Theaterprojekt in Köln

Kültürcafe im Kültürcafe

Die Keupstraße fotografiert am 02.06.2014 in Köln
Kultur auf der Keupstraße: Dort, mitten im multikulturellen Zentrum Kölns, findet die Premiere des Theaterprojekts statt. © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Von Miltiadis Oulios · 27.04.2016
Beim Projekt "Schule des Lebens" vom Schauspiel Köln erarbeiten junge Migranten unter der Regie von Basam Ghazi kleine Stücke. Das erste, "Mein Kültürcafe", hat jetzt in einem echten türkischen Café auf der Kölner Keupstraße Premiere.
Neben Handyläden und Döner-Restaurants liegt das "Sabahci Kahvesi". Ältere Männer spielen dort Karten. Das Theaterpublikum geht in den hinteren Raum durch. Dort empfängt sie laute Musik. An runden Zocker-Tischen in rotem Samt stehen junge Männer und Frauen. Sie reiben sich mit Kolonia, türkischem Parfumwasser, die Hände ein.
Einige der Theatergäste haben sich zur zierlichen Maryam Madiyar gesetzt. Die 26-Jährige mit den wallenden, roten Haaren begrüßt sie auf persisch. Es gibt Tee und Gebäck. Aber Maryam gefällt es hier nicht. Sie wäre lieber in einem richtigen Kultur-Café.
"Was heißt ein richtiges Café? Wo Männer und Frauen zusammen sind?"
"Nein, wie früher, nur Männer."
"Ah, echt?"
"Laut, groß. So. ..ich bin eine Frau."
Maryam zieht ein schwarzes Sakko an, klebt sich einen Schnurrbart auf die Oberlippe.
"Und mein Vater hat mich Nasiii genannt. Wissen Sie, was bedeutet Nasiii? Es bedeutet süüß. Aber ich kann meinen Namen nur in meinem Heimatland benutzen. Wissen Sie warum? Wissen Sie, wie schreibt man meinen Namen auf lateinisch?
Maryam holt einen Zettel raus und schreibt vier Buchstaben auf: N. A. Z. I.
"Ah, ach so." (Lachen)

Spiel mit dem Exoten-Status

Am Tisch daneben erzählt Abou Traore, dass er in Liberia geboren wurde und anfangs William hieß. Als er zur Familie seiner muslimischen Mutter kam, wurde sein Name in Abou geändert. Die Darsteller wissen, sie sind hier in der Rolle der Exoten. Und machen ein Spiel daraus.
"Ich habe einer Besucherin den Bart gegeben, weil das hier ein Kultur-Cafe ist, in dem nur Männer erlaubt sind. Und sie sagte 'Nein, das will ich nicht benutzen. Ich weiß nicht, was es bedeutet.' Ok, kein Problem, meinte ich. Als ich sie dann nach der Bedeutung i h r e s Namens gebeten habe, sagte sie: 'Warum fragst Du mich das?' Das ist Teil des Projekts, ich hab hier das Recht, Dich so was zu fragen."
17 junge Leute zwischen 19 und 29 Jahren machen bei der "Schule des Lebens" des Schauspiel Köln mit. Viele wohnen in der Nachbarschaft und sind in typischen Einwanderervierteln Kölns aufgewachsen. Die Hälfte geht an die benachbarte Abendschule und holt einen Schulabschluss nach.

Der Migrant als AfD-Sympathisant

Seit einigen Monaten arbeiten sie nun unter der Regie des Theatermachers Basam Ghazi an der Frage "Wie wollen wir zusammen leben?". In "Mein Kültür-Cafe" spielt der 22-jährige Erenay Gül dafür einen Sympathisanten der AfD.
"Ich möchte provozieren, weil manche kaufen mir das auch ab an dem Tisch. Und das finde ich dann, ok, wie leichtgläubig die Menschen sind. Das zeigt, wie sehr wir uns gerne verlassen auf andere, die stark sind. Ich stehe dann auch gerne mal auf und mache mich größer. Schüchtere die dann ein. Man spielt mit der Angst der Menschen, darum geht’s mir."
Im Laufe des Abends tanzen sie, singen kurdische Lieder oder zitieren Ernst Jandl. Hier spielen junge Darsteller, die die Einwanderungsgesellschaft der Stadt widerspiegeln. Und die unsere Erwartungen durchkreuzen. Für Thomas Laue, Chef-Dramaturg am Schauspiel Köln ist das ein Fundus:
"Die entwickeln jetzt über zwei Jahre ein Gefühl dafür, was das eigentlich bedeutet, die eigene Geschichte zu erzählen und machen die dann groß. Machen die so groß, dass daraus dann Theater entstehen kann. Dass Kunst daraus entstehen kann an Stellen, wo wir Schätze heben können, die wir jetzt vielleicht noch gar nicht kennen."
Und doch ist am Ende zu oft von den "Jugendlichen", den "Schülern" die Rede, die hier etwas fürs Leben lernen sollen. Dabei sollte man sie als Künstler ernst nehmen. Nur so kann sich das Schauspiel nachhaltiger öffnen. Für neues Publikum und neue Darsteller.

Info:
"Mein Kültür Café" des Schauspiel Köln läuft an zehn Terminen bis Anfang Juni. Ist aber weitgehend ausverkauft. Freie Plätze gibt es noch für die Vorstellungen am 4. Juni und am 5. Juni im Rahmen des Birlikte-Festivals.

Mehr zum Thema