioniert, und zwar bei exklusiven Qualitätsinhalten, für faszinierende Angebote, für die die Nutzer auch bereit sind zu zahlen. Und das ist der Weg, der in der Zukunft beschritten wird von den Verlagen, wir werden mehr dieser Angebote sehen. Es ist auch notwendig, weil sich gezeigt hat, dass eine Refinanzierung allein über Werbung bei der Entwicklung der Werbepreise, wie wir sehen, nicht gewährleistet ist."

Die Verlage sind daher an mehreren Flanken dabei, ihr Geschäftsmodell zu erweitern. Beispielsweise treten Verlage heutzutage auch als Veranstalter von Weiterbildungsmessen auf, betreiben Callcenter oder steigen ins Briefgeschäft ein. Dies allerdings ist ihnen noch immer teilweise verwehrt, weil die Bundesregierung als Anteilseigner der Post den Markt nicht dereguliert hat, obwohl es entsprechende Vorgaben aus Brüssel gibt.

Viel versprechen sich die Verlage auch vom sogenannten Leistungsschutzrecht, das, kurz gesagt, Webseitenbetreiber verpflichten soll, dafür zu bezahlen, wenn sie Artikel der Verlage verlinken, bzw. kurz zusammenfassen. Der entsprechende Gesetzentwurf soll noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Das trifft in erster Linie die Großen wie Google News und Yahoo, aber durchaus auch Unternehmen, die in ihrem Intranet Artikel verwenden – genauso wie kleinere Blogger.

Dietmar Wolff: "Wenn ein Blog sich aus Werbung finanziert, wenn auch nicht voll refinanziert, sondern auch nur in Teilen, dann passiert das nun mal zu gewerblichen Zwecken. Da kann man nicht unterscheiden, ob jemand viel oder wenig Geld verdient, es kommt allein auf die Tatsache an, dass Geld genommen wird von anderen, und dass auch Inhalte von anderen genommen werden. Das ist keine Zwangsabgabe, sondern eine Lizenzvereinbarung, man setzt sich zusammen und schaut, ob man da zusammenkommt."

Kritiker befürchten, dass mit diesem Gesetz die Diskussionskultur im Netz beeinträchtigt wird und viele interessante Websites verschwinden werden. Auch ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob und wie die Reporter und Autoren der Texte an den Einnahmen beteiligt werden.

Die Verlage wollen Google auch dazu verpflichten, ihre Suchergebnisse zu optimieren, sodass wenn man beispielsweise "Europa" eingibt, nicht als erstes "Europa"-Versicherungen auftauchen. Ein entsprechendes Kartellverfahren in Brüssel hat immerhin dazu geführt, dass EU-Kommissar Almunia Google aufgefordert hat, wettbewerbsrechtliche Bedenken auszuräumen. Ob Google künftig ein "Fair Search", also faire Suchergebnisse anzeigen wird, ist offen.

Ein Dauerthema für die Verleger ist die "Tagesschau-App" der ARD, die bereits über eine Million Mal heruntergeladen wurde. Dietmar Wolff erklärt, in dem er ein I-Phone in die Hand nimmt, was aus Sicht der Verleger das Problem ist: Zuviel Text, zu viele Artikel, wenn man ein Thema anklickt:

"So und jetzt scrollen Sie weiter und was sehen Sie jetzt, mal zwischendurch ein Bild, Sie sehen wieder nur Text. Sie scrollen immer noch, Sie haben immer noch Text – es sind endlos Texte, die da drin sind. Und wenn Sie die Bilder, die Bewegtbilder, mal weglassen, dann haben Sie eine elektronische Zeitung. Und genau darum geht es uns."

Doch wo nun genau die Grenze liegt bei den Apps und bei den Internetangeboten von ARD und ZDF – das muss an diesem Donnerstag einmal mehr das Landgericht Köln klären, dort haben die Verlage eine Klage angestrengt. Beim letzten Termin sagte der Richter, dass sich die Verlage mit ARD und ZDF einigen sollten. Wie es dieses Mal ausgeht, ist völlig offen. Dietmar Wolff meinte heute, dass man mit dem Angebot des ZDF schon ganz gut leben könne – nur die ARD habe sich noch nicht bewegt. Das Thema Tagesschau-App wird mit Sicherheit über diese Woche hinaus ein Streitpunkt bleiben.

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