Tröge: Bahn-Beschäftigte besser für Konfliktsituationen schulen

Peter Tröge im Gespräch mit Nana Brink · 22.07.2010
Die Verkehrsgewerkschaft GDBA fordert die Deutsche Bahn auf, die Beschäftigten besser auf Konflikte in den Zügen einzustellen. Vizechef Peter Tröge sagt, in einer Situation wie dem Klimaanlagen-Ausfall stünde das Personal unter Stress.
Nana Brink: Die Bilder sind nicht nur allen Bahnkunden haften geblieben. Vor knapp zwei Wochen mussten mehrere ICE-Züge stoppen, weil ihre Klimaanlagen ausgefallen waren und Temperaturen von angeblich bis zu 70 Grad gemessen wurden. Bei den erhitzten Debatten nach dem Störfall stellte sich heraus, die Klimaanlagen der Züge sind nur für Temperaturen bis 32 Grad ausgelegt.

Mittlerweile hat die Bahn erklärt, dass sie in den vergangenen Wochen rund 50 Züge gestoppt oder ausgesetzt hat. Was ist los bei der Deutschen Bahn? Bahnchef Rüdiger Grube muss heute den Verkehrsexperten des Bundestages und auch Verkehrsminister Peter Ramsauer Rede und Antwort stehen. Und am Telefon ist jetzt Peter Tröge, er ist stellvertretender Vorsitzender der Verkehrsgewerkschaft GDBA, die die Arbeitnehmer bei der Bahn vertritt. Einen schönen guten Morgen, Herr Tröge!

Peter Tröge: Guten Morgen, Frau Brink!

Brink: Die Bahn sagt, das Versagen der Klimaanlagen ist ein völlig neues Problem. Hat der Klimawandel die Deutsche Bahn überrollt?

Tröge: Man könnte es meinen, dass der Klimawandel die Bahn überrollt hat. Wir hatten bereits in 2003 ähnliche klimatische Verhältnisse und im Jahre 2003 sind bereits die Klimaanlagen der ICE ausgefallen, und wir haben damals in 2003 schon die Deutsche Bahn aufgefordert, nach den Klimaanlagen zu schauen und auch über die Arbeitsbedingungen der Reisenden Regelungen und Vorkehrungen zu treffen.

Brink: Welche Erklärung haben Sie dann für den erneuten Ausfall der Klimaanlagen?

Tröge: Gut, jetzt handelt es sich anscheinend alle um diese Baureihe ICE 2. Diese Fahrzeuge sind rund 25 Jahre alt und sind auch konzipiert und geplant worden zu einer Zeit, wo vielleicht der eine oder andere nicht damit rechnen konnte, dass wir tatsächlich solche klimatischen Verhältnisse haben. Deswegen auch die Auslegung der Klimakomponenten auf 32 beziehungsweise 35 Grad.

Brink: Also wie gesagt, der betroffene ICE-Typ Nummer zwei, Sie haben es gesagt, ist nur für Temperaturen bis 32 Grad ausgelegt. Das war die Norm, als er gebaut wurde, das muss man fairerweise dazusagen. Müssen wir dann also damit leben und weiter schwitzen im Hochsommer?

Tröge: Nein, natürlich nicht. Zunächst einmal gilt es, unterschiedliche Forderungen an das Unternehmen zu stellen, auch an die Bahnindustrie. Neue Fahrzeuge müssen einfach für andere Temperaturen ausgelegt werden. Jetzt werden die neuen ICEs bestellt, die auch in 2012, 2013 dann geliefert werden.

Zum anderen muss natürlich auch bei Ausfall von solchen Klimaanlagen die Bahn natürlich auch Vorkehrungen und auch Anweisungen treffen, um natürlich, sagen wir, das Reisen so angenehm wie möglich zu betreiben und natürlich auch die Beschäftigten aus diesen, sagen wir mal, sehr starken Belastungen herauszunehmen. Das sind die Forderungen, die wir als Gewerkschaften natürlich stellen.

Brink: Jetzt frage ich mich trotzdem, wenn ein Zug über 20 Jahre alt ist, muss er doch eigentlich öfter gewartet werden. Das ist doch eigentlich logisch. Warum passiert das nicht?

Tröge: Es wird gewartet. Wir selbst haben uns schon überzeugt als Gewerkschaften bei Werksbesichtigungen, dass diese gewartet werden. Man muss einfach auch erkennen, dass diese Fahrzeuge überaltert sind und diese Komponenten in der Klimaanlage auch anfällig sind, wie auch die Türen bei Winter, bei Schneestaub oder anderen klimatischen Verhältnissen. Da muss man natürlich auch eine besondere Vorkommnis und Augenmerk bei der Wartung legen. Aber ich würde mich distanzieren davon, dass die Fahrzeuge nicht gewartet sind, im betriebssicheren Zustand sind sie allemal.

Brink: Aber trotzdem tauchen diese Probleme immer wieder auf im Winter, Sie haben es auch angesprochen, wir haben Ausfälle gehabt wegen zu viel Kälte. Wenn ich Sie richtig verstehe, weiß man das doch alles seit vielen Jahren, aber man reagiert nicht adäquat darauf vonseiten der Bahn.

