Tierhaltung

Zweifel an freiwilliger Verbindlichkeit

Kühe im Versuchsstall der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen in Kleve
Kuh im engen Stall: Kritiker fordern seit langem eine artgerechte Haltung © dpa / picture alliance / Caroline Seidel
Christian Meyer im Gespräch mit Nana Brink · 06.10.2014
Für den niedersächsischen Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) gehen die Pläne von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) für mehr Tierwohl nicht weit genug. Es fehle an konkreten Maßnahmen und Zeitplänen.
Nana Brink: "Eine Frage der Haltung", so ist die neue Kampagne überschrieben, mit der Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt den Tierschutz in Deutschland stärken will. Also, man muss den Satz lesen, dann erschließt sich einem der doppelte Sinn, das hat auch der Minister bemerkt und anlässlich des Starts seiner neuen Initiative heute hinzugefügt, also eine Frage der Haltung, nicht nur in den Ställen, sondern auch in den Köpfen.
Am Ende der Legislaturperiode soll es den Tieren besser gehen, und so will der Minister solche Praktiken gebannt wissen – vielleicht schieben Sie jetzt mal kurz das Frühstücksbrötchen beiseite –, dass man den Schweinen in den Mastställen die Schwänze kupiert, damit sie sie nicht abbeißen, oder den Legehennen die Schnäbel kürzt, oder die Tötung von 45 Millionen männlichen Küken, die bei der Produktion von Legehennen aussortiert werden. Christian Meyer ist grüner Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Niedersachsen. Guten Morgen!
Christian Meyer: Guten Morgen!
Brink: Der CSU-Bundesminister sucht also jetzt nach neuen Wegen für mehr Tierwohl. Er will Tierschützer, Verbraucherschützer, aber auch Verbandsfunktionäre an einen Tisch bringen. Wie kommt das an bei einem grünen Landwirtschaftsminister?
Meyer: Na, er kopiert mit den Überschriften – nehmen wir einen Wahlkampfslogan, "Ernährung ist eine Frage der Haltung" war der niedersächsische grüne Wahlkampfslogan – sondern er kopiert eben auch Ziele, die wir in Niedersachsen schon seit langem haben, also eben, dass Tiere nicht mehr verstümmelt werden, ihnen die Schwänze abgeschnitten werden, die Schnäbel abgeschnitten werden, männliche Küken weggeworfen werden.
Was aber fehlt, sind verbindliche Zeitpläne und Maßnahmen. Also er hat nur die Überschriften kopiert, aber nicht auch konkrete Umsetzungsschritte.
Brink: Nun, damit waren die Konservativen ja immer schon ganz gut, grüne Themen zu besetzen und dann eigentlich zum Erfolg zu führen. Warum ist diese Kampagne nicht der richtige Weg?
Das Tierschutzgesetz muss der Verfassung entsprechen
Meyer: Er will sich ja daran messen lassen, ob es den Tieren dann auch wirklich gut und besser geht, und da wird man hinschauen. Ich glaube halt nicht, dass mit dem, was er verbindliche Freiwilligkeit oder freiwillige Verbindlichkeit nennt, dass man damit vorankommt, mit Selbsterklärungen, sondern wir müssen endlich das Tierschutzgesetz auch wirklich so ändern, wie es der Verfassung entspricht, dass die Tiere mehr Platz bekommen, dass sie unversehrt gehalten werden.
Ich glaube, die Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher, noch mehr der Wählerinnen und Wähler wollen eine ganz andere Tierhaltung, und an diese Systemfrage stellt er sich nicht heran.
Brink: Aber immerhin fängt er an und sagt, wir wollen das mal auf der Basis der Freiwilligkeit probieren. Warum sträuben Sie sich so dagegen?
Meyer: Er kann es ja gerne versuchen. Es ist seit fünf, sechs Jahren – auch Frau Aigner, eine seiner Vorgängerinnen, hat schon so einen Diskussionsprozess gemacht. Wir sind aber eigentlich schon weiter. Wir haben in Niedersachsen schon umgesetzt, dass das Schnabelkürzen 2016 beendet wird bei den Legehennen, bei den Enten haben wir es dieses Jahr schon umgesetzt. Wir haben uns da auch schon mit dem Handel geeinigt, dass das bundesweit ist. Also, er holt eine Entwicklung nach, die in den Ländern deutlich schon weiter ist. Und ich fürchte, dass er damit ein bisschen den Tierschutz in den Ländern ausbremsen will.
Brink: Aber muss man nicht erst in den Ländern anfangen, es dann auf Bundesebene holen und die Leute an einen Tisch holen, um wirklich eine Gesetzesinitiative zu verbreiten, die eine Chance hat, dann auch durchzugehen?
Ferkel werden ohne Betäubung kastriert
Meyer: Das Tierschutzgesetz ist eigentlich ein Bundesgesetz. Am einfachsten wäre, wenn er es dort machen würde. Dort hat aber bislang immer die CDU zusammen mit der Agrarlobby blockiert, wenn es zum Beispiel darum geht, dass man Ferkel nicht mehr ohne Betäubung kastriert im ersten Lebensjahr. Das sind alles Sachen, die nach hinten geschoben werden. Es gibt immer noch kein Ausstiegsdatum für die immer noch vorhandene Käfighaltung von Hennen in Deutschland. Aigner hat mal 2035 angeboten, das ist den Ländern viel zu weit. Das ist ja deutlich länger als der Atomausstieg, in dem in Deutschland Hühner in Käfigen gehalten werden sollen.
