"The Deep Blue Sea"

Von Hannelore Heider · 26.09.2012
Der Regisseur Terence Davies hat mit "The Deep Blue Sea" ein Kammerspiel aus den 50er-Jahren verfilmt, das die Leidensgeschichte einer in den Moralvorstellungen der Zeit gefangenen Vernunftehe erzählt. Ein großes Kinomelodram vor düster-melancholischer Szenerie.
Mit der Verfilmung des Kammerspiels des britischen Dramatikers Terