Tiefkühlkost - Tiefkühlfrust

Von Udo Pollmer · 03.10.2010
Unsere Lebensmittel kommen aus aller Welt. In der Tiefkühltruhe tummeln sich neben argentinischen Steaks auch tiefgefrorene Karnickel aus China. Ist das wirklich nötig – und vor allem sicher?
Muss das wirklich sein: Tiefgefrorene Karnickel aus China in den Kühltruhen der Discounter? Wie hygienisch mag es da wohl zugegangen sein? Kann man dieser Ware trauen? Diese Fragen stellen sich nicht etwa erst heute; die EU bezieht seit jeher aus Schlachtereien in der Dritten Welt Fleisch, vorzugsweise aus Lateinamerika und Afrika. Wenn Betriebe in Uruguay, der Inneren Mongolei oder Botswana Fleisch liefern wollen, müssen sie die Anforderungen der EU erfüllen und ihre Anlagen von Experten aus Brüssel überprüfen lassen. Solche Kontrollen würde ich mir auch in Europa wünschen.

Doch zurück nach China. Seit kurzem liegt das Ergebnis der jüngsten Karnickelkontrolle durch die EU vor. Sie bescheinigt den chinesischen Mästereien und Schlachtbetrieben ein akzeptables Niveau, gut ausgebildete Fleischbeschauer und eine engagierte Arbeitsweise. Natürlich wurde in einem Betrieb abblätternde Farbe entdeckt und auch der Sinn einer Betäubung der Tiere vor der Schlachtung scheint dort nicht immer begriffen zu werden. Anlässlich dieser Kontrolle wurden dabei auch die Darmfabriken überprüft, fachsprachlich Darmschleimereien genannt. Denn der Deutsche liebt sein Würstchen im Naturdarm. Und viele Naturdärme für unsere Wurstfabriken werden in China gewonnen.

Ist es wirklich sinnvoll Gedärm oder Karnickel um den halben Erdball zu transportieren? Nun, das ist Ansichtssache: Wenn ein Hersteller guten Brokkoli will, der kauft ihn nicht bei uns sondern in Ecuador. Die besten Qualitäten auf dieser Erde wachsen dort im Hochland. Wer nicht das Beste sondern eher Billiges sucht, der kauft in China. Wie willkürlich unsere Maßstäbe sind, zeigt der Fisch: Bei Tiefkühlware fragt niemand danach, in welchem Weltmeer der Fisch ins Netz ging. Hier kommt das allermeiste, nämlich 60 Prozent, aus Nicht-EU-Ländern – also irgendwo in weiter Ferne aus dem Wasser.

Viel interessanter sind die Qualitätsunterschiede beim Gefrierfisch. Denn da kann die Fischfabrik zwischen Seefrost und Landfrost wählen. Seefrost bedeutet, die Ware wurde direkt auf dem Fangschiff verarbeitet und tiefgefroren. Landfrost jedoch wurde erst am Ende der wochenlangen Reise im Hafen gefrostet. Diese Ware ist dann alles andere als frisch, aber billig. Der Kunde, der sich eine spanische Fischpfanne aus dem Kühlregal angelt, erfährt aber nichts davon. Wäre aber wichtig.

Der TK-Fisch wird in Form von dicken Eisplatten in den Fabriken angeliefert, dort aufgesägt, auf Portionsgröße gebracht, zubereitet und erneut tief gefroren. Doch das Hin und Her beim Auftauen und Einfrieren schadet natürlich der Qualität. Der Saft tritt aus und der Geschmack leidet. Natürlich lässt die Fischwirtschaft nichts unversucht, die Saftverluste in Grenzen zu halten.

Hier helfen ganz besonders diverse Polyphosphate. Sie lockern den Fischmuskel, damit er mehr Wasser aufnehmen kann. Diese Praxis ist laut Lebensmittelrecht auch zulässig – außer bei Fischstäbchen und Frischfisch. Eine Deklaration des Zusatzstoffes wird dabei jedoch meist "vergessen". Die Verarbeiter wissen halt, dass die Polyphosphate von fischeigenen Enzymen zersetzt werden; und das bedeutet, dass man sie nicht mehr nachweisen kann. Damit lässt sich natürlich auch der Wassergehalt bei Bedarf künstlich erhöhen.

Da sich die deutsche Politik seit jeher schwer tut, die Lebensmittelüberwachung bei ihren Aufgaben zu unterstützen, hat sich nun die EU des Themas angenommen. Sie finanziert die Entwicklung eines neuartigen Messverfahrens, das es erlaubt, vor Ort mit einem handlichen Gerät per Knopfdruck einen Wasserzusatz nachzuweisen.

Aber wie ich unsere Verbraucherschutzpolitiker kenne, werden sie den Kauf der Geräte mit Hinweis auf eine angespannte Haushaltslage zu verhindern wissen. Der Verbraucher kann sich dann ja damit trösten, dass Fisch bekanntlich im Wasser schwimmt. Wer ganzheitlich denkt, darf das Extra-Wasser für eine natürliche Beigabe halten. Mahlzeit!

Literatur
European Commission: Final report of a mission carried out in China from 26 October to 05 November 2009 in order to evaluate the operation of controls over the production of casings and fresh meat of farmed rabbits destined for export to the European Union. DF(SANCO) 2009-8292 – MR Final
Lietzow J: Qualitätskontrolle von Fischereiprodukten im Hinblick auf ihren Wassergehalt:natürlich oder künstlich erhöht durch Zusatzstoffe. Journal of Consumer Protection and Food Safety 2010; 5: 347-350
Freie Hansestadt Bremen: Jahresbericht Gesundheitlicher Verbraucherschutz 2009