Tröge: Ja, man kennt diese Probleme. Sie sehen ja auch diese Häufung dieser Vorfälle, sei es nun, dass eine Tür wegfliegt, sei es nun, dass die Toiletten nicht funktionieren, sei es nun, dass die Bremsen versagen oder auch die Bordelektrik und die Energieversorgung nachlässt, weiß man das, und man muss natürlich da auch Vorkehrungen treffen.

Im Besonderen denke ich auch, ist die Industrie, die Bahnindustrie gefordert, der Bahn hier Hilfestellung zu geben, weil die Werke sind nicht ausgelegt, um solche, sagen wir mal, andauernden Ausfälle auch beheben zu können.

Brink: Aber man hat so ein bisschen das Gefühl, dass der Schwarze Peter immer weitergereicht wird. Bahnchef Grube sagt, okay, die Industrie hat uns nicht richtig beliefert, aber selbst Verkehrsminister Ramsauer sagt, die Bahn wurde in der Vergangenheit zugunsten des Gewinns kaputt gespart.

Tröge: Gut, natürlich kritisieren wir auch, dass unter der Kapitalmarktfähigkeit vieles, vieles leiden musste. Es wurde die Produktivität erhöht, der Druck auf die Beschäftigten nahm zu. Man muss aber auch erkennen, dass die Fahrzeuge alt sind, sie sind hoch technologisierte Fahrzeuge, und sie sind anfällig.

Das ist wie bei einem privaten Auto, ein neues Fahrzeug funktioniert besser wie ein altes. Also ich denke schon, dass das eine zutrifft, das andere nicht. Wir haben aber viel zu viel Verkehrsexperten, die meinen, mit ihrer Aussage das Richtige zu treffen. Ich glaube, hier liegt die ganze Komplexität als Fehler vor. Also das eine schließt das andere nicht aus.

Brink: Kommen wir mal zu den Beschäftigten, die Sie ja auch in der Verkehrsgewerkschaft GDBA vertreten. Viele Bahnkunden klagen ja auch, das Personal ist überlastet, es reagiert nicht richtig, es gibt nicht richtig Auskunft, es ist überfordert. Sind Sie nicht vorbereitet auch auf solche Krisenfälle, die ja anscheinend normal sind, wie Sie sagen?

Tröge: Ja gut, zunächst einmal ist es sehr, sehr gutes Personal, das möchte ich also unterstellen. In solchen Situationen ist natürlich jeder Bedienstete, jedes Personal auch in einer Stresssituation. Der eine geht besser mit dem Stress um, der andere weniger. Deswegen fordern wir ja auch vom Unternehmen, dass sie ihre Beschäftigten gerade in solchen Situationen, solchen Konfliktsituationen, besser vorbereitet, besser schult und im Besonderen ganz eindeutige Anweisungen über Handlungsmöglichkeiten dem Personal zu geben.

Brink: Es wundert mich, dass es das nicht gibt bislang.

Tröge: Also mir liegt nur eine Anweisung aus dem Jahre 2003 vor, wie zum Beispiel bei technischen Ausfällen der Klimaanlage das technische Personal oder das Bordpersonal reagieren und handeln muss. Mehr kenne ich nicht.

Brink: Die Hitzewelle, wir haben es jetzt nun mehrfach gesagt, ist nicht das einzige Problem der Bahn. Im Winter war es der Schnee, Verspätungen bekommt man nicht in den Griff, der Ticketverkauf ist störanfällig. Wenn Sie jetzt eine Bilanz ziehen, ist die Deutsche Bahn seit Jahren auf falschem Kurs?

Tröge: Die Gewerkschaften Transnet und Verkehrsgewerkschaft GDBA haben immer wieder gewarnt, nicht zulasten des Services und der Qualität zu sparen. Und heute zeigen sich tatsächlich die Auswirkungen von dem einen oder anderen Sparwahn, das muss man deutlich sagen. Das ist zum einen dieser Automatenwahn, weg von einem personengestützten Verkauf, hin immer zu mehr technologisiertem Einsatz, Aussetzen von Fristen oder Verlängerung von Fristen. Das sind die Folgen, das ist in der Tat so.

Brink: Also dann sagen Sie mir als Bahnkunde jetzt, darauf muss ich mich einstellen?

Tröge: Ja gut, ich denke mal, dass der Vorstandsvorsitzende Rüdiger Grube jetzt handeln wird. Es sind ja Auswirkungen des Vorgängers. Er muss aber jetzt hier im Besonderen diese Punkte, die wir jetzt angesprochen haben, beheben und Lösungen anbieten. Dass immer mal ein Fahrzeug ausfällt, ich glaube, das ist jedem bewusst, es fällt auch ein Rechner mal aus oder ein Auto.

Aber es darf nicht zum Standard werden, dass der Reisende, wenn er einen Zug betritt, schon das Gefühl hat, na gut, irgendwann wird ja wieder was ausfallen. Das darf nicht sein. Ich bin sicher, dass der Vorstandsvorsitzende hier reagieren wird.

Brink: Peter Tröge, stellvertretender Vorsitzender der Verkehrsgewerkschaft GDBA, und wir sprachen über Probleme der Deutschen Bahn. Schönen Dank für das Gespräch!

Tröge: Ja, Frau Brink, danke schön!
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