"The Early Years 1968-1972"

Pink Floyd feiert sich selbst mit einer Luxus-Box

Der gigantische Bühnenaufbau zu "The Wall" 21.7.1990 auf dem Potsdamer Platz in Berlin
Hunderttausende Fans erlebten am 21.7.1990 auf dem Potsdamer Platz in Berlin das Mammutspektakel "The Wall". © picture-alliance / dpa - Peter Kneffel
Von Marcel Anders · 15.11.2016
Pink Floyd - inzwischen eine Gruppe älterer Herren um die 70 - landete gerade mit ihrer Box-Set "The Early Years 1968-1972" noch einmal einen Coup. Die Sammlung aus Musik und Filmmaterial kostet stolze 530 Euro. Nur etwas für hartgesottene Fans?
"Das Ganze ist vor allem für reiche Leute – oder für Enthusiasten. Weshalb ich nicht erwarte, dass es Millionen verkauft. Ich muss aber auch anmerken, dass es bei Weitem nicht das größte Boxset aller Zeiten ist. Es hat 27 CDs, aber ich habe gelesen, dass Mozart eine Box mit 30 CDs veröffentlicht."
Nick Mason ist ein kleiner, wohlgenährter Herr, Anfang 70, der sich lange um das Archiv von Pink Floyd gekümmert hat - und nun einen Kehraus von geradezu monumentalem Ausmaß vorstellt: 130 Songs der Jahre 1965-72, bestehend aus Demos, Live-Aufnahmen und Singles. Außerdem 18 Stunden bewegtes Bild. Darunter ein ZDF-Feature von 1972, das der Band vorwirft, ihr Momentum verloren zu haben.

Die 70er: Cowboyhüte und wallendes Haar

TV-Auftritte, bei denen sich Mastermind Syd Barrett nicht einmal die Mühe macht, die Lippen zum Playback zu bewegen. Und Gastspiele im französischen Beat-Club, bei denen die Band durch wallendes Haar, Cowboyhüte und Fellwesten glänzt – während im Publikum junge Damen in Miniröcken tanzen. Wovon sich Mason sichtlich amüsiert zeigt:
"Fantastisch! Wobei ihr, die das jetzt hört, vorsichtig sein solltet, über die Leute zu lachen, die da tanzen – es könnten eure Eltern sein. Und es ist pure Nostalgie. Bei einigen Sachen denke ich: 'Wie angeberisch.' Bei anderen: 'Das war ziemlich gut.' Viele Songs sind weit weniger chaotisch als ich es in Erinnerung hatte. Ich zögere mit dem Wort, aber sie waren durchaus musikalisch."
So erfolgreich Pink Floyd in den 70ern und 80ern wurden, in den späten Sixties waren die ehemaligen Kunst- und Architekturstudenten aus gutem Hause alles andere als Rockstars. Eher eine Underground-Band mit Stroboskop-Licht und quadrophonischem Sound – angetrieben von Sänger und Gitarrist Syd Barrett. Ein Multitalent, Drogenfreak und Totalverweigerer, der mutige Songs schrieb, aber nicht mit Leistungsdruck und Popularität umgehen konnte.
Er flüchtete sich in LSD und ließ Konzerte platzen. Bis seine Kollegen genug hatten und ihn 1968 durch David Gilmour ersetzten. Ein Schritt, den Mason bis heute bedauert.
"Wir wussten nicht, was wir tun sollten – und waren ziemlich egoistisch. Wir wollten eine Pop-Gruppe sein, im Fernsehen auftreten und Platten verkaufen. Doch Syd sagte: "Ich bin nicht glücklich mit diesem Kommerz-Ding. Ich will Künstler sein." Und er war ein toller Maler und seine Grafiken waren ebenfalls Klasse."
Die Bilder, Briefe und Skizzen von Syd Barett sowie Exponate vom Aufstieg zur Supergroup der 70er sind Gegenstand einer Ausstellung, die Pink Floyd im Frühjahr 2017 im Londoner Victoria & Albert Museum planen. Nach Vorbild der Werkschau von David Bowie am selben Ort, die 2015 ein großer Erfolg war. Aber doch mit kleinen Unterschieden.
"Wir haben viel weniger Material. Einfach, weil wir keine Kostüme getragen haben. Bei uns gibt es nur ein paar T-Shirts. Weshalb wir den Schwerpunkt auf etwas anderes legen wollen. Nämlich zu zeigen, wie wir die Loops bei "Dark Side Of The Moon" hingekriegt haben, wie es zu den Gitarrensounds kam und wie die Elektronik funktionierte. Wir wollen den Leuten demonstrieren, wie das damals war."

Die Band ist definitiv Geschichte

Wenngleich das Interesse an Pink Floyd nach wie vor riesig ist, und es wohl auch in Zukunft immer neue Biografien und Veröffentlichungen aller Art geben wird: Die Band an sich – so Mason - ist definitiv Geschichte. Und zwar nicht erst seit dem Tod von Keyboarder Rick Wright im Jahr 2008, sondern schon seit über 20 Jahren. Was Kollege David Gilmour allerdings erst im Sommer 2014 verkündet hat - weil ihn die ewigen Fragen nach der Band dezent genervt haben.
"Ich habe selbst erlebt, wie es in Interviews hieß: 'Ich mag deine Solo-Arbeit. Aber wann arbeitest du wieder an richtigen Songs?' Das ist der Grund, warum David klargestellt hat: "Ich bin fertig damit." Und dasselbe hat Roger Waters vor 20 Jahren gesagt. Was bedeutet: Jetzt habe ich die Kontrolle über die Band. Ich muss mir nur ein paar neue Musiker suchen."
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