Triumph der "Königlichen"

Von Niels Kadritzke · 13.06.2006
Vor 50 Jahren wurde ein neues Kapitel der Fußballgeschichte aufgeschlagen. Als Real Madrid den erstmals ausgespielten Europapokal der Landesmeister gewann, begann nicht nur eine Ära, die den spanischen Meister fünf Jahre lang zum fußballerischen Maßstab im Vereinsfußball machte. Es begann auch der Aufstieg des Profifußballs zum lukrativsten Zuschauersport.
Die Hymne auf Real Madrid: ein großer Name im spanischen Fußball, seit es in Spanien Fußball gibt - ein ganz großer Name in Europa, seit dem 13. Juni 1956. An diesem Tag gewannen "die Königlichen" das erste Finale im Europapokal der Landesmeister.

Der neue Wettbewerb brachte eine Entwicklung in Gang, die den Profifußball zu dem machte, was er heute ist: ein milliardenschweres Showbusiness. Vor 50 Jahren kam die Idee ganz unschuldig daher. Man wollte einen Europameister der Vereinsmannschaften ermitteln. Aber auch politische Rivalitäten waren im Spiel:

"Anlass war nicht zuletzt die britische Presse, die regelmäßig die Klubs der Insel nach internationalen Erfolgen zu Weltmeistern erklärte","

so erzählt es einer der Initiatoren, der nicht zufällig Franzose war. Kein Zufall auch, dass der Wettbewerb von einer französischen Sportzeitung propagiert wurde und das erste Finale in Paris stattfand. Real Madrid siegte gegen Frankreichs Meister Stade Reims mit 4:3. Und ganz Europa feierte Reals Spielmacher Alfredo di Stefano.

""Es gibt gute Gründe für die Ansicht, dass di Stefano der kompletteste Fußballer aller Zeiten war, eine seltene Personalunion von aufopferungsvoll kämpfendem Arbeitstier, ideenreichem Spielmacher und treffsicherem Torjäger."

Das Lob stammt von Harald Irnberger, Autor eines Buches über die Globalisierung des Fußballs. Di Stefano gewann den Europapokal mit Real gleich fünf Mal in Folge. Damit prägte er eine ganze Ära - auch für die spanische Geschichte, meint der Soziologe Cuco Cerecedo:

"Zweifellos waren die bedeutendsten Ereignisse des Zeitraums zwischen 1950 und 1960 die Unterzeichnung des Konkordats mit dem Vatikan, der Pakt mit den USA und die fünf Europapokale. Man kann festhalten, dass Papst Pius XII., Eisenhower und Bernabéu für Spanien den Weg geöffnet haben, ein gleichberechtigtes Mitglied der internationalen Gemeinschaft zu werden."

Der hier genannte Senor Bernabéu war damals Vereinspräsident von Real Madrid. Als Gefolgsmann des Dikators Franco sah er die Erfolge seiner Fußballer als politische Mission:

"Wir leisten einen Dienst an der Nation. Wir möchten dazu beitragen, dass die Leute zufrieden sind."

Solche Sprüche wirken heute peinlich. Deshalb nimmt Jorge Valdano, bis vor kurzem Sportdirektor bei Real Madrid, die Fußballhelden vor der Franco-begeisterten Vereinsführung in Schutz:

"Real Madrid wurde großartig dank di Stefano und seiner kickenden Kumpels, aber nicht durch Franco oder Bernabéu. Spanien hat damals in der Welt absolut nichts gegolten. Einzige Ausnahme war der Fußball, den diese Mannschaft hervorgebracht hat."

Als das Ausnahmeteam 1960 in Glasgow den Europapokal zum fünften Mal gewann - mit 7:3 gegen Eintracht Frankfurt - sprach die englische Presse vom "best match ever played".

"Di Stefano stürmt los.....di Stefano holte sich den Ball am Mittelkreis...und da war für Loy nichts zu halten."

Di Stefano schoss drei Tore, die restlichen vier erzielte Ferenc Puskas. Als Real den ungarischen Wunderstürmer verpflichtete, begann ein unaufhaltsamer Trend: die Internationalisierung des Vereinsfußballs. Heute spielen in der Elf von Real Madrid manchmal nur zwei oder drei Spanier mit.

"So entstand eine Ansammlung von Ausnahmetalenten, von denen jedes für sich zu glänzen versteht, die jedoch insgesamt das vulgäre Erscheinungsbild einer mit Juwelen inflationär behängten Neureichen-Diva bieten."

Was Fußballromantiker wie Harald Irnberger beklagen, ist eine Entwicklung, die der Nachfolge-Wettbewerb des Europapokals in Gang gebracht hat. Die so genannte Champions League machte den professionellen Spitzenfußball über das Fernsehen zum globalen Showbusiness. Das bot den Marktführern der Branche ganz neue Chancen.

"Real Madrid ist seit langem eine Weltmarke wie Walt Disney. Sie wurde nur bisher nicht als solche ausgewertet."

Der Spruch stammt von Florentino Pérez, der als Präsident von Real Madrid die kommerzielle Idee auf die Spitze trieb. Er kaufte die Stars nach ihrem medialen Renditewert und nicht nach ihrem Nutzen für das Fußballteam. Das beste Beispiel ist Popidol David Beckham. Solche Fußballer können Alfredo di Stefano, dem Helden der 1950er Jahre, nicht imponieren:

"Unsere Mannschaft war besser als die heutige. Bei uns hat es weniger Eitelkeit und mehr Einsatz gegeben. Wir waren ein fest gefügter Block, in dem es für Ego keinen Platz gegeben hat. Heute haben wir großartige Spieler, aber es fehlt der Zusammenhalt."

Das zeigt sich auch auf dem Fußballfeld. Real Madrid hat seit vier Jahren keinen europäischen Titel mehr gewonnen.