Theatertreffen

Skandälchen hinterm Vorhang

Das Theatertreffen in Berlin findet bis zum 18. Mai statt
Das Theatertreffen in Berlin findet bis zum 18. Mai statt © picture-alliance / dpa / Jens Kalaene
Von Anke Schaefer  · 13.05.2014
Ein Jury-Mitglied, das abschreibt, und ein Regisseur, der ebenfalls mit Plagiatsvorwürfen leben muss. Beim Theatertreffen im Haus der Berliner Festspiele wird dieses Jahr auf und neben der Bühne Aufregendes geboten. Eine Zwischenbilanz.
Jurymitglied Daniele Muschionico tritt zurück
Das ist natürlich peinlich, - es geht um den Text in dem Heft, das zum Theatertreffen verteilt wird. Wie sich jetzt herausgestellt hat, hat Daniele Muschionico den Text zu Frank Castorfs "Reise ans Ende der Nacht“ aus dem Programmheft des Münchner Residenztheaters entnommen, nicht eins zu eins, aber doch so, dass man es klar erkennt. Nun schreibt das tt in einer Pressemitteilung, dass die Jurorin die Verantwortung übernimmt - und ihr Amt mit sofortiger Wirkung niederlegt.
– Daniele Muschionico hat sich auch selbst geäußert und sagt, sie bedaure, in einem Moment von Gedankenlosigkeit diesen Fauxpas begangen zu haben. Sie betrachte das nicht als ihre Arbeitsgrundlage, sondern als Panne, die sich nicht wiederholen dürfe.
Daniele Muscionico ist aus Zürich, sie gilt als seriös, hat lange bei der NZZ gearbeitet –schrieb dann für die Weltwoche, und ist seit fünf Jahren freie Journalistin. Beim Theatertreffen sagt man, man habe sie in allen Diskussionen als unabhängiges und kompetentes Jurymitglied erlebt. – Also warum jemand so etwas tut? – ich weiß es nicht.
Plagiatsvorwurf gegen belgischen Regisseur Alain Platel
Interessant ist, dass es noch einen zweiten Aufreger auf dem Theatertreffen gibt – gestern gab es nach der Aufführung von "Tauberbach“ aus den Münchner Kammerspielen, von dem belgischen Theaterregisseur Alain Platel eine Gruppe von Menschen, die mit Transparenten vor dem Haus der Berliner Festspiele auftraten – und Bilder von einer Inszenierung zeigten, die dieser Tauberbach-Inszenierung sehr ähnlich ist: Nämlich ein Tanzstück mit dem Titel "Sight“ von dem Tanzkollektiv Grupo Oito – das 2012 im Ballhaus Naunynstraße uraufgeführt wurde. Und das wiederum auf einem Dokumentarfilm beruht. Die Demonstranten – wenn man so sagen kann – bezichtigten Alain Platel des Plagiats dieser Inszenierung – er hat diesen Vorwurf aber dann im Publikumsgespräch weit von sich gewiesen und gesagt, er kenne diese Produktion "Sight“ nicht. Außerdem wurde ihm auch vorgeworfen, er habe "blackfacing“ betrieben… weil sich seine Hauptdarstellerin das Gesicht schwarz färbe, darauf wiederum meinte er, das sei nicht seine Intention gewesen – die Tänzerin sei weiß und bleibe auch weiß, sie habe sich nur Schmutz ins Gesicht geschmiert – das Stück spielt nämlich auf einer Müllhalde.
Neue Stücke mit außergewöhnlicher Theatersprache
In seinem 36. Jahr, geht der Stückemarkt des Berliner Theatertreffens neue Wege. Über Jahre wurden hier die Stücke junger Autoren in szenischen Lesungen vorgestellt – jetzt nimmt diese alt-ehrwürdige Institution außergewöhnliche Theatersprachen“ und "zukunftsweisende Formen der Stückentwicklung“ in den Blick. Thomas Oberender, der Direktor der Berliner Festspiele, sagte in der Eröffnung zum Stückemarkt, Autoren seien weiterhin gefragt - aber:
"Es gibt natürlich auch eine genauso vitale und alte Tradition von Theaterformen, die auf anderen Grundlagen beruht, das ist nicht nur immer die Tradition der Improvisation, Sie wissen, zwischen den antiken Tragödien gab es immer die Satyrspiele, die nie ganz ausgeschriebene Texte waren, es gab immer auch eine andere Form von Literatur, die zu Stücken führte, und dieses weite Feld, das wollen wir aufmerksam betrachten und dem wollen wir uns öffnen."
