Theaterarbeit mit Geflüchteten

Ein Patentrezept gibt es nicht

Beschreibung:Meron aus Eritrea blickt am 19.08.2015 im Zug von Rom nach Bozen (Italien) aus dem Fenster. Auf der Flucht vor Hunger Krieg und Verfolgung suchen viele Flüchtlinge das Glück in Europa
Kann Theaterarbeit Flüchtlingen helfen, traumatische Erlebnisse zu bewältigen? © picture alliance/ dpa/ Nicolas Armer
Von Verena Kemna · 29.10.2016
Sind inklusive Ansätze, in denen Migranten und Nicht-Migranten zusammen Theater machen, die bessere Wahl? Bei der Bundestagung Theaterpädagogik widmet sich ein Workshop-Programm den Methoden der Theaterarbeit mit Geflüchteten.
Das diesjährige Thema Bundestagung Theaterpädagogik hat so viele Facetten, dass keiner sich auf pauschale Empfehlungen für ein gutes Gelingen einlassen möchte. Zu unterschiedlich sind die Gegebenheiten vor Ort. Im brandenburgischen Eberswalde mit etwa 40.000 Einwohnern ist der Umgang mit " Fremden" nicht selbstverständlich, erklärt Kai Jahns. Hier haben 1990 Rechtsextremisten den Angolaner Amadeo Antonio totgeschlagen. Seitdem ist viel bürgerschaftliches Engagement gewachsen. Eberswalde hat sein Image aufpoliert. Es ist viel passiert und doch fordert Sozialarbeiter Kai Jahns im Umgang mit "Geflüchteten" mehr Solidarität. Einfach nur Theaterarbeit anzubieten reicht natürlich nicht.
"Also sprich nur so ein Theaterstück macht, sich aber nicht darum kümmert, ob derjenige mit dem man gerade zusammen ist, eine Wohnung hat, ob seine Wohnsituation ok ist, wie es seiner Familie geht, dann kann es nicht gelingen. Also ist das, was wir bisher gemacht haben eine thematische Annäherung. Ich würde das noch nicht gelungen nennen, wir sind da sehr in unseren eigenen Vorstellungen verhaftet und die anderen können irgendwie mitmachen, das ist der Stand der Dinge."

Sprachbarriere behindert Kommunikation

Etwa eintausend Geflüchtete leben in Eberswalde, sind im Stadtbild präsent. Doch das Theaterstück "Gulliver unter uns" , das das Eberswalder Kanaltheater im Sommer gemeinsam mit einigen von ihnen auf die Bühne gebracht hat, ist für den Sozialarbeiter Kai Jahns nicht mehr als ein erster Versuch. Das beginnt schon bei der Geschichte, die europäische Wurzeln hat. Die Erfahrungen der Geflüchteten bleiben außen vor, die Sprachbarriere behindert die Kommunikation. Eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe stellt sich Kai Jahns anders vor.
"Also diese Hemmnisse sind eben diese Machtunterschiede, die einen sind da, haben alles. Die anderen können sich nicht orientieren, haben keinen Zugang. Wir haben alles, haben unsere Vorstellungen und dann etwas gemeinsam zu machen, ist einfach unheimlich schwierig. Das zusammen mit den Verständigungsbarrieren führt dazu, dass wir am Beginn stehen."
Der Theaterpädagoge Lutz Pickardt hat die Tagung mit vorbereitet, will seine Erfahrungen von den Bühnen in Hamburg, Dortmund, Köln weitergeben.
"Erstmal ist es sehr gut, nicht zu denken, ich gehe da jetzt rein und ich weiß, was ich tue, sondern, ich gehe da rein und lerne die erstmal kennen. Ich gucke, was sind das eigentlich für Menschen, lachen die, weinen die, wie sind die drauf, welche Stimmung tragen sie mit sich herum. Und dann schau ich, dass ich die erstmal in Bewegung bringe, über Tanz, über Bewegung, wie kommt das bei denen an. Das ist ein bisschen trial an error und so langsam stellt sich Beziehung her. Es ist weniger so, dass ich mich wahnsinnig viel vorbereite, es ist eher so, dass ich hingehe und zuhöre. Die ganze Arbeit ist sehr intuitiv."
Alles beginnt mit dem "Casting" der Teilnehmer. Ohne eine gute Kooperation mit den Trägerorganisationen geht gar nichts. Ansprechpartner in den Wohnheimen, die auf diejenigen zugehen, die sich für Theaterarbeit interessieren könnten, sind die wichtigsten Mittler. Auch Sozialarbeiter sind oft persönlich involviert. Sie betreuen die Flüchtlinge auch auf der Bühne. Lutz Pickardt.
"Weil die natürlich, wenn die gerade geflohen sind, oft in sehr desolaten Situationen sind und nicht unbedingt auf dem Schirm haben, dass jetzt am Donnerstag die Theaterprobe ist. Die haben tausend Sachen im Kopf, gucken ständig auf ihr Handy, ob ihre Familie noch lebt. Deswegen brauchen sie eine ganz enge Begleitung und wenn sie diese Begleitung haben und man dann noch viel Geduld hat, dann kann man glaube ich, gut zusammen arbeiten."

Vielen kann Theaterarbeit helfen

Inhalte entwickeln sich aus der Beziehung zu den Geflüchteten. Es können Fluchtgeschichten sein, aber auch Erfahrungen in Deutschland, die auf der Bühne umgesetzt werden. Vielen, auch das hat Lutz Pickardt schon erlebt, kann Theaterarbeit helfen, traumatische Erlebnisse zu bewältigen.
"Die haben uns YouTube-Video gezeigt, einen Rap, der dann eingeflossen ist. Einer aus Afghanistan hat gesungen und so hat sich einfach die Musik unglaublich gemischt. Dann hatten wir Chöre von Britten noch drin die alle gemeinsam gesungen haben, die sind dann in den Rap übergegangen, also da sind ganz vielfältige Musikrichtungen drin, da sind die Kulturen auch schön verschmolzen."
Das Beispiel aus München zeigt, die Jugendlichen haben Freundschaften geschlossen und deutsch gelernt. Sie haben sich neugierig und offen der Herausforderung gestellt. Theaterarbeit kann aber auch dabei helfen, traumatische Erlebnisse zu bewältigen, so die Erfahrung des Theaterpädagogen Lutz Pickardt.
"Es gibt einfach Menschen die sich ausdrücken wollen, die sind voll mit Gefühl, mit Emotion, mit Geschichten, mit Heimweh, mit Hoffnung, mit Liebe, mit Sehnsucht. Und das Theater, der Tanz, die Musik gibt ihnen die Möglichkeit, damit etwas zu tun und nicht nur darüber nachzudenken, dass ich jetzt Flüchtling bin, Geld brauche, wie bekomme ich eine Wohnung und das holt sie auch raus aus diesem Alltagsstress und diesen ganzen Themen, die sich wiederholen."
Nach monatelanger Erfahrung zeigt sich, wie mühevoll Theaterarbeit mit Geflüchteten sein kann. Die Theatermacher auf kleinen und großen Bühnen sind angekommen in den Mühen der Ebene – ein Patentrezept gibt es jedenfalls nicht.
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