Townships im Theater

Von Volker Trauth · 22.09.2008
Das Berliner Theater Hebbel am Ufer präsentiert mit dem Festival "Performing South Africa" unterschiedliche künstlerischer Positionen aus einem Land, das sich noch immer im Umbruch befindet. Videoinstallationen zeigen die immer noch fortwirkende Trennung zwischen Schwarzen und Weißen. Highlight war das Theaterprojekt "Township Stories" von Mpumelelo Paul Grootboom, das die harte Realität und die Gewalt in den schwarzen Vorstadtsiedlungen zeigt.
Das vom Auswärtigen Amt unterstützte Festival bietet auf vielfältige Weise Einblicke in das gesellschaftliche Leben in Südafrika - sowohl in den hier gezeigten künstlerischen Zeugnissen als auch im Rahmen von Vorträgen und Gesprächen.

Auf die tiefen Risse in der südafrikanischen Gesellschaft und die Rückschläge hinsichtlich der demokratischen Erneuerung wies der bekannte Politikwissenschaftler Xolela Mangcu hin. Das Phänomen der Verleugnung auf allen Ebenen und innerhalb der verschiedenen Bevölkerungsgruppen sei für ihn der tiefere Grund von Fehlentwicklungen: die Verleugnung der Apartheid-Politik auf Seiten der Weißen und die Verleugnung von Korruption, Polizeiwillkür, Aids und Vetternwirtschaft auf Seiten der Schwarzen.

Das Verhängnis sei die Tatsache, dass nach dem Abtritt Mandelas von der politischen Bühne die politische Führungsfigur fehle, die über die Grenzen der politischen Lager hinweg Anerkennung finde, die der Jugend lebbare Werte vermittele und Mandelas Traum von "Einheit und Vielfalt" verwirklichen könne.

Vom Leben in den Großstädten Johannesburg und Kapstadt erzählten Videokunstwerke unterschiedlicher Länge (von 3-18 Minuten Spieldauer). Ein widersprüchliches Bild von einem Leben der Gegensätzlichkeiten entsteht. Den Eindruck von unaufgeregter Befriedung vermittelte ein Video von Moshekwa Langa. An einer Bushaltestelle steigen Menschen unterschiedlicher Hautfarbe unterschiedlichen Alters und Wohlstandes in einen Bus. Man sieht nur auf die Füße, Schuhe, Anzugshosen und Kleidersäume. Keiner hat Eile, keiner drängt sich vor. Auf das Verbot gemeinsamer Busbenutzung in den Jahren der Apartheid spielt dieser Streifen auf unspektakuläre Weise an.

Die Gefahr von erbitterten Klassenauseinandersetzungen malt dagegen ein Videofilm von William Kentrige an die Wand. Eine rasche Folge von Kohlezeichnungen führt ein in das Leben eines reichen Minenbesitzers und Betreibers von Rundfunkanstalten namens Eckstein. Er thront in einem riesigen Palast, während gesichtslose Haufen von protestierenden Arbeitern auf die Trutzburg hinströmen. Da wird Eckstein von einem apokalyptischem Albtraum heimgesucht: die Trutzburg bricht in sich zusammen und die Sintflut begräbt die Trümmer unter sich.

Das künstlerische Ereignis war jedoch die Inszenierung der "Township Stories" von Mpumelelo Paul Grootboom. Grootboom, der gleichzeitig Regie geführt hat, gilt als der Shooting Star des südafrikanischen Theaters. Seine Inszenierung bricht ein Tabu nach dem anderen. Gezeigt wird der brutale Überlebenskampf unter Schwarzen in einem Armenviertel der Großstadt Johannesburg. Wir erleben Übergriffe der Polizei der Schwarzen, Zerstörung von Familien, Arbeitslosigkeit, Inzest, Missbrauch von Kindern.

Grootbooms Dramaturgie ist schlüssig und lässt dramatische Zuspitzungen zu. Den Rahmen bildet die Jagd auf einen Serienmörder. Darin verknüpft das Schicksal verschiedener scheiternder Familien. Da ist die lebensgierige Frau, die ihren Mann in der Arbeitslosigkeit zurücklässt, da ist dessen Tochter, die die Schule verlässt, von ihrem ersten Liebhaber ein Kind erwartet und von dem brutal niedergeschlagen wird und da ist ein schwarzer Polizeioffizier, der nach dem Tod seiner Frau seinen Jungen missbraucht. Dieser gedemütigte Junge -so zeigt es sich erst am Ende - ist der Serienmörder, der auf solch ungeheuerliche Weise an der Welt seine Rache nehmen will.

Grootboom versucht - mit unterschiedlichen Erfolg - eine an stilistischen Gegensätzen reiche Spielweise: neben zeichenhafter Überhöhung steht die fast naturalistische 1:1-Zeichnung. Kämpfe, Liebesszenen werden durchchoreographiert, mythische Gestalten aus der Geschichte des Stammes der Xosa treten auf - und im Bruch dazu werden Brutalitäten ganz direkt ausgespielt.

Insgesamt beeindruckt die kollektive Ausdrucksentschlossenheit; einzelne schauspielerische Leistungen ragen jedoch heraus. Von emotionaler Dichte ist es, wenn die Darstellerin des gepeinigten Mädchens ihr Empfinden erster Liebe oder ihre tiefe Verletzung dem Publikum mitteilt oder wenn der Darsteller des Serienmörders bis zuletzt sein Geheimnis bewahrt.

Service:
Das Festival "Performing South Africa" findet noch bis zum 27. September im Berliner Theater Hebbel am Ufer (HAU) statt.