Triumph des Geistes über den Körper

Vorgestellt von Anke Leweke · 26.03.2008
"Schmetterling und Taucherglocke" zeigt die subjektive Wahrnehmung eines Mannes, der mit 43 einen Hirnschlag erlitt. Regisseur Julian Schnabel, der auch Maler ist, zeigt dies mit verschwommenen Bildern, die langsam Konturen annehmen. Der amerikanische Independent-Film "Half Nelson" erzählt von der Freundschaft zwischen einem Lehrer und seiner Schülerin.
"Schmetterling und Taucherglocke"
Frankreich/ USA, Regie: Julian Schnabel, Hauptdarsteller: Mathieu Amalric, Emmanuelle Seigner, Josèe Croze, Max von Sydow, 122 Minuten

Ungewöhnlich ist schon die Position der Kamera in diesem Film. Sie hat sich hinter dem linken Auge des Helden installiert. Als Zuschauer sehen wir also nur das, was auch er sieht. Verschwommene Farben, Umrisse von Räumen und Menschen, die langsam Konturen annehmen. Es dauert eine Weile bis man erkennt, dass es sich bei den Menschen in den weißen Kitteln, um Ärzte handelt.

Dieser Film nimmt uns mit in die subjektive Wahrnehmung eines Mannes, der einen Hirnschlag erlitten hat. Der die Sprache verloren hat, bis auf das linke Auge gelähmt und doch bei Bewusstsein ist. Locked in – nennt man diesen Zustand des Eingeschlossenseins.

Julian Schnabels dritter Spielfilm "Schmetterling und Taucherglocke" basiert auf der gleichnamigen Autobiografie von Jean-Dominique Bauby, dem ehemaligen Chefredakteur der französischen "Elle". Von der Romanvorlage übernimmt Schnabel den selbstironischen, niemals jammervollen Tonfall.

Trotz aller Schwere des Themas bewahrt sich der Film so seine wunderbare Leichtigkeit. Denn die Fantasie und die Erinnerung lässt sich Bauby nicht nehmen. Der Zuschauer geht mit ihm auf Reisen in die Vergangenheit und in eine versponnene Traumwelt. "Schmetterling und Taucherglocke" ist kein Film über ein trauriges Schicksal, sondern über die Größe des menschlichen Geistes.


"Half Nelson"
USA 2006, Regie: Ryan Fleck, Hauptdarsteller: Ryan Gosling, Shareeka Epps, 107 Minuten

Keine Establishing shot auf New York, keine Feier der imposanten Skyline. Schon in der ersten Einstellung nimmt die Kamera die Augenhöhe der Protagonisten ein. Man begleitet sie auf ihren Wegen durch graue, heruntergekommene Straßenzüge und einsame Plätze.

Dan und Drew leben im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Dan ist Lehrer für Geschichte und versucht seinen afroamerikanischen Schülern ein Bewusstsein für die eigene, von Unterdrückung und Repression geprägte Geschichte zu geben. Die introvertierte Drey ist eine seiner Schülerinnen.

Es ist die Verweigerung, auf bekannte Muster und gängige Stereotypen des Gettofilms zurückzugreifen, die Ryan Flecks Film auf unaufdringliche Weise authentisch erscheinen lässt. Auch wenn sich die etwa zwölfjährige Drey ihr Essen selbst zubereiten muss, findet man sich hier nicht in einem schwarzen Haushalt wieder, in dem die Eltern mit ihrer Drogensucht zu kämpfen haben.

Dreys allein erziehende Mutter ist selten zu Hause, weil sie im harten Schichtdienst das Geld zum Überleben erarbeitet. Die Droge Crack nimmt in diesem Film lediglich der weiße Lehrer Dan. Als er dabei eines Tages von Drey auf der Schultoilette erwischt wird, verpfeift sie ihn nicht. Vielmehr freunden sich die beiden an. Seine unaufdringliche Schönheit bekommt dieser Film dadurch, dass hier zwei Menschen ganz allmählich beginnen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

Nach den Erfolgen von "Thank you for smoking" und "Juno" hat es wieder ein amerikanischer Independent-Film in unsere Kinos geschafft: "Half Nelson" von Ryan Fleck und Anna Boden.