Und dazu hat das Theatertreffen drei internationale Künstler als Jury gebeten, Künstler zu nominieren, die für dieses weite Feld stehen. Diese Jury bestand aus dem britischen Erfolgsautor Simon Stephens, der britischen Regisseurin Katie Mitchell und der dänischen Performerin Signa Köstler – sie haben drei junge Künstler nominiert, die mit "außergewöhnlichen Theatersprachen“ experimentieren.
Zu erleben war unter anderem eine sehr komische Performance ganz ohne Sprache, dafür mit viel Farbe, die über die Bühne quoll und waberte, von der Belgierin Miet Warlop. Außerdem die Performance von Chris Thorpe, einem Künstler aus Manchester – der drei Erzähler vor eine Wand setzt und nach und nach merkt man, es geht vor allem um einen Terroristen, der seine Morde an Kindern damit rechtfertigt, er müsse Europa vor der Multikulturalität retten, was sehr provokant wirkt. Und dann gab es den "erzählenden Raum“ von Mona el Gammal: Und das besondere hier ist, dass Mona el Gammal ein Haus in Berlin Mitte gesucht und eingerichtet hat, das man mit einem Code betritt, den man im Internet bekommt, wenn man sein Ticket gekauft hat – dann öffnet sich eine Tür, es empfängt einen eine Stimme...
Originalton aus der Installation: "Daten werden an das IFM übertragen – nutzen Sie die Handdesinfektion, bevor sie die Wohnräume betreten."
Und das tut man und dann wird man immer weiter von diesen Stimmen geführt – hinein in ein gruseliges Zukunftsszenario der Überwachung.... Es gibt keinen einzigen Schauspieler, der Raum erzählt seine Geschichte selbst. "Narrative Spaces“, "erzählende Räume“ sind Mona el Gammals Ding, sie hat Szenografie in Karlsruhe studiert – und es ist sehr bemerkenswert, mit welcher Detailbesessenheit sie dieses Haus, das da nun während des Theatertreffens begehbar ist (und dann abgerissen wird) zu einem Theaterraum gemacht hat.
Theater im Spannungsfeld von Installation und Bildender Kunst
Die Künstler, die der Stückemarkt dieses Jahr in den Fokus gestellt hat, arbeiten auf den Grenzen – Mona el Gammal und Miet Warlop auf der Grenze zur Bildenden Kunst. Bei der Performance von Miet Warlop quillt wie gesagt Farbe auf Leinwand, die Performer tragen riesige grell bunte Perücken, die wie Farbwuschel aussehen, - es wurden wirklich lebende, lebendige "Bilder“ kreiert, vor den Augen der Zuschauer. Und genau das macht die Sache spannend.
Es gibt viel zeitgenössische Dramatik auf deutschen Bühnen – die Zahl der Uraufführungen hat sich seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt. Da sind viele Roman-Adaptionen dabei, aber auch tatsächlich neue Stücke.
Aber Fakt ist: Junge Autoren sind in den vergangenen Jahren sehr gefördert worden. Nicht nur auf dem Berliner Stückemarkt, sondern z.B. auch in Heidelberg oder auch bei den Autorentheatertagen des Deutschen Theaters in Berlin. Und manch ein Industrieunternehmen hat es sich auch schon zur Aufgabe gemacht, junge Dramatiker zu fördern – also gibt es da fast ein Überangebot.
Außerdem – das haben viele Beispiele gezeigt – ist es oft so, dass junge – oder auch nicht mehr ganz so junge - Autoren heute in Gefahr sind, in einen Hype, in eine Maschinerie zu geraten - dass also der Theaterbetrieb plötzlich ganz viel von ihnen fordert – mehr als sie leisten können – und dann verschleißen sie oder geraten in künstlerische Krisen – das ist letztes Jahr auf dem Jubiläumsstückemarkt, auf den viele Autoren aus den vergangenen 35 Jahren eingeladen waren, viel so gesagt worden. – Insofern steht es dem Berliner Stückemarkt gut an, da jetzt etwas anders zu machen. Und man hat jetzt erlebt, wie spannend Theaterformen sein können, die eben nicht auf einem klassischen, geschriebenen Autorentext beruhen.
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