Time-Magazin: "Person of the year 2015"

Angelsächsische Lobeshymnen auf Merkel

Bild von Angela Merkel im Stil klassisch gemalter Portraits politischer Führer
Der Titel des "Time"-Magazins mit Angela Merkel als "Person des Jahres 2015". © dpa-Bildfunk/ Time Magazine via AP
Von Stephan Detjen · 09.12.2015
Kanzlerin der freien Welt: So charakterisiert das amerikanische "Time"-Magazin Angela Merkel auf seiner Titelseite - und kürt sie zur "Person des Jahres 2015". Doch diese Würdigung ist nur eine von mehreren Elogen auf die deutsche Bundeskanzlerin in angelsächsischen Medien.
Facebook Gründer Mark Zuckerberg, Papst Franziskus, Barack Obama, die Ärzte und Pfleger im Kampf gegen Ebola waren die Personen, die nach Ansicht der Time Redaktion in den vergangenen Jahren die Welt besonders maßgeblich bewegt und verändert haben. In diesem Jahr ist es die deutsche Bundeskanzlerin. Das Cover des amerikanischen Magazins zeigt Merkel im Stil klassischer Portraits politischer Führer: mit geradem, in die Zukunft gerichteten Blick, die Reife des Alters markant herausgearbeitet. "Chancellor of the free world" - Kanzlerin der freien Welt - ist die epische Titelgeschichte überschrieben.
Ihre Biografie habe die "Qualität eines Drehbuchs", schreiben die Time-Autoren. Die Flüchtlingskrise wird als "Wendepunkt in ihrer Karriere" geschildert, "die bis dahin von Vorsicht und der Scheu vor jeder Form von Dramatik geprägt" gewesen sei.
Merkels nächtliche Entscheidung vom September, die Grenze für den aus Ungarn gen Westen marschierenden Flüchtlingstreck zu öffnen, drückt aus Sicht des amerikanischen Magazin jenen Wagemut aus, der große politische Führungsfiguren auszeichnet. Und er steht für eine ethische Orientierung deutscher Politik, die die amerikanischen Journalisten verblüfft:
"Die großzügigste und offenherzigste Geste der jüngeren Geschichte ausgerechnet in Deutschland, jenem Land, das seit Menschengedenken erst Europa und dann die Welt mit seinen extremen Kräften aus den Angeln gehoben hat."
Innenpolitische Anfechtungen sorgen für Respekt im Ausland
Die ungewöhnliche Würdigung der Time Redaktion ist nur eine von mehreren Elogen, die in jüngerer Zeit in angelsächsische Medien über Merkel erschienen. Vor einem Jahr veröffentlichte der New Yorker eine epische Titelgeschichte über den "erstaunlichen Aufstieg" Merkels zur "mächtigsten Frau der Welt". Im November, als die Bundeskanzlerin im eigenen Land bereits wie nie zuvor unter Beschuss stand, bezeichnete der britische Economist Merkel in einer hymnischen Würdigung als "the indispensable" – die Unverzichtbare. Andreas Kluth, Berliner Bürochef des Economist begründet:
"Wir fanden das nicht emotional, sondern einfach richtig. Für uns ist da ein Kontrast zwischen eben Frau Merkels Werten und zum Beispiel Viktor Orban im Osten und allgemein anderen östlichen Ländern, aber auch im Westen und zum Teil auch David Cameron in unserem Großbritannien. Er ist übrigens ein gutes Beispiel, warum wir Frau Merkel für unverzichtbar halten."
Nicht obwohl, sondern gerade weil sie im eigenen Land angefochten wird, wächst der Respekt, den Merkel im Ausland genießt. Wenige Tage vor einem CDU-Parteitag, auf dem Merkel ihre Flüchtlingspolitik gegen Kritik aus den eigenen Reihen verteidigen muss, wird sie von internationalen Medien wie nie zuvor auf den Sockel weltpolitischer Größe gehoben. Wer nächste Woche in Karlsruhe daran kratzen will, wird sich gegen den Vorwurf des Kleinmuts verteidigen müssen.
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