Tod von König Gustav III.

Feiner Geschmack und verdorbene Sitten

Eine Statue von König Gustav III. in der schwedischen Hauptstadt Stockholm.
Eine Statue von König Gustav III. in der schwedischen Hauptstadt Stockholm. © imago / EQ Images
Von Almut Finck · 29.03.2017
Gustav III. liebte die prächtige Inszenierung. Er verlieh dem schwedischen Königshaus in den 1770er-Jahren wieder mehr Glanz, verlor dann aber den Kontakt zu seinem Volk und wurde zum Tyrannen. Heute vor 225 Jahren starb er an den Folgen eines Attentats.
Eine goldene Maske verbirgt sein Gesicht, ein langer Umhang verhüllt die Gestalt. Vorne jedoch, auf der Brust, da blitzt verräterisch ein blau-goldener Orden. Der des Königs.
"Majestät dürfen nicht auf die heutige Maskerade gehen", hat man Gustav gewarnt. Doch der warf das anonyme Schreiben achtlos beiseite. Kurz vor Mitternacht betritt er die Oper.
In einer Ecke stehen eng beieinander 16 identisch gekleidete Männer ganz in Schwarz. Plötzlich entsteht Aufruhr. Die Schwarzen bedrängen den König. Dann fällt ein Schuss.
Der Getroffene sinkt zu Boden. 13 Tage später, am 29. März 1792, stirbt Schwedens Monarch Gustav III. Und so endete das Gustavianische Zeitalter, wo es begann: in der Welt des Theaters.
März 1771. Der schwedische Thronfolger, 25 Jahre alt, sitzt in der Pariser Oper, als ihn die Nachricht vom Tod seines Vaters ereilt. Adolf Fredrik war ein so grundgütiger wie machtloser Herrscher, der sich mit dem Drechseln von Schnupftabakdosen seine Zeit vertrieb. Politik wurde in Schweden seit der Reichsreform von 1719 von den vier Ständen im Reichstag gemacht, primär dem Adel. Gustav, geboren 1746, will das nun ändern. Seine ehrgeizige Mutter, eine Schwester Friedrichs des Großen, hat ihn frankophil erzogen. So bewundert der junge König das Ancien Régime, versteht nicht, dass es längst im Niedergang ist, und träumt von einer aufgeklärt-absolutistischen Monarchie auch in Schweden.

Förderer der Künste, Erschaffer einer Epoche

August 1772. Gustavs Entmachtung der Stände gelingt. Anfangs ist der neue Alleinherrscher beliebt. Er schafft die Folter ab. Er richtet Kranken- und Armenhäuser ein, fördert Handel und Verkehr, lässt in Stockholm Brücken, Kirchen und Paläste errichten, ein Opernhaus. Er gründet nach Pariser Vorbild eine Akademie der Wissenschaften, und er fördert die Künste, das Theater, die Oper.
Nicht nur eine neue Regierungsform habe Gustav III. geschaffen, urteilt der schwedische Schriftsteller Magnus Johann Crusenstolpe, sondern eine ganze Epoche.
"Es war die des Geschmacks, der Verfeinerung, des Vergnügens, der Literatur und der schönen Künste, rufen seine Freunde; es war die der Eitelkeit, der Protzerei, der Oberflächlichkeit, der Laster und Sittenverderbnis, behaupten seine Feinde. Und beide haben Recht."
Mit den Jahren zieht sich Gustav in eine Scheinwelt zurück. Jeden Abend geht er ins Theater. Seine Frau, eine dänische Prinzessin, verbringt ihre Zeit lieber mit Beten. Gustav, der wohl homosexuell war, empfindet bloß Verachtung für sie. Einen Thronfolger zeugen die beiden erst, als ein Hofbediensteter praktischen Beistand leistet. Gustav bleibt trotz des Kindes einsam, wird zum Despoten, seine Politik repressiv - wider den Zeitgeist. Im aufgeklärten Frankreich, vielerorts in Europa, in den jungen, rebellischen USA, verlangt es die Menschen nach Freiheit und demokratischen Rechten. Hat Gustav Angst, dass seine Untertanen sich anstecken lassen von der revolutionären Begeisterung?

Schwedens goldene Zeiten

Die 1780er Jahre, Gustavs zweite Regierungsdekade. Der König schränkt die Meinungs- und Pressefreiheit ein. Die Menschen beginnen sich zu erinnern, dass sie in der so genannten Freiheitszeit, als noch die Stände regierten, eines der liberalsten Pressegesetze der Welt besaßen. Gustav und sein Volk werden sich fremd. Dann verbietet der Monarch das private Brandweinbrennen. Jetzt wird er gehasst. Es kommt zur Verschwörung. Der Mann, der am Ende auf dem Maskenball die Pistole zieht: ein junger Adliger namens Johann Ankarström.
Merkwürdigerweise beginnen die Schweden Gustav III. schon bald nach seinem Tod zu idealisieren. Und noch heute halten viele seine 20 Regierungsjahre für Schwedens goldene Zeit. Giuseppe Verdi hat Gustavs Schicksal sogar zu einer Oper angeregt. Ironie der Geschichte: In Italien hatte es kurz vor der Uraufführung 1858 auch ein Attentat auf einen Herrscher gegeben, auf Napoleon III. Erfolglos zwar, aber trotzdem wollte die Zensur die Oper verbieten. Also verlegte Verdi die Handlung in die USA. Aus Gustav III. wurde Graf Richard, Gouverneur von Boston – und Verdis Maskenball weltberühmt.