Toshiki Okada in München

Japans unerlöste Seelen

Der japanische Dramatiker und Bühnenregisseur Toshiki Okada
Der japanische Dramatiker und Regisseur Toshiki Okada gehört zu den wichtigsten Regisseuren Asiens © picture alliance / dpa
Von Sven Ricklefs · 18.02.2017
Eine moderne Version des klassischen japanischen Nō-Theaters präsentiert Toshiki Okada an den Münchner Kammerspielen: Das Stück porträtiert eine Gesellschaft in Agonie, gezeichnet von demografischem Wandel und einer bis heute andauernden Finanzkrise.
Es sind unerlöste Seelen, die das klassische Nō-Theater bevölkern, Seelen, auf denen noch etwas lastet, das sie während ihres Lebens nicht bewältigen konnten oder wo sie Schuld auf sich geladen haben. In der modernen Nō-Theaterversion von Toshiki Okada in den Münchner Kammerspielen sind diese Seelen ein Investmentbanker, der sich im Zuge der japanischen Bubble-Economy in den 80er-Jahren schließlich umbrachte und der nun Vergebung von der nachfahrenden Generation erbittet, und: der "Geist des Feminismus", der die gesellschaftliche Missachtung der Frau beklagt.
Sie treffen in den beiden nach U-Bahn-Stationen in Tokio benannten Teilen des Stückes, "Roppongi" und "Tochōmae", auf einen jungen Mann, der sie durch seine Gegenwart und seine Fragen herausfordert. Dazwischen hat Okada ganz wie in der klassischen No-Theater-Struktur ein heiteres Zwischenspiel montiert, in dem eine Schauspielerin laut über die Schwierigkeiten des Textlernens nachdenkt.

Zeitlupenhafte Betrachtung einer Gesellschaft in Agonie

Im Ambiente eines realistischen U-Bahnhofs und mit dem Sound des No-Theaters entwirft Toshiki Okada das Bild eines Japan, das quälend langsam vor sich hinstirbt: gezeichnet von einer Finanzkrise, von der sich das Land bis heute nicht erholt hat, und ausgeliefert einem demografischen Wandels, der eine zukunftslose Jugend in die Depression stürzt. Was nach explosivem Zündstoff klingt, wandelt sich auf der Folie des No-Theaters in eine zeitlupenhaften Betrachtung über eine Gesellschaft in Agonie.
Dabei entsteht der Sound des Abends zum einen durch die magische Livemusik von Kazuhisha Uchihashi, der sehr gekonnt etwa mit Daxophon oder Harfengitarre hantiert, und zum anderen durch den Körper- und Sprachduktus, in den die Schauspieler immer wieder verfallen, und der ihnen den Anschein gibt, als befänden sie sich in einer Art Bewegungsmeditation. Und so ist es denn auch dieser eigentümliche Rhythmus, der den gewissen Reiz dieses Theaterabends ausmacht, auf den man sich aber sehr geduldig einlassen muss.
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