Tod eines Einzelgängers

Moderation: Gerald Felber · 23.11.2008
Als Engländer in den USA, als bekennender Homosexueller unter Heteros, als sensibel differenzierender Künstler in einer Zeit radikal vereinfachender Freund-Feind-Bilder: der damals reichlich 30-jährige Komponist Benjamin Britten hatte genügend persönliche Motivationen und Anknüpfungspunkte für seine Oper "Peter Grimes", die in der Schlussphase des Zweiten Weltkrieges entstand und mit ihrer Londoner Uraufführung im Juni 1945 den Durchbruch des Künstlers zu nationalem und internationalem Ruhm, zum künftigen "Orpheus britannicus", einleitete.
Das im Kleinbürger-Milieu eines englischen Küstenstädtchens spielende Stück wurde nicht zuletzt deswegen zu einem prägenden Bühnenwerk des 20. Jahrhunderts, weil es in sehr konzentrierter und menschlich anrührender Form Grundfragen nach Anpassung und Verweigerung, Konformismus, Opportunismus und dem Aufbegehren dagegen stellt, denen jeder irgendwann im Leben begegnet. Das Schicksal des Einzelgängers Grimes, den der Rufmord in der öffentlichen Meinung seiner Mitbewohner schließlich auch in den realen Tod treibt, wird zum Gleichnis der komplizierten Verhältnisse zwischen dem Individuum und seinem Umfeld. Britten betreibt dabei keine Schwarzweißmalerei, obwohl die Sympathien des Komponisten deutlich bei seinem Titelhelden liegen. Jürgen Otten vergleicht in seiner Sendung vier Aufnahmen, die zwischen 1958 und 2004 entstanden – drei davon mit dem Orchester der Londoner Covent-Garden-Oper, deren Musiker wie keine anderen mit dem Werk vertraut sind: differenzierte Bilder der Stürme, die in der Natur, aber auch im Zusammenleben der Menschen entstehen können.