Theatralische Erregungstexte

Von Bernhard Doppler · 12.04.2012
Neben Theatern in Hamburg, Rostock und Wien zeigt auch das Schauspielhaus Graz die Stücke des 32-jährigen Erfolgsautors Oliver Kluck. In dem biografisch geprägten Werk "Mein Name ist Programm" kündigt ein Ingenieur eine sichere Stelle, um am Literaturinstitut zu studieren. Oliver Kluck geht es um Grundsätzliches: um die Rolle von Kunst, Arbeit und Würde.
"Mein Name ist Programm": So der Stücktitel des dritten Teils aus der Oliver Kluck Uraufführungsserie "Von der Industrie lernen" im Schauspielhaus Graz. "Mein Name ist Programm" ist in zehn Lebensstationen aufgeteilt. u.a.: Schule, Aufwachsen in einer kleinen Stadt, Kündigung einer scheinbar sichereren Stelle als Ingenieur, Aufnahme in das "Treichlinger", ein Institut für Schriftsteller:

Treichlinger: "In erster Linie sind wir Schriftsteller, die Kollegen auch. Nehmen Sie den Kollegen Soundso, mehrere Romane, einige davon wurden sogar verfilmt. Doppelpunkt verfilmt Ausrufezeichen. Da können Sie ruhig ein bisschen stolz auf sich sein, dass Sie es hierher geschafft haben."

Auch wenn vier Schauspieler auf der Bühne agieren, Oliver Klucks Text erscheint wie ein einziger Monolog, ein sehr theatralischer sicherlich, eine "Erregung", um eine Werkbezeichnung von Thomas Bernhard zu verwenden. Christina Rast hat in Graz alle drei Stücke der Kluck-Serie inszeniert:

"Hauptverbindendes Element bei seinen Texten, mit denen ich jetzt zu tun hatte, ist, dass für mich immer das alles ein riesiger Kopf ist, ein Ich, das einen Blick auf die Welt hat, und das sich dann in verschiedene Einheiten aufteilt, mit sich hadert, streitet, debattiert. Diese Figuren existieren über das Reden, und wenn sie aufhören zu reden, dann hören sie auf zu existieren. Diese Welt ist auch nicht immer schön, aber manchmal auch sehr grotesk und manchmal sehr absurd und sehr komisch. Humor ist auch ein verbindendes Element, das ich in allen seinen Texten entdecke."

Am Nationaltheater Weimar wurden in der Spielzeit 2010/11 in einem "Klucklabor" bereits einige Texte des 32-jährigen Schriftstellers ausprobiert. Mehr als eine der üblichen Fördermaßnahmen gegenüber jungen Dramatiker war dies allerdings in Weimar nicht. Die Zusammenarbeit mit dem Theater Graz – unter dem Titel "Von der Industrie lernen" - erweist sich deutlich als produktiver. Der erste Teil "Der Wiederaufbau des Haider-Denkmals" wurde zu den Autorentagen am Deutschen Theater Berlin im Juni eingeladen. Die Dramaturgin Regina Guhl betreut die Serie:

"Wir haben die drei Stücke verabredet, auf bestimmte Zeiten hin verabredet, weil wir Lust hatten in einem längeren Arbeitsdialog zu sein, als man es normalerweise mit einem Schriftsteller ist oder einem Dramatiker, dem man einfach ein Auftragswerk gibt und da Oliver selbst in einem Suchprozess für sein Schreiben war und wir in einem Forschungsprozess mit den Schauspielern, wie geht man mit dieser anderen Art von Texten um, haben wir gesagt, dann machen wir doch eine Trias und nehmen die beiden ersten ganz leicht und packen möglichst wenig Uraufführungsdruck drauf."

