Theater

Faust alias Fritzl

Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Das Probenfoto zeigt eine Szene aus "Faustin & Out" von Elfriede Jelinek. © Thomas Dashuber / Residenztheater München / dpa
Von Sven Ricklefs · 27.06.2014
Was haben Faust und Josef Fritzl gemeinsam? Eine ganze Menge, wenn man nach "Faustin and out" geht. Es ist ein zweistündiges zwischen zwei Schauspielern wechselndes Monologtheater (Fritzl und Tochter), vorgetragen von grandiosen Schauspielern. Eine Zumutung, aber eine faszinierende.
Als ein Sekundärdrama bezeichnet Elfriede Jelinek selbst ihr Stück "Faustin and out", das sie kläffend neben dem Klassiker einher laufen lassen will. Und während Intendant Martin Kusej gerade selbst Goethes Faust am Residenztheater in Szene gesetzt hat, ist es nun noch einmal eine besondere Pointe, dass er diese Inszenierung jetzt von Elfriede Jelinek und Johan Simons gleichsam kommentieren lässt.
Austausch der Theater
Es war die gemeinsame Idee der Münchner Intendanten des Residenztheaters und der Kammerspiele, Martin Kusej und Johan Simons, sich einmal als Regisseure auszutauschen. Damit soll vor allem auch die feindschaftliche Konkurrenz der beiden Häuser aus den letzten Jahrzehnten einem freundschaftlichen Miteinander weichen. Während Martin Kusej in der nächsten Spielzeit an den Münchner Kammerspielen inszenieren wird, Martin Sperrs Jagdszenen aus Niederbayern, machte Johan Simons nun den Anfang, indem er Elfriede Jelineks "Faustin and out" im Cuvilliéstheater inszenierte.
Jelineks Stück ist sicherlich mehr als ein Kommentar, schreibt sie doch die goethisch-männlich strebenden Machtfantasien in jenen weltbekannten österreichischen Keller fort, in dem Josef Fritzl seine Tochter 24 Jahre lang gefangen hielt, zigfach vergewaltigte und 7 Kinder zeugte. Was wie ein geschmacklos-böses Märchen klingt, war traurige Realität. Während Fausts Gier und Macht sein Gretchen in den Kindsmord treibt, treibt es hier der allmächtige Vater mit der eigenen Tochter und verbrennt eines seiner Kinder im Ofen.
Johan Simons erzählt dieses Stück als ein Aufeinandertreffen von Mann und Frau, von Vater und Tochter, von Macht und Ohnmacht und variiert damit eines der Grundthemen von Elfriede Jelinek. Dafür setzt er seine beiden Figuren in das unheimlich starke Bühnenbild von Muriel Gerstner, die einfach in eine bühnenhohe Mauer zwei menschenhohe Grabkammern gesetzt hat, links für den Mann, rechts für die Frau. Darüber steht der merkwürdige Satz "gewesen worden sein", so als gäbe es weder Vergangenheit noch Zukunft.
Vatermonster mit Machtkomplex
Durchaus fein gekleidet, wenn auch etwas derangiert spielt Oliver Nägele in seiner ganzen massiven und etwas kurzatmigen Wucht bravourös dieses Vatermonster, dem seine Machtherrlichkeit durchaus selbstverständlich erscheint, wenn er sie auch eher für schweißtreibend erworben hält:
Er kann seine Grabkammer verlassen, während Birgit Minichmayer als Tochter in ihrer gefangen ist. Bleich sitzt sie da in ihr reifgerocktes Puppenkleid gesperrt, kaum, dass sie sich erheben kann und auf den Beinen halten schon gar nicht. Es ist als wüsste sie nicht mehr, wie ihre Teile zusammenpassen. Und auch an das Sprechen muss sie sich erst langsam wieder gewöhnen. Das kommt erst stockend, schleppend aus dieser zugerichteten Frau, um dann doch irgendwann in Elfriede Jelineks sprachspielerischen Galgenhumor zu münden:
"Faustin and out" von Elfriede Jelinek in der Inszenierung von Johan Simons, das ist ein knapp zwei Stunden zwischen zwei Schauspielern wechselndes Monologtheater, mit einem ständig in Sprachschlaufen sein Thema umkreisenden Text. Vorgetragen allerdings von zwei Schauspielern, die einen völlig in ihrem Bann schlagen. Eine Zumutung also, aber eben eine faszinierende.
Mehr zum Thema