Theater in Russland

Innere Konflikte statt "Gemeinheiten"

Szene aus dem satirischen Stück "BerlusPutin" im Theater.doc in Moskau im Februar 2012
Szene aus dem satirischen Stück "BerlusPutin" im Theater.doc in Moskau im Februar 2012 © dpa / picture alliance / Maxim Shipenkov
Von Gesine Dornblüth · 21.05.2016
Von einer internationalen Isolation ist die russische Theaterwelt weit entfernt. Freie, unabhängige Bühnen spielen dort aber eine untergeordnete Rolle. Und der Staat scheint vermehrt Theaterkunst zu fördern, die patriotische Gefühle ansprechen.
Russlands Theaterszene ist vielfältig. Zwar führen vor allem die staatlichen Bühnen nach wie vor überwiegend klassische Stoffe auf, aber nicht nur. Die "Rossijskaja Gaseta", das Verlautbarungsblatt der russischen Regierung, blickte Anfang 2016 auf die Highlights der bevorstehenden Moskauer Theatersaison, und zählte diverse innovative Stücke junger Leute auf.
Ganz oben auf der Liste stand "Hotel California" der gefeierten Nachwuchsregisseurin Sascha Denisowa. Darin geht es um amerikanische Rock- und andere Stars der 1960er-Jahre. Das Stück läuft am Moskauer Meyerholdt-Zentrum, einem städtischen Theater.
Zu den progressiven Spielstätten in der Hauptstadt zählt auch das Gogol-Zentrum, vor drei Jahren mit öffentlichen Geldern eröffnet. Dort läuft derzeit die viel beachtete Inszenierung "Müller-Maschine" auf der Basis von Heiner Müllers Texten "Hamletmaschine" und "Quartett".

"Russen mögen Stücke über Liebe"

Regisseur Kirill Serebrennikow ist zugleich künstlerischer Leiter des Gogol-Zentrums. Er hat auch schon in Westeuropa inszeniert und vergleicht. Dem Fernsehkanal Moskau 24 sagte er einmal:

"Die Deutschen mögen soziales Theater. Die Russen dagegen schauen lieber Stücke über Liebe. Über innere Konflikte. Hier sagen mir die Leute immer: Warum zeigst du uns diese ganzen Gemeinheiten, das sehe ich alles schon bei der Arbeit, warum muss ich mir das auch noch im Theater angucken?"
Freie, unabhängige Theater spielen in Russland eine untergeordnete Rolle. Es gibt vergleichsweise wenige. In der Hauptstadt macht regelmäßig das Dokumentartheater Teatr.doc von sich reden. Dort werden brisante politische Themen behandelt, zum Beispiel der Tod des Anwalts Magnitskij in einem russischen Gefängnis oder die politischen Prozesse gegen friedliche Demonstranten auf dem Bolotnaja-Platz. Möglicherweise deshalb wurde das Ensemble vor zwei Jahren aus seinem Gebäude gedrängt, einem Keller im Moskauer Zentrum. Doch es fand eine neue Spielstätte. Das sehen einige als Beleg dafür, dass es so schlimm um die Freiheit des Theaters in Russland eben doch nicht bestellt ist.

Viele Gastspiele und Festivals

Auch der Opern-Regisseur Timofej Kuljabin, der mit seiner Tannhäuser-Inszenierung in Novosibirsk ins Visier der Staatsanwaltschaft geriet wegen angeblicher Blasphemie, fand eine neue Arbeit. Er inszeniert mittlerweile am Bolschoi Theater. Für sein Debüt wählte er "Don Pasquale", einen alten Stoff, fulminant umgesetzt, allerdings ohne jegliche Gegenwartskritik.
Von einer Isolation ist die russische Theaterwelt weit entfernt. Weiterhin gibt es jede Menge internationale Festivals und Gastspiele. Roman Dolschanskij organisiert das alljährliche NET-Festival für neues europäisches Theater, lädt Inszenierungen nach Moskau ein:
"Psychologisch, was den Dialog der Kulturen und auch die Interessen des Theaterpublikums betrifft, kann ich voller Freude sagen: Es gibt keinerlei Probleme."
Genau wie westliche Bühnen, stehen auch die russischen allerdings unter einem wachsenden finanziellen Druck. Aufgrund der Wirtschaftskrise wurden Budgets gekürzt. Bei der Mittelvergabe zeichnen sich Präferenzen ab, die im Einklang mit der russischen Kulturpolitik stehen. So scheint der Staat vermehrt solche Inszenierungen zu fördern, die patriotische Gefühle ansprechen oder die zu bestimmten nationalen Feiertagen stattfinden.
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