"Von der Industrie lernen": Der Ausstoß der Produktionen ist groß. In der ersten Hälfte der Spielzeit gab es neben den drei Grazer Uraufführungen drei weitere Oliver-Kluck-Uraufführungen am Burgtheater, am Deutschen Schauspielhaus Hamburg und im Volkstheater Rostock. Das Stück "Mein Name ist Programm" scheint dabei am klarsten die Kluck-Arbeitsmethode vorzuführen. Die biografischen Anspielungen (mit Institut Treichinger ist natürlich das von Kluck besuchte Leipziger Literaturinstitut gemeint) sind ganz offensichtlich; doch gerade dadurch werden Klucks literarische Abstraktionen um so prägnanter.

Aus dem Stück:
"Sie: Anders als bei anderen: bei dir ist das Problem nicht, dass du zu wenig redest
Bei dir ist das Problem, dass du immerzu ist gleich die ganze Zeit redest
Nie sprach jemand mehr als du
Du bist ein reines Redewunder
Ich verstehe dich (voll und ganz)
Und was ich sonst noch sehe (wenn ich auf dich herabschaue):
Unsicherheit, Zweifel, auch Angst"

Kluck geht es um Grundsätzliches: um die Rolle von Kunst, um die Rolle von Arbeit, um Würde. Und auch wenn der erste Teil der Grazer Serie den rechtspopulistischen Politiker Jörg Haider im Titel hatte, mit Politik haben seine theatralischen Erregungstexte wenig zu tun. Strikt hat er sich etwa dagegen verwahrt, dass das Schauspielhaus Hamburg sein Stück "Leben und Erben" als Beitrag für die Hamburger Gentrifizierungsdebatte instrumentalisieren wollte:

"Eine politische Einmischung, ein 'Ich bin dafür oder ich bin dagegen', das leisten diese Texte nicht. Ich möchte nicht Leute belästigen mit meiner politischen Meinung, ich möchte nicht von denen irgendetwas fordern - überhaupt bin ich nicht in der Position, von dem Publikum etwas fordern zu können, sondern dass wir lediglich etwas anreißen und zwar ein literarisches Thema. Und diese literarischen Themen, also die Angst, die Würde, den Verrat, all diese Themen, die sind riesengroß und sind auch zu meist nicht an einem Abend befriedigend zu betrachten. Also arbeite ich mich nicht an einem Abend am Thema als solches ab und muss wahrscheinlich fünf sechs Stücktexte schreiben, ja um dieses Thema kurz gegriffen zu kriegen. Ein Abholen des Publikums in der Lebensrealität – das ist doch völliger Schwachsinn! Die einzige Chance, die ich habe, ist über literarische Möglichkeiten zu reagieren, über die Allegorie, die Abstraktion und natürlich über die Überhöhung."

Treichlinger: "Eine ganze Generation Schriftsteller wird durch dieses Haus geprägt. Wer weiß: in ein paar Jahren wird die Literaturwissenschaft diese Gruppe vielleicht unter einem Namen zusammenfassen, wird die Epoche einer Schule zugeordnet. Ja warum nicht, auch mal den Mut haben, neue Formen zu wagen, neue Wege zu beschreiten, das zeichnet den Suchenden aus, nicht wahr, so ist es doch, was meinen Sie?"

Service:

Die Uraufführungen Klucks in der Spielzeit 2011/12 waren bisher.
1.) Volkstheater Rostock: "Möglichkeiten der Punkbewegung"
2.) Burgtheater Wien: "Die Froschfotzenlederfabrik"
3.) Deutsches Schauspielhaus Hamburg
4.) Bühnen Graz: "Der Wiederaufbau des Haider-Denkmals"
5.) Bühnen Graz: "Der Untergang des Hauses Wuppertal"
6.) Bühnen Graz am 13.4.: "Mein Name ist Programm", Regie: Christian Rast

"Froschfotzenlederfabrik", "Prinzip Meese" und "Wartetraum Zukunft" werden an mehreren Theater nachgespielt.

Zu den Berliner Autorentagen ist "Der Wiederaufbau des Haider-Denkmals" aus Graz ins Deutsche Theater Berlin eingeladen.

Links bei dradio.de:

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