Theaterhistorie

Schon immer ein Unterhaltungsmedium

Theater in Sydney: Der britische Schauspieler Sir Ian McKellen (l) spielt die Rolle des Estragon mit Roger Rees (r.) als Wladimir in Samuel Becketts "Warten auf Godot" (2010).
Samuel Becketts "Warten auf Godot" - hier in Sydney © AFP PHOTO / Torsten BLACKWOOD
Von Edelgard Abenstein · 06.01.2015
Theater sollte Spaß machen, das meinen jedenfalls die Journalistin Katharina Mahrenholtz und die Illustratorin Dawn Parisi. In ihrem Buch "Theater! Dichter und Dramen" kramen sie Anekdoten aus der Bühnenwelt heraus.
An Theater- und Schauspielführern herrscht kein Mangel. Oft genug allzu trocken und komplex formuliert, machen sie nicht unbedingt Lust, das Stück auf dem Theater zu sehen. Anders der Band von Katharina Mahrenholtz und Dawn Parisi. Für die Radiojournalistin und ihre Illustratorin steht fest: Auch wenn es um ernste Dinge geht, Theater darf und soll Spaß machen. Schließlich sei es seit Anbeginn ein Unterhaltungsmedium. Deshalb kommt auch das Buch locker, schnoddrig, frech, daher.
Von Medea bis Yasmina Reza, von Sophokles bis zu "Rimini-Protokoll" - auf knappen 200 Seiten prescht man im Galopp durch den Kanon der Theaterliteratur. Kompakt bekommt man auf einer Seite den Inhalt eines Stückes sowie die Vita seines Autors zu lesen. Daneben gibt es unter der Rubrik 'Smalltalk-Info' Anekdoten, Zitate, Hinweise auf vergleichbare Werke, auf Nachahmer und wie das Stück heute ankommt. Aufgelockert wird das Ganze durch comic-hafte Illustrationen, da windet sich Mephisto direkt aus des Königspudels Kopf und auf Godot wird statt auf einer "absurd-leeren" Bühne vor einer Bergkulisse wie im Bauernschwank gewartet.
Erfrischend flapsiger Ton
Wer sich an dem komplett unwissenschaftlichen, teils klamaukigen, teils erfrischend flapsigen Ton nicht stört, bekommt ein herrliches Potpourri an Details aus der Geschichte des Theaters und seiner Stücke: Wie der junge Marlon Brando 1951 am Broadway Jeans mit T-Shirt zum Inbegriff männlichen Sex-Appeals machte, bevor er die Rolle in "Endstation Sehnsucht" auch im Film spielte. Oder wie Tschechow darunter litt, dass das Publikum bei seinen Stücken geweint statt gelacht hat.
Locker verstreute Doppelseiten stellen wichtige Regisseure vor, so den Russen Stanislawski als Vorläufer des "Method Acting", demzufolge "ein Schauspieler nicht spielen soll, sondern fühlen". Bühnenformen, vom Amphitheater der Antike bis zur Guckkastenbühne werden erläutert, ebenso das Theatervokabular: Was ein Schnürboden ist, warum ein Inspizient autoritär sein muss und dass Claqueure im 18. Jahrhundert einen echten Theaterberuf ausübten, wenn sie an den richtigen Stellen klatschten, weinten, lachten - wie in amerikanischen Sitcoms heute.
Alles über Shakespeare
Eine am unteren Seitenrand durch das ganze Buch laufende 'Timeline' hilft bei der zeitlichen Orientierung. Sie stellt das besprochene Werk - manchmal etwas willkürlich - in den historischen Kontext. So erfährt man, dass Strindbergs Totentanz uraufgeführt wurde, als 1905 der erste Western entstand und in Russland die Revolution losbrach. Oder 1947 Borcherts Nachkriegsdrama "Draußen vor der Tür" gleichzeitig mit dem ersten "Spiegel" erschien.
Dank eines ausführlichen Personen- und Sachregisters lassen sich gezielt einzelne Stücke herausgreifen, mittels Querverweisen findet man alles über Shakespeare etwa, den Verfremdungseffekt oder Christoph Marthaler. So eignet sich das Buch auch als Nachschlagewerk. Aber man kann es ebenso einfach von vorne bis hinten durchschmökern.
Ein Vergnügen ist es allemal - für junge und nicht mehr ganz so junge Leser gleichermaßen. Unterhaltsam, spannend, amüsant: ein besserer Einstieg in die Welt des Theaters lässt sich Neulingen kaum wünschen.

Katharina Mahrenholtz/Dawn Parisi: Theater! Dichter und Dramen
Hoffmann und Campe, Hamburg 2014
192 Seiten, 20 Euro

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