Toleranz

"Sie neobolschewistischer Landeskorrespondent!"

Pegida-Anhänger während einer Demonstration in Dresden am 25. Januar 2015.
"Lügenpresse": Viele Pegida-Anhänger haben ein geschlossenes Weltbild, die Rolle aller Medien ist darin klar. © imago/Reiner Zensen
Von Henry Bernhard · 02.11.2015
Gezischte, aber deutlich verständliche Drohungen, Beleidigungen per Mail, Rempeleien: Im Dunstkreis von Pegida und AfD sind Journalisten ins Visier der "besorgten Bürger" geraten. Unser Korrespondent Henry Bernhard berichtet.
"Hallo Leute. Wer ist denn Henry Bernhard? Ich bin das vierte Mal auf der AfD-Kundgebung in Erfurt gewesen. Das was er geschrieben hat, klingt ja wie ein Märchen."
"Bernhard ist ein Journalist, der der AfD allem Anschein nach nicht neutral, sondern eher ablehnend, kritisch gegenüber steht. Er studierte in Göttingen, also einer Stadt, die seit mehreren Jahrzehnten eine Hochburg der linksextremen Szene ist."
"Sehr geehrter Herr Bernhard! Eigentlich müsste man Sie nach diesem unverschämten und völlig undifferenzierten Artikel zur gestrigen AfD-Demo den neobolschewistischen Landeskorrespondenten des DEUTSCHLANDFUNKS in Thüringen nennen oder? Und danach schlicht feuern!"
Beschimpfungen und Beleidigungen per Mail
Das also bin: Der Landeskorrespondent in Thüringen, Henry Bernhard. Seit neustem bin ich also ein "Neobolschewist", vorher war ich ein "Alt-68er", ein "böswilliger Hetzer" oder auch ein "rechter Kalter Krieger". Oder auch mal einer, der anderen die schöne Kindheit in der DDR schlechtreden will. Suchen Sie sich was aus, da bin ich tolerant! Und für die Demonstranten draußen bei PEGIDA oder AfD bin ich, wie all meine Kollegen, schlicht die:
"LÜGENPRESSE! LÜGENPRESSE! LÜGENPRESSE!"
Beschimpfungen und Beleidigungen per E-Mail leite ich manchmal weiter, an Freunde, Kollegen, um gemeinsam darüber lachen zu können. Das befreit. Mein Eindruck ist, dass sich hier jemand nur Luft machen will, ohne wirklich einen Austausch zu suchen. Dafür bin ich aber nicht die richtige Adresse. Ich bin Journalist und berichte. Daher ist meine Toleranz-Schwelle schon aus beruflichen Gründen hoch. Aber manchmal muss ich schon schlucken, zum Beispiel beim AfD-Politiker Markus Frohnmaier, der für Nazi-Jargon von seinen Anhängern Applaus erntet.
"Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet."
Solche Sätze, der Inhalt, der Stil, der Jubel danach treffen mich. Da hört der Spaß, da hört auch meine Toleranz auf. Da geht es nicht mehr um verschiedene Meinungen. Ich fühle mich als Ziel gemeint mit diesem subtilen Aufruf zur Gewalt. Und selbst, wenn Frohnmaier es nicht gewalttätig gemeint haben sollte: Es wird genügend geben, die ihn so verstehen. Die Folgen können so aussehen:
Ordner der AfD rempeln heftig, während ich als Reporter in Erfurt Aufnahmen mache. Das ist zum Glück die Ausnahme. Solche körperlichen Angriffe sind selten. Ein Kollege wurde aber auch schon angespuckt und einer Kollegin per Mail "eine Tracht Prügel, mit begleitender psychischer und physischer Erniedrigung" angedroht. Mit korrektem Absender! Perfide, feindselig – schwer, da gelassen und professionell weiterzuarbeiten. So ging es mir auch auf einer der letzten AfD-Demos in Erfurt:
"Schämt ihr euch nicht?"
"Volksverräter!"
"Ihr kriegt noch ein paar auf die Fresse! Das dauert nicht mehr lange. Wartet mal ab!"
Die Drohungen werden leise, aber verständlich ausgestoßen. Und die Typen sahen auch aus, als seien sie willens und in der Lage, dies auch auszuführen. In solchen Momenten beruhigt mich erst mal die Anwesenheit der Polizei. Und die Hoffnung, dass es nur eine kleine Gruppe mit großer Klappe ist. Die große Masse der Menschen, die ich bei meiner Arbeit in Thüringen treffe, ist friedlich und freundlich. Sogar in AfD-Demos. Für einige bin ich eben der "Neobolschewist" oder der "Kalte Krieger" von Rechtsaußen. Da kann ich mit leben. Mit Gewalt nicht.
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