Tour der France 2015

Tränen, Koks und miese Quoten

Porträtaufnahme des Radsportlers Luca Paolini
Fiel durch die Dopingkontrolle: der Tour-de-France-Teilnehmer Luca Paolini © dpa / picture alliance / francis Nicolas/Maxppp
Von Günter Herkel · 26.07.2015
Der Radsport ist eine der schönsten Disziplinen überhaupt, findet Günter Herkel. Allein, die Fernsehzuschauer sahen es anders, bei ihnen floppte die Tour de France. Es war nicht die einzige Irritation in diesem Jahr. Ein Rückblick.
"Wieder mal die Unschuld verloren", titelte die Süddeutsche Zeitung ironisch, als der italienische Radprofi Luca Paolini nach einem Positivtest auf Kokain während der Tour aus dem Rennen genommen wurde. Tatsächlich scheint das Vertrauen in die Jungfräulichkeit seiner Mitglieder nicht mal im Weltradsportverband (UCI) allzu groß zu sein. In einem UCI- Bericht wurde vor der Tour ein nicht namentlich genannter Profi mit der Vermutung zitiert, dass nach wie vor 90 Prozent des Pelotons dopen. Wohl wahr: Wer beobachtete, wie Christopher Froome schon auf der ersten Pyrenäen-Bergetappe die Konkurrenz bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 23 Stundenkilometern deklassierte, dem dürften berechtigte Zweifel gekommen sein, ob hier alles mit rechten Dingen zuging. Mit Müsliriegeln und ein paar isotonischen Drinks sind derartige Strapazen jedenfalls nicht zu schaffen.
Dass ausgerechnet der Seriendoper Lance Armstrong am Rande der Tour ein Benefizrennen bestritt, war nur ein weiteres Kuriosum in dieser unendlichen Skandalgeschichte.
Den Glauben an einen sauberen Radsport auf viele Jahre ruiniert
Und die Deutschen? Mehrere Etappensiege durch Greipel, Martin und Geschke - das hatte es lange nicht gegeben. Aber die Freudentränen eines Simon Geschke ließen die meisten Zuschauer hierzulande offenbar kalt. Zu frisch ist noch das Gedächtnis an die Generation der Ulrichs, Zabels, Sinkewitz' und Co. Profis, die den Glauben an einen sauberen Radsport auf viele Jahre ruiniert haben.
Das musste auch die ARD erkennen, die sich nach drei Jahren der Abstinenz wieder zur täglichen Direktübertragung entschlossen hatte. Und dabei von miserablen Quoten ausgebremst wurde. Das Publikum habe die Tour zurückgewollt? Mitnichten. Etwas mehr als eine Million Zuschauer täglich, dazu ein Marktanteil von unter zehn Prozent – das liegt weit unterhalb der üblichen Ansprüche des Ersten.
Keine saubere Trennung zwischen kommerzieller Tätigkeit und Berichterstattung
Als "Presenter" hatte die ARD übrigens den Kochplattenproduzenten Bora gewonnen. Normalerweise ein eher unwichtiges Detail, aber: Dasselbe Unternehmen nahm gleichzeitig als Namenssponsor des deutschen Rennstalls "Bora-Argon 18" an der Tour teil. Das Objekt der Berichterstattung als Sponsor dieser Berichterstattung? Das erinnert dann doch entfernt an die einstige unselige Verquickung der ARD mit Team Telekom und seinem gefallenen Helden Jan Ulrich. Eine saubere Trennung zwischen kommerzieller Tätigkeit und journalistischer Berichterstattung sieht anders aus.
Ansonsten bleibt der Radsport natürlich eine der schönsten Disziplinen schlechthin. Wie wär's mal wieder mit einem Familienausflug ins Grüne?
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