Todd Rundgren

Das musikalische Chamäleon

Todd Rundgren
Todd Rundgren während eines Konzerts im Dezember 2015 in Detroit, Michigan. © imago/ZUMA Press
Von Klaus Walter · 14.04.2016
Todd Rundgren ist ein Allround-Musiker. Es gibt Leute, die ihn als das fehlende Bindeglied zwischen John Lennon und Brian Wilson betrachten. Rundgrens Soloalben schwanken zwischen genialisch und enervierend. Elf davon sind neu aufgelegt worden.
Pfeifen: "I saw the light"
So ähnlich muss es geklungen haben, 1980. Bei Todd Rundgren wird eingebrochen, die Täter fesseln den Hausherren, stellen den Laden auf den Kopf und dabei pfeifen sie ein Lied
Und was pfeifen die Einbrecher im Haus von Todd Rundgren? "I saw the light", den bekanntesten Song von Todd Rundgren. Diese Geschichte wird immer wieder gern erzählt und sie verrät zweierlei über diesen exzentrischen Mann:

1. Er hat Sinn für Humor
2. Er hat eine große Liebe zur Musik
Rundgren: "Du mußt es aus Liebe tun! Sagt Todd Rundgren. Die Musik ist die Liebe seines Lebens und seine erste große Liebe trifft er als Teenager. Es sind die frühen Sechziger Jahre und die USA erleben eine Invasion. Die British Invasion.Als ich so vierzehn, fünfzehn war und die Beatles auftauchten, das war eine ganz neue Vorstellung von Musik. Vorher gab es den gutaussehenden Lead-Sänger mit einer Band hintendran. Und jetzt bist du einer von vier Typen. Du musst nicht der schönste sein. Du kannst Ringo sein, du kannst der hässlichste in der Band sein und die Leute lieben dich trotzdem."
Ermutigt von seinen Idolen gründet Todd Rundgren 1967 in seiner Heimatstadt Philadelphia die Band Nazz. Da ist er gerade mal achtzehn. Ein Jahr später landen Nazz ihren ersten kleinen Hit mit "Open my eyes"

Unüberhörbarer Einfluss der Beatles

Open my eyes, Nazz 1968, der Song gilt heute als Klassiker des amerikanischen Garagenrock, der Einfluss der Beatles ist unüberhörbar.
Mit den Fab Four verändert sich auch das Anforderungsprofil in der Pop-Musik. Vorher regiert die strenge Arbeitsteilung: Der Komponist komponiert, der Texter textet, der Musiker musiziert, der Produzent produziert, der Sänger singt. Oder auch: die Sängerin singt.
Die Beatles werfen diese Ordnung über den Haufen, sie performen ihre eigenen Songs und sie spielen ihre Instrumente selbst, so der Musiker und Kritiker Detlef Diederichsen:
"Auf einmal konnte jeder Musiker komponieren, war jeder Instrumentalist auch noch Komponist, Dichter und hinreißender Sänger. Und da die Aufnahmetechnik gleichzeitig voranschritt, traten Künstler auf den Plan, die sich selbst genug waren und alle kreativen Jobs selbst erledigten. Todd Rundgren ist für dieses Modell eine Art Blaupause."

Rundgren als Vorläufer des Laptop-Produzenten

Rundgren ist der Prototyp der Ein-Mann-Band. Sein musikalisches Ego ist zu groß für eine Gruppe. Er ist ein Eigenbrötler, ein Kontrollfreak und ein musikalischer Allrounder. Diese Eigenschaften prädestinieren Todd Rundgren schon Anfang der Siebziger Jahre zum Vorläufer des Laptop-Produzenten aus der digitalen Gegenwart. Der Laptop der Ein-Mann-Band Todd Rundgren ist das Tonstudio, immer auf dem neuesten Stand der Technik. Da ist er zu Hause, da konstruiert er seine Musik. Und nicht nur das. 0.40/3.10
Rundgren: "Musik muss manchmal dekonstruiert werden, genauso, wie sie konstruiert wird. Dieser Prozess ist für mich der Anfang und das Ende von jeder Musik."
"I was born to synthesize", singt Todd Rundgren im synthetischen Chor mit sich selbst, ein klassischer Fall von Konstruktion & Dekonstruktion. Und ein Beleg dafür, dass Rundgren ein Meta-Musiker ist: wie kaum ein anderer macht er Musik über Musik. Mit Grenzen kann er sich schwer abfinden. Schon gar nicht mit Genregrenzen. Mal gibt er den Soul-Crooner...
Dann den Rock-Macho:
"Sie mag ja eine Schlampe sein, aber mir gefällt sie.
Und wenn ihm nach Prog-Rock-Gegniedel ist, dann wird gegniedelt.
Und wenn ihm der Sinn nach Orchester steht…"
Rundgren: "Ich wollte von Anfang an mit einem Orchester arbeiten, das hat mit der Musik zu tun, die mein Vater zu Hause gehört hat. Er mochte die damalige Pop-Musik nicht und hörte zeitgenössische Klassik und Orchestermusik, das hat mich geprägt. Auf meinen ersten Soloalben habe ich einen Song mit Streichern und einem großen Arrangement."

Ein musikalisches Chamäleon

Todd Rundgren ist eigentlich das, was David Bowie immer fälschlicherweise unterstellt wird: ein musikalisches Chamäleon. Wo Bowie immer neue Identitäten erfindet, da übt sich Rundgren im musikalischer Mimikry, und das tut er virtuos. Seine Glanzzeit sind die Siebziger Jahre, da feiert er auch große Erfolge als Produzent, etwa für Patti Smith oder Meat Loaf.
1977 produziert Todd Rundgren das Meat Loaf-Album "Bat out of hell". Es verkauft sich sagenhafte 43 Millionen mal. Rundgren ist nicht beeindruckt. Sein angeblicher Kommentar: "Die Leute mögen eben schlichte Musik."
Ziemlich schlicht ist auch "The Complete Bearsville Album Collection" ausgefallen, eine Box mit den ersten elf Solo-Alben von Todd Rundgren. Elf CDs in Papp-Schachteln, keine Bonus-Tracks, keine Linernotes. In puncto Aufmachung, Ausstattung und Verpackung wird die Box der Musik des Todd Rundgrens so gar nicht gerecht. Die ist alles andere als schlicht. Musikmachen, das ist für Rundgren...ach, das soll er lieber selbst erklären…
Rundgren: "Es ist fast wie eine Zugfahrt, man fährt durch kleine Dörfer und durch große Städte, durch grüne Wiesen, über eine Brücke oder durch einen Bergtunnel. Es ist wie eine Reise."