Brink: Nun gibt es viele Dinge, die Sie angesprochen haben, die Sie fordern. Was ist denn das Wichtigste, wenn Sie jetzt eine Agenda machen?
Meyer: Das Wichtigste wird sein, dass man die Ställe so ändert, dass sie den Tieren angepasst sind, und nicht die Tiere verstümmelt über diese Eingriffe, Schnäbel, Schwänze abschneiden, dass sie an diese engen Haltungssysteme angepasst sind, wo sie so dicht aufeinander stehen, dass es zu diesen Verletzungen, zu Beißverletzungen, zu Pickverletzungen eben auch kommt. Die beste Haltungsform ist natürlich eine ökologische Freilandhaltung.
Brink: Nun ist Ihnen das ja auch kein Neuland, dass der Handel sich in weiten Teilen auch sträubt, auch der Verbraucher nicht unbedingt bereit ist, höhere Kosten dann, also höhere Preise zu zahlen. Wie wollen Sie da Überzeugungsarbeit leisten – oder haben Sie es schon? Was sind Ihre Erfahrungen?
Seit die Eier gekennzeichnet werden, kaufen die Verbraucher kaum noch Käfig-Eier
Meyer: Ich glaube schon, dass der Handel auch mitzieht. Man braucht gesetzliche Regelungen – zum Beispiel haben wir die Kennzeichen ja bei den Eiern, die hat Renate Künast schon eingeführt, dass auf jedem Ei drauf steht, aus welcher Haltung es kommt, Käfig, Boden, Freiland. Seit wir es haben, kaufen 90 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher keine Käfigeier mehr.
Aber die Käfigeier, warum gibt es die noch? Die sind in dem Bereich, wo wir es nicht erkennen, im Kuchen, in der Mayonnaise. Dort werden in der Regel billige Käfigeier, oft aus dem Ausland, dann hineingetan. Deshalb fordern wir, dass auf den Produkten wirklich auch die Wahrheit steht, und die Kennzeichnung auch auf Fleisch und eben verarbeitete Eier ausgeweitet wird, aus welcher Haltungsform die Produkte kommen. Momentan kann es die Verbraucherin nämlich nicht erkennen.
Wir haben uns mit dem Handel jetzt gerade geeinigt, dass dadurch, dass Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern 2016 das Schnabelkürzen verbieten, sie in ganz Deutschland nur noch Eier anbieten wollen von Hühnern, die intakte Schnäbel haben. Egal, ob sie aus den Niederlanden kommen, aus Dänemark oder eben auch Deutschland. Das ist ein riesiger Erfolg, und das zeigt, dass durchaus der Handel bereit ist, gemeinsam mit der Politik für mehr Verbraucherschutz zu sorgen.
Brink: Aber wie bringt man ihn dazu? Muss man ihn dann zwingen?
Den Handel zum Mitmachen zwingen
Meyer: Man muss ihn schon ein Stück weit zwingen, deshalb haben wir ja auch ein Verbot eben erlassen. Dieses Verbot hat dann diese Folgen, dass es keine Eier aus Niedersachsen mehr gäbe, wo Tieren der Schnabel abgeschnitten ist. Und ich glaube, dass die Verbraucherinnen auch bereit sind, mehr zu zahlen, aber sie müssen es eben auch wirklich auch erkennen können. Und momentan wird ihnen oft in der Werbung eine Idylle vorgespielt, das Huhn auf der Wiese, das Schwein, das durch die Gegend läuft und in Wahrheit aber in engsten Ställen sitzt. Und da brauchen wir mehr Klarheit auf den Verpackungen, nur dann gibt es eine echte Wahlfreiheit.
Brink: Nun mal an sie appelliert, der Tierschutz ist ja ein zutiefst grünes Anliegen. Wo ist da Ihre Unterstützung? Der Minister hat ja nicht ausgeschlossen, dass es auch zu einer Gesetzesinitiative kommen kann, wenn die Freiwilligkeit zu wünschen übrig lässt. Also, wenn das der Fall ist, er eine Gesetzesinitiative zu diesen von Ihnen genannten Themen führt – unterstützen Sie ihn?
Meyer: Klar, wenn er die Zahlen aus Niedersachsen übernimmt, dass endlich das Schnabelkürzen auch aufhört, das würden wir natürlich unterstützen. Wir haben auf der letzten Agrarministerkonferenz einstimmig eine Arbeitsgruppe eingerichtet der Länder, wo wir uns um Verbesserung der Tierhaltung kümmern wollen, bis hin zu Tiertransporten.
Brink: Also eine parteiübergreifende Zusammenarbeit?
Eine Einigung zwischen Bund und Ländern ist möglich
Meyer: Ich kann mir das vorstellen. Da erwarte ich jetzt aber, dass Herr Schmidt auf die Länder zugeht, denn nicht nur in Niedersachsen, auch in anderen Ländern wie Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gibt es solche Tierschutzpläne, und die sollte man jetzt übernehmen und gemeinsam umsetzen, damit die Jahreszahlen auch nicht auseinanderklaffen, wäre eine gemeinsame Einigung sehr sinnvoll. Und wir als Länder sind auf jeden Fall dazu bereit, da mitzuarbeiten, dazu müsste er uns aber einladen.
Brink: Der grüne Landwirtschaftsminister Christian Meyer aus Niedersachsen. Schönen Dank für Ihre Zeit und Ihre Einschätzungen. Und der Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt startet heute seine Initiative für mehr Tierwohl.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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