Transsilvanien goes global (6/6)

Letzter Tag in Katzendorf

ACHTUNG: NUR FÜR REIHE TRANSSILVANIEN GOES GLOBAL VERWENDEN!
Sechs Welpen hat jemand Carmen-Francesca Banciu vor die Tür gebracht. © Carmen-Francesca Banciu
Von Carmen-Francesca Banciu · 28.02.2015
Die Autorin Carmen-Francesca Banciu mit rumänischen Wurzeln verbrachte im Herbst 2014 einige Woche in einem kleinen siebenbürgischen Dorf. Für den Originalton berichtet sie von den Einwohnern und den Spuren der Vergangenheit.
Heute Nacht sind die Pfützen gefroren.
Ich mache mir warmes Wasser.
Und mache mir Feuer.
Und hülle mich in die Decke ein.
Während draußen die Welpen jaulen.
Pechschwarz.
Welpen aus Tziganie. Aus dem Roma-Dorf.
Jemand ist über den Zaun geklettert heute Nacht.
Hat sie mir vor die Tür gebracht.
Zu sechst sind sie. Aber das sehe ich erst später.
Denn drei sind besonders ängstlich.
Diese zitternden, jaulenden, hungrigen Welpen.
Ich werde sie auf Facebook posten.
Für meine Freunde.
Diese zitternden, jaulenden, hungrigen Welpen.
Am Ende der Welt. In einem Dorf in den Karpaten.
Sie sprechen keine sieben Sprachen.
Sie können nicht zählen.
Sie spielen nicht Klavier.
Ich eile in die Küche. Noch im Pyjama.
Schmeiße Essbares zusammen.
Alles, was ich dort finde.
Suppe von gestern. Viel Brot. Ein Rest Milch. Eine Boulette.
Ich zerkleinere alles. Vermehre es mit warmem Wasser.
Zwei Welpen trauen sich.
Die anderen sind verschwunden.
Ich höre nur ihr Jaulen.
Sie frieren.
Sie frieren. Sie frieren.
Wer hungrig ist, friert leichter.
Der eine hält sich kaum auf den Beinen.
Fällt immer wieder um.
Der andere ist nass,
Als hätte ihn die Mutter gerade erst abgeleckt, kurz nach der Geburt.
Ich lege ihnen die Schüssel mit Resten hin.
Und sie fressen. Und fressen. Auf zitternden Beinen.
Und fallen um. Vor Schwäche. Und Aufregung.
Sechs Welpen sind es. Drei sind besonders ängstlich.
Sie erschrecken, wenn ich mich bewege.
Sie kauern zusammen und jaulen.
Sechs Welpen sind es
Sie sprechen keine sieben Sprachen.
Sie spielen nicht Klavier.
Und zählen können sie auch nicht.
So wie die Tiere auf YouTube.
Wie die Wunderhaustiere auf Facebook.
Sie zittern. Und knurren. Und jaulen. Und schmatzen.
Vor Hunger und Kälte kommen sie nicht zum Kauen.
Sie fressen in Eile. Sie verschlingen alles
Verschlucken sich vor Gier.
Sie können nicht zählen,
Sie können nicht tanzen oder auf dem Klavier klimpern.
Sie fressen eilig.
Sie fressen um ihr Leben.
Bald ist der Hunger eingeschläfert
Dann nagen sie an der Fußmatte
Und ziehen an meinem Schuh.
Sie spielen miteinander.
Schlagen Purzelbäume.
Wie ich es von allen Welpen kenne.
Ich werde das posten auf Face Book.
Für meine Freunde in aller Welt.
Heute Nacht sind die Pfützen gefroren
Und bald wird es schneien
Mein letzter Tag geht zu Ende
Sechs Welpen sind es
Ich rufe die Nachbarn an,
Den Hausverwalter,
Die Köchin,
Die Kinder im Dorf.
Niemand will sechs Welpen im Winter.
Nicht einmal einen einzigen
Die Katze hat heute Nacht ihre Kätzchen bekommen
Sie wird den Winter in der Scheune leben
Die Kätzchen werden vor Kälte frieren
Wer wird hier den Winter überleben
Heute Nacht hat mir jemand sechs Welpen vor die Tür gelegt.
Ich werde sie verlassen müssen.
Ich muss zurück nach Berlin.

Die Autorin Carmen-Francesca Banciu ist in Rumänien aufgewachsen und lebt inzwischen seit mehr als 20 Jahren in Deutschland. Im vergangenen Herbst ist Carmen Francesca Banciu wieder für einige Wochen nach Rumänien zurückgekehrt, in den kleinen siebenbürgischen Ort Katzendorf.

© Marijuana Gheorghiu