Transparency: Rating-Agenturen stärker kontrollieren

Sylvia Schenk im Gespräch mit Marcus Pindur · 03.11.2008
Angesichts der Finanzkrise hat sich die Vorsitzende der deutschen Sektion von Transparency International, Sylvia Schenk, für eine stärkere Kontrolle von Rating-Agenturen ausgesprochen. Die Kriterien, nach denen die Bewertungen von Banken und Unternehmen vorgenommen würden, müssten offengelegt werden, sagte Schenk.
Marcus Pindur: Die derzeitige Finanzkrise hat tiefgreifende Auswirkungen auf alle Volkswirtschaften weltweit. Und sie wird, so viel scheint auch klar zu sein, auch tiefgreifende politische Auswirkungen haben. In den USA zum Beispiel dominiert das Thema den Präsidentschaftswahlkampf wie kein zweites. Und es ist auch absehbar, dass die Finanzkrise auch den Ausgang dieser Wahl bestimmen wird. In zwei Wochen wollen die Staats- und Regierungschefs der sogenannten G20-Gruppe in Washington zusammenkommen, um zu beraten, welche Schlüsse man aus dem Finanzkollaps ziehen will. Wir wollen darüber unter anderem jetzt mit Sylvia Schenk sprechen. Sie ist die Vorsitzende von Transparency International Deutschland. Guten Morgen, Frau Schenk!

Sylvia Schenk: Hallo, guten Morgen!

Pindur: Transparency International hat seine Generalversammlung in Athen abgehalten. Auch bei Ihnen war die Finanzkrise eines der dominierenden Themen. Welche Schlüsse zieht denn eine Antikorruptionsorganisation aus dieser Krise?

Schenk: Ja, wir ziehen zunächst einmal dieselben Schlüsse, die eigentlich in den letzten Wochen auch schon gezogen wurden in der Öffentlichkeit, dass man nämlich festgestellt hat, dass Transparenz und Verantwortlichkeit in hohem Maße gefehlt haben. Und wir fordern zum einen, wenn es jetzt um die Bewältigung der Krise geht und die bereitgestellten Gelder von den Regierungen, dass auch da man nicht den Fehler wiederholt und es mit Intransparenz und ohne Verantwortlichkeit macht, sondern auf jeden Fall dafür Sorge trägt, dass jetzt wenigstens die nötige Transparenz gewährleistet ist. Im Übrigen geht es dann natürlich um die zukünftigen Regulierungen im Finanzmarkt.

Pindur: Stärkere Regulierung ist wohl das eine Thema, ein großes Thema. Jetzt bleiben aber auch bei stärkerer Regulierung immer noch Schlupflöcher, es gibt die Kaimaninseln, andere Karibikrepubliken auch. Wie könnte man dem denn beikommen, ohne die Souveränität dieser Länder zu verletzen?

Schenk: Ja, das Wesentliche ist, dass es bislang hier an einer Zusammenarbeit fehlt zwischen diesen sogenannten Steueroasen und den anderen Ländern und dass damit die Steueroasen eigentlich Regulierung, die in den anderen Ländern existieren, unterlaufen. Ein Problem, das wir schon seit Langem anprangern, ist, dass zum Beispiel Korruption in vielen dieser Steueroasen nicht als Vortat gilt für Geldwäsche und damit sie einen rechtlichen Grund vorschieben und sagen, egal, was in einem anderen Staat passiert ist, egal wo die Gelder herkommen, wir schützen sie. Und das kann eigentlich in diesen Zeiten nicht mehr akzeptiert werden. Und wir hoffen, dass die Diskussion jetzt dafür angestoßen worden ist.

Pindur: Sie sind der Ansicht, man müsse die Souveränität dieser Länder unterlaufen, weil sie auch die Souveränität anderer untergraben?

Schenk: Ja, man muss ja nicht die Souveränität unterlaufen, sondern man muss ihnen nur deutlich sagen, dass das in der internationalen Zusammenarbeit nicht mehr akzeptiert werden kann. Wir leben in einer globalisierten Welt und da können sich nicht einzelne Länder die Rosinen rauspicken, praktisch auf Kosten anderer Länder, und deren Sozialpolitik unterlaufen. Ich glaube, das ist eine ganz klare Forderung und die wird die internationale Staatengemeinschaft auch durchsetzen können, ohne die Souveränität unterlaufen zu müssen.

Pindur: Markttransparenz ist ja eine ganz wesentliche volkswirtschaftliche Voraussetzung für das Funktionieren freier Märkte. Sie sind der Ansicht, in diesem Fall würde sogar mehr Regulierung die Marktwirtschaft sogar eher stärken?

Schenk: Ja, davon gehen wir auf jeden Fall aus. Aber auch dieses bedarf natürlich der Transparenz. Es darf nicht der Fehler gemacht werden, jetzt mit intransparenten Maßnahmen das Desaster zu bekämpfen, das vorher ebenfalls durch Intransparenz entstanden ist. Sondern wir brauchen insgesamt eine stärkere Beteiligung auch der Zivilgesellschaft, Offenlegung von einzelnen Maßnahmen. Und man muss vor allen Dingen, das ist auch ein ganz wichtiger Punkt in den Diskussionen gewesen, darauf achten, dass die Finanzkrise und die anschließende Wirtschaftskrise, die ja schon begonnen hat, jetzt nicht auf dem Rücken der Ärmsten ausgetragen wird.

Pindur: Es gibt ja marktwirtschaftliche Instrumente, die Markttransparenz herstellen sollen, die sogenannten Rating-Agenturen, die die Bonität von Banken und Unternehmen einschätzen. Die haben ja nun versagt. Muss man da irgendwie gegensteuern und vielleicht eigene europäische Ratingagenturen gründen?

Schenk: Na, vor allen Dingen brauchen Sie hier eine stärkere Kontrolle, auch der Rating-Agenturen und auch hier mehr Transparenz. Es ist ja ganz deutlich geworden, dass die Bewertung, die dort vorgenommen wurden von bestimmten Finanzprodukten ja offensichtlich überhaupt nicht der Wirklichkeit entsprachen bzw. nur für eine Wachstumsphase gedacht waren und nicht einkalkuliert haben, dass es auch einmal anders aussehen könnte. Hier hat es auf jeden Fall auch an der Offenlegung der Bewertungskriterien gefehlt. Und von daher kann es auch hier nur heißen, mehr Transparenz und auch vor allen Dingen Verantwortlichkeit, dass nämlich die Rating-Agenturen dann auch einstehen müssen für das, was sie bewertet haben.

Pindur: Die Frage der Managerhaftung lag immer wieder auch auf dem Tisch. Ist da etwas, was man besser machen könnte in Zukunft?

Schenk: Ja, das kommt dann sehr auf die unterschiedlichen Gegebenheiten an. Aber sicherlich, wenn wir mehr Verantwortlichkeit fordern, dann heißt das natürlich, dass man insgesamt ein System braucht, wo diejenigen, die Verantwortung tragen und Fehler machen, für diese Fehler auch zur Rechenschaft gezogen werden können und nicht stattdessen noch einen Bonus bekommen.

Pindur: Vielen Dank für das Gespräch!

Schenk: Bitte schön!

Pindur: Sylvia Schenk, sie ist die Vorsitzende von Transparency International Deutschland.


Das Gespräch mit Sylvia Schenk können Sie bis zum 3. April 2008 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören: MP3-Audio