Tragisch und komisch zugleich

Von Waltraud Tschirner · 06.11.2008
Fiona und Dom sind leidenschaftliche Rumba-Tänzer. Durch einen Unfall aber verliert Fiona ein Bein und Dom leidet unter Gedächtnisverlust. Für beide beginnt nun ein Leben mit kleineren und größeren Katastrophen, das sie dennoch mit viel Humor meistern.
Fiona und Dog sind Lehrer. Sie sind ausgesprochen fröhliche Menschen und auch sofort als solche zu erkennen: Sie strahlen permanent, haben eine Vorliebe für knallbunte Klamotten und Einrichtungsgegenstände und bewegen sich vorzugsweise im Rumbaschritt. Regelmäßig fahren sie zu Tanzwettbewerben, von denen sie genauso regelmäßig mit Preispokalen zurückkommen. Und da passiert es dann auch irgendwann ... das Unglück. Nach dem Unfall mit dem Selbstmordkandidaten hat Fiona, die wilde Tänzerin, nur noch ein Bein und Dom:

"Endstation! Wissen Sie zufällig, wo ich wohne?"

Ja – Dom weiß eigentlich nichts mehr und findet auch nichts mehr ... ein Stoff, aus dem die Albträume sind, aber hier geht’s fröhlich weiter. Ein klassischer Fall von "Dont worry, be happy?"

Fiona: "Also - ich glaube nicht, dass wir den Leuten eine Botschaft im amerikanischen Sinne von 'Sei positiv' vermitteln wollen. Aber wir mögen diese Momente, wenn Menschen in ganz verletzlichen Situationen sind. Jeder kennt das doch, wenn man irgendwie fällt- im übertragenen oder im eigentlichen Sinne. wie zerbrechlich und ohnmächtig man sich da fühlt. Also kann sich jeder sofort in eine solche Situation hineinversetzen. Andererseits sind wir Clowns. und als Clown stehst Du eben sofort wieder auf, wenn Du hingefallen bist, schon um anschließend sofort erneut stürzen zu können. Daraus entsteht die Komik ... hinfallen, aufstehen, fallen, aufstehen ... genauso wie das Leben eben ist."

Die Stehaufmännchenphilosophie wird hier gleichermaßen plastisch wie drastisch ins Bild gesetzt, denn Fiona versucht mit ihrem einen Bein alles weiterzumachen wie vorher. Wenn sie da so vor ihrer Klasse umherstolpert oder mit Holzbein tanzt – da wird der Humor doch ganz schön schwarz, und das vor noch immer quietschbunten Bildern.

Überhaupt - die Ästhetik des Films, die fällt auch gewaltig aus dem Rahmen – schon weil da nicht in 1 zu 1 im Naturambiente agiert wird, sondern erkennbar zwischen Kulissen und Requisiten. Der Grund dafür - sicherlich kein Geldmangel bei den beiden gestandenen Bühnenakteuren, zu deren Ausbildern Ariane Mnouchkine und Luc Bondy gehörten.

Dom: "Wir sind Theaterleute und als wir zum Kino kamen, war es uns ganz wichtig, das besondere Verhältnis mitzunehmen, das sich normalerweise zwischen uns und dem Publikum entwickelt. Und so, wie wir auch dort mit Andeutungen von Kulissen die Vorstellungskraft anschieben, so wollen wir das hier auch. Wir lieben das, weil es einfach ganz andere Möglichkeiten bietet, Poesie herbeizuzaubern."

Warum die Geschichte von Fiona und Dom ausgerechnet eine so tragische sein musste –auch dafür haben die beiden eine prompte Erklärung. Sie wollten sowohl von der Vergänglichkeit des Glücks wie von der des Unglücks erzählen. Und dafür bringen sie Körpereinsatz, wie er auf der Leinwand selten zu erleben ist.
Allein all die Drehtage mit hochgebundenen Bein ... ach alles kein Problem winkt Fiona ab:

"Für uns wäre es wohl viel schwieriger, brillante Dialoge zu schreiben. Natürlich benutzen auch wir Wörter. Aber sie sind sozusagen nur die Spitze des Eisbergs und der viel größere Teil verbirgt sich dahinter - in Mimik, Gestik, Körpersprache.
Es ist auch interessant zu beobachten, wie viele Menschen ganz großartig mit Wörtern jonglieren können und einem etwas erzählen, aber der Körper erzählt indessen eine ganz andere Geschichte. Manchmal erzählt er etwas, das wir noch gar nicht wussten. Und instinktiv versteht aber jeder die Körpersprache."

Tatsächlich kommt der Film "Rumba" mit sehr wenig gesprochenem Text aus. Man fühlt sich an den Stummfilm erinnert und an einige seiner Heroen. Und man registriert auch ein wenig erstaunt, dass die Protagonisten im Film die Namen der Macher aus dem richtigen Leben tragen - Fiona und Dom.

Dom: "Wir spielen uns selbst. Unser Humor hat nichts mit Sarkasmus zu tun oder Ironie und wir sind auch keine Parodisten. Wir machen keine Comedy, wie es sie jetzt überall gibt. Wir nennen es physische Komödie oder Slapstick und das verlangt ganz andere Ausdrucksmittel.
Letztlich fühlen wir uns den Pionieren des Kinos nahe. Die Leute, die damals die Kamera für sich entdeckten waren Clowns, Fotografen oder Zauberer. In jedem Fall Leute, die spontan etwas erfanden oder entwickelten. Und daraus konnte gutes Kino entstehen, manchmal auch schlechtes, aber es war immer sehr originell und persönlich. Deshalb sind wir auch im Film Dom und Fiona."

Eigentlich sollte es ja der Tango werden, der das Leben der Beiden voll im Griff hat, aber der erwies sich schnell als zu düster und melancholisch. Und dann brachte irgendjemand Rumba ins Spiel. Den hatten sie vorher zwar nicht getanzt - aber egal, es sollte ja auch kein Tanzfilm werden:

Fiona: "Es ist kein Film übers Tanzen. Aber wenn Du als Paar ein geeignetes Mittel suchst, Zustände adäquat auszudrücken wie Harmonie, Zusammengehörigkeit oder auch spezielle Eigenheiten, dann erweist sich der Tanz als ein ganz wunderbares Mittel, all das darzustellen. Und ganz besonders geeignet sind eben die lateinamerikanischen Tänze in ihrer Körperlichkeit, dem Gefühl und der Lebensfreude. Ja – und daraus haben wir unseren eigenen ganz besonderen Tanz gemacht."