Till Brönner

Fotos eines Insiders

Till Brönner
Till Brönner © picture alliance / dpa / Soeren Stache
Von Kerstin Poppendieck · 22.09.2014
Till Brönner ist Deutschlands bekanntester und wohl auch kommerziell erfolgreichster Jazzmusiker. Doch nun gibt es ein weiteres Brönner-Talent zu entdecken in seinem Fotoband "Faces Of Talent".
Till Brönner wie man ihn kennt: Mit seiner Trompete gibt er sich dem Jazz hin.
Aber er ist ebenso als Sänger und Moderator bekannt. Jetzt also auch Till Brönner der Fotograf. Wann immer er beruflich unterwegs ist, liegt seine Kamera griffbereit im Gepäck. Und er ist viel unterwegs: Konzerte, Festivals, Fernsehshows. Seit mehr als 20 Jahren macht Till Brönner professionell Musik. Seine Begeisterung für die Fotografie hat er erst vor fünf Jahren entdeckt. Was anfänglich eher ein Spielerei war, entwickelte sich schnell zur ehrgeizigen Leidenschaft, inspiriert von der Jazzfotografie der 50er- und 60er-Jahre.
"Als Jazzmusiker bin ich natürlich früh mit Fotografie und Jazz-Fotografie in Verbindung gekommen, denn das sind teilweise die einzigen Relikte und Beweismittel aus dieser Zeit. Teilweise waren die unprätentiös und uninszeniert, teilweise waren sie aber, wie im Fall von Chet Baker beispielsweise von den besten Fotografen vorgenommen worden. Und das ich von Leica aus reinen Spaßgründen eine Kamera zu Verfügung gestellt bekam, hab ich angefangen, damit herumzuspielen."
"Und plötzlich hatte ich das Gefühl, dass ich auf Reisen etwas machen kann und eine Tätigkeit ausüben kann, die mich in ihren Bann zieht, aber trotzdem die Reiserei und das Dokumentieren in dem Falle einfach zum Thema machen kann. So hab ich angefangen, Musiker und Kollegen auf Tourneen ins Visier zu nehmen und hab um Porträts gebeten."
Anders als bei seiner Trompete, die er an der Musikhochschule Köln studiert hat, ist er in Sachen Fotografie ein Autodidakt. Klar, hat er immer mal wieder Profifotografen nach Tipps gefragt, aber die meisten Sachen hat er sich selbst erarbeitet, angelesen und ausprobiert. So wichtig wie es ist, im richtigen Moment das entsprechende Ventil der Trompete zu drücken, so wichtig ist es, im richtigen Moment auf den Auslöser der Kamera zu drücken. Ein erstes Ergebnis seiner Fotografie hat Till Brönner jetzt in einem beeindruckenden Bildband veröffentlicht.
Von Bob Geldof bis hin Katharina Witt und Dirk Nowitzki
Beeindruckend schon allein auf Grund des äußeren Erscheinungsbildes: 45 mal 54 cm groß, gut 2,5 kg schwer. Dieses Buch geht in keinem Bücherregal unter. Zu sehen sind Porträtaufnahmen von rund 100 Künstlern. Dabei beschränkt sich Till Brönner nicht nur auf Jazzmusiker, auch Musiker wie Seal und Bob Geldof hat er fotografiert, Schauspieler wie Karoline Herfurth und Tom Schilling oder Sportler wie Katharina Witt und Dirk Nowitzki.
"Ich komm nun mal als Musiker oft genug in Konzertsäle und stoße auf Jazzfestivals auf andere Gruppen, die entweder vor uns oder nach uns spielen. Und so ist das Treffen von Musikern backstage einfach 'ne Sache, die automatisch passiert. Und wenn da noch einige dazukommen, die man bei anderer Gelegenheit trifft und der eine kennt den, der andere kennt den und man ist hier in ner Talkshow eingeladen und trifft dort denjenigen, den man schon immer klasse findet, dann darf eins nicht fehlen, und das ist der Mut, einfach in dem Augenblick den Menschen und die Höflichkeit, die man sonst an den Tag legt, zu vergessen, und sich buchstäblich auf die Jagd zu begeben und dann einfach mal frech zu fragen, ob man mal ein Bild machen darf."
"Und ich bilde mir ein, weil die mich eher als Musiker wahrnehmen zuerst, dass die mich anders angucken, als wenn ein Fotograf vor ihnen sitzt und sagt 'Guten Tag, ich hätte gern ein Bild von ihnen. Wir haben das morgen für die Abendausgabe geplant' oder sowas. Das kann unter Umständen Unsicherheit und Argwohn auf der anderen Seite zur Folge haben. Und deswegen bilde ich mir ein, dass die Ergebnisse am Ende eben auch anders aussehen als von einem Profifotografen."
Nein, Till Brönner vergleicht sich nicht mit den großen amerikanischen Jazzfotografen der 30er- und 40er-Jahre, der goldenen Zeit des Jazz, als diese Musik den Klang Amerikas prägte. Er sagt selbst, dass Fotografen damals eine andere Aufgabe hatten als er heute. Er will nicht ein Lebensgefühl vermitteln oder die Atmosphäre eines Konzertes einfangen.

