Tischtennis als Auslöser für Annäherung

Von Thomas Jaedicke · 14.04.2011
Am 14. April 1971 empfängt Chinas Ministerpräsident Zhou Enlai die amerikanische Tischtennisnationalmannschaft in Peking. Nach 20-jähriger Unterbrechung ist es mitten im Vietnamkrieg der erste offizielle Besuch von Amerikanern in der Volksrepublik China und der Beginn der Ping-Pong-Diplomatie.
"Sieht man in der Bundesrepublik die USA-China-Schmelze als Ping-Pong-Diplomatie oder als eine wirklich ernste, internationale Entwicklung an?"

Helmut Schmidt: "Ich würde sagen, dass man das in Ruhe und Sorgfalt abwarten soll. Von ein paar Tischtennisspielen ändert sich die Welt noch nicht."

So verblüfft wie Helmut Schmidt, damals Verteidigungsminister der Bundesrepublik, reagierte die ganze Welt, als Chinas Ministerpräsident Zhou Enlai die 15-köpfige Tischtennis-Nationalmannschaft des politischen Erzfeindes USA am 14. April 1971 in Peking empfing. Das Foto, auf dem Zhou in der Mitte zwischen den Sportlern steht, ging um die Welt. Ein Propagandacoup, eingefädelt vom mächtigen Staatspräsidenten Mao Zedong.

"Betrachte den Ping-Pong-Ball als den Kopf Deines kapitalistischen Feindes. Triff ihn mit Deinem sozialistischen Schlag und Du hast den Punkt für Dein Vaterland gewonnen."

Im riesigen Reich der Mitte ist Tischtennis Volkssport Nummer 1. Jeder spielt es, von Mao bis zum einfachen Landarbeiter. Die Regeln sind simpel: Man braucht nur einen Tisch, einen Schläger und einen kleinen Ball.

In den USA war Tischtennis in den 1950er-Jahren dagegen nur bei New Yorker Intellektuellen in Mode. Henry Miller nannte es ein Spiel "von endloser Faszination". Trotzdem blieb es Randsportart und wurde auch zu Beginn der 70er-Jahre meist nur von Künstlern und gelangweilten Vorstadtkids praktiziert.

So war es kein Wunder, dass die Amerikaner im April 1971 bei den Weltmeisterschaften in Japan leer ausgingen. Die Chinesen waren mit vier Titeln erfolgreichste Nation. Angeführt wurde ihr Team vom dreifachen Weltmeister Zhuang Zedong, in China ein Volksheld.

Bester Spieler der Amerikaner war Glenn Cowan, ein langhaariger Hippie.

"Cowan wuchs in New York und Kalifornien auf und sagte öffentlich, dass er gerne Drogen nahm",

schrieb der amerikanische Journalist Jeffrey Heys. Doch ohne den chancenlosen Außenseiter Cowan hätte es wahrscheinlich keine politische Annäherung zwischen China und den USA gegeben: Cowan hatte ganz einfach den Bus verpasst, der die Spieler beim Turnier in Japan in die Halle bringen sollte.
"Er hielt einen anderen Shuttle Bus mit dem Turnierlogo an, stieg ein und bemerkte, dass er vom chinesischen Team besetzt war. Weil kein Platz frei war, musste Cowan stehen. Alle starrten ihn an. Auf Englisch sagte er in das Schweigen hinein: 'Ich weiß, mein Hut und meine Frisur und meine Klamotten kommen Euch komisch vor. Aber bei uns in den USA laufen viele Leute so rum.'"

Chinas Starspieler, Zhuang Zedong, sitzt auch im Bus. Er ist gerührt. Als der Bus ankommt, schenkt der Chinese dem Amerikaner einen handgewebten, prächtigen Wandteppich. Beide lächeln. Fotos werden geschossen; die Zeitungen haben ihre Titelstory.

Mao erkennt den politischen Wert dieser spontanen Verbrüderung sofort. Umgehend lässt er die Sportler des Klassenfeindes nach Peking einladen. Das Eis ist gebrochen. Kurz nach der Ping-Pong-Visite nimmt Henry Kissinger, Vietnam-Berater von US-Präsident Richard Nixon, Geheimverhandlungen mit den Chinesen auf. Genau wie das wirtschaftlich und politisch damals völlig isolierte Peking sucht auch Washington Verbündete gegen die zur neuen Supermacht aufstrebende Sowjetunion.
Zhou Enlai: "Aus Gründen, die wir alle kennen, war der Kontakt zwischen den beiden Völkern für über 20 Jahre unterbrochen. Jetzt wurde durch gemeinsame Bemühungen Chinas und der Vereinigten Staaten das Tor für einen freundlichen Kontakt endlich geöffnet."

Ein knappes Jahr später, im Februar 1972, empfing der chinesische Ministerpräsident Zhou Enlai in Peking US-Präsident Nixon. Beide Politiker unterzeichneten das Kommuniqué von Shanghai. Die USA erkannten außerdem Pekings Ansprüche auf Taiwan an. Damit war die Grundlage für die Rückkehr Chinas in die UNO geschaffen.

Richard Nixon: "An das, was wir hier sagen, wird man sich nicht lange erinnern. Aber unser Handeln kann die Welt verändern."
Präsident Nixon war überzeugt, dass die neuen Kontakte zu den Chinesen die Welt verändern würden. Glenn Cowan, der Mann, der durch einen absurden Zufall die Ping-Pong-Diplomatie zwischen den verfeindeten Großmächten USA und China in Gang gesetzt hatte, arbeitete noch eine Zeit lang als Lehrer und Schuhverkäufer. Dann wurde er obdachlos.

2004 starb Cowan, unbeachtet von der Welt, an einem Herzinfarkt.