Tödliche High-Tech-Partisanen

Von Stefan Osterhaus · 02.04.2013
Braucht die Bundeswehr bewaffnete Drohnen? Der Journalist Stefan Osterhaus ist skeptisch. Er beschreibt die Drohne als eine Art unbemannten High-Tech-Partisanen - ferngesteuert, lautlos und tödlich. Sie einzusetzen wäre ebenso unumkehrbar wie folgenreich.
Es ist ein Kreuz mit der Drohne. Sie fasziniert und erzeugt zugleich Unbehagen. Befürworter versprechen, mit Waffen an Bord würde sie Risiken für die kämpfende Truppe am Boden vermeiden - ja angeblich schütze sie sogar das Leben von Zivilisten. Denn sie töte sehr präzise. Präziser als eine Rakete, eine Bombe oder eine Granate.

Gegner führen ethische Vorbehalte dagegen ins Feld, ferngesteuert in einem weit entfernten Einsatzgebiet, vielleicht sogar vollautomatisch zu töten. Und sie erwarten, dass dadurch die Gegenseite zum Wettrüsten ermutigt werde, ebenfalls auf Kampfdrohnen zu setzen.
Die Erregung ist erstaunlich. Auf den ersten Blick. Die Drohne ist schließlich keine Massenvernichtungswaffe. Sie ist im Grunde ein unbemanntes Flugzeug im Kleinformat.

Soweit, so unspektakulär. Ihre Technik wird militärisch und zivil genutzt – zur Aufklärung, zum Fotoshooting aus der Luft. Aufklärungsflüge gibt es seit Beginn des Luftkrieges. Auch als Waffe ist sie nicht gefährlicher oder brutaler als andere aus dem Arsenal des konventionellen Krieges.

Erst nimmt sie die Privatsphäre - dann das Leben
Und doch irritiert und verstört sie. Denn dieses sonderbare Flugobjekt löst gleich zwei Urängste des Menschen aus: Ausgespäht und vernichtet zu werden. Erst nimmt sie die Privatsphäre. Und dann das Leben. Schon der Begriff Drohne drückt Bedrohung aus.

Und das, so meine ich, hat seinen Grund. Denn das Neue - und damit das Bedrohliche an ihr - ist nicht die Maschine, die Technik, die Waffe an sich. Sondern ihre Aufgabe: Die Kampfdrohne tritt an die Stelle des Partisanen.

Das klingt zunächst einmal relativ harmlos. Denn Partisanen werden gern verklärt. Manchmal werden sie Guerilleros genannt. Auch Freiheitskämpfer ist ein beliebter Euphemismus.

Ein Partisanenkrieg aber hat nichts Romantisches. Ein Partisanenkrieg ist hinterhältig und rücksichtslos, unkontrolliert und willkürlich. Oft bekämpfen sich Ideologien, wird Feindschaft bis zum Äußersten getrieben. Ein solcher Kampf endet nie. Darin unterscheidet er sich von der offenen Feldschlacht, vom regulären Krieg.

Ein Partisan kämpft im Rücken des Feindes. Er gibt sich nicht als Gegner zu erkennen, er bleibt anonym. Täuschung ist sein Kapital. Weder Soldaten noch Zivilisten wissen, woran sie sind. Das Kriegsvölkerrecht vermag sie ebenso wenig zu schützen wie zivile Gesetze. Die Grenzen zum Terrorismus sind fließend.

Die Drohne vollstreckt den Tod ohne Gerichtsurteil
Schon die preußischen Generäle wünschten sich den Partisanen - mit Mistgabeln, Knüppeln und Messern bewaffnet. Aus gutem Grund: Partisanen sind nützlich. Sie machen den Gegner mürbe, sie sind kaum zu fassen. Sie schlagen unvermittelt zu. Sie erzeugen: Terror.

Wir können uns die Drohne also als unbemannten High-Tech-Partisanen vorstellen: ferngesteuert, lautlos, tödlich. Mit anderen Waffengattungen ist sie nicht vergleichbar. Sie ist eben kein Artilleriegeschütz, keine Bombe und auch kein Panzer.

Und sie operiert nicht nur auf einem Schlachtfeld voller feindlicher Truppen, sondern über Städten und Siedlungen, überall wo sie Gegner vermutet. Und der Gegner muss kein Soldat sein. Sie spürt jedermann auf: Politiker, Oppositionelle, Aufständische und Mafiosi – auch völlig Unbeteiligte. Sie vollstreckt den Tod ohne Gerichtsurteil. Und niemand steht dafür gerade.

Insofern ist es verständlich, dass lange und intensiv über die Kampfdrohne diskutiert wird. Sie einzusetzen wäre ebenso unumkehrbar wie folgenreich.

Noch ist die Diskussion lebendig. Und sie muss es bleiben. Damit die Drohne nicht – wie es ihrem Wesen entspricht – lautlos kommt, es bis zum Äußersten treibt. Und der Schaden, den sie anrichtet, uns überrascht, wenn es zu spät ist. Sie ist eine Waffe, die uns nicht schützt, sondern sich gegen uns selbst richtet. Sie ist eben ein Partisan.

Stefan Osterhaus, 1973 im sauerländischen Neheim-Hüsten geboren, lebt und arbeitet seit 2000 in Berlin, wo er zunächst Redakteur der "Berliner Zeitung" war. Seit 2005 ist er Sportkorrespondent der "Neuen Zürcher Zeitung", er schreibt für die "taz", den WDR-Hörfunk und für Deutschlandradio Kultur.
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