Ihm geht es darum, das Besondere, das Einzigartige im Gesicht eines Menschen zu zeigen. Dadurch wirken die Fotos zwar nichts so lebendig wie sonst oftmals Jazzfotos, dafür haben die Bilder eine beeindruckende Tiefe. Man sieht in die Gesichter und entdeckt Details, Narben, Falten, Sommersprossen und Zahnlücken, die man so bisher selten gesehen hat, obwohl alle Porträtierten bekannte Stars sind.
Dass er sich dabei für Schwarz-Weiß-Porträts entschieden hat, hat mehrere Gründe. Zum einen findet er Schwarz-Weiß-Bilder ästhetischer und ausdrucksstarker, zum anderen ist es für ihn auch einfach eine Frage des Könnens.
"Die wenigsten Farbfotos sehen für mich so natürlich aus wie die Energie, die ich aus einem Schwarz-Weiß-Foto herausarbeiten kann, aus dem ich alleine schon durch die Farbe die Zeit entfernen und rausdrehen kann, dem menschlichen Auge auch Hilfestellung zu geben, auf was es sich beim Betrachten eines Bildes instinktiv zu konzentrieren hat. Mein Respekt vor Bunt- und Farbfotografie ist einfach so groß, dass ich noch intensiv daran arbeite, mit einem Farbgerüst anzutreten, das ich der Welt in Anführungszeichen präsentieren möchte, weil mein Anspruch hoch genug ist, mich nicht mit Leuten zu messen, die sofort checken, dass der das hobbymäßig macht."
Extreme Nahaufnahmen
Neben den zum Teil doppelseitigen Porträts ist die Übersicht der Bilder am Buchende interessant. Denn hier erzählt Till Brönner kurz etwas zu jedem einzelnen Bild. Wann es aufgenommen wurde und was er mit dem Porträtierten verbindet. Zum Organisten Joey Defrancesco schreibt er zum Beispiel: "Ich kenne nur drei Typen auf der Welt, die wirklich wissen, wie man Hammondorgel spielt. Joey DeFrancesco alleine stellt davon schon zwei". Und unter dem Foto von Bob Geldof steht: "Es ist schwer, Bob Geldof nicht zu bewundern, allein wenn man ihn sprechen hört. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, ist in der Lage, dich mit seinem feinen irischen Akzent komplett zu widerlegen, wenn er das möchte".
Und dazu schaut einen Bob Geldof mit erstem Blick und durchdringenden Augen an. Und da sind wir wieder beim Geheimnis des Stils von Till Brönner. Extrem nahe Porträtaufnahmen, bei denen man teilweise nicht mal die Haare sieht, sondern ausschließlich das Gesicht. Als Betrachter ist man gezwungen, den Leuten auf den Fotos in die Augen zu sehen. Till Brönner hat mit "Faces of Talent" einen sehr intimen Bildband veröffentlicht, der zum einen eine neue Seite von Brönner selbst zeigt und gleichzeitig einen neuen Blick auf bekannte Gesichter.
"Es gibt durchaus Menschen und auch vor allem Frauen, die sich auf dieser Art von Porträts bei mir viel zu alt finden. Das ist ganz klar. Es gibt aber auch genügend Menschen, die sagen: Donnerwetter, so ein Bild hab ich von mir noch gar nicht gesehen. Beziehungsweise: interessant, hab ich zwar nicht erwartet, aber ich muss sagen, das bin ich. Menschen haben von sich oft eine verzerrte oder zumindest sehr spezielle Sicht. Und das Bild, was man von sich selber hat, muss nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen, und es gibt halt einfach unterschiedliche Blickwinkel."
Mehr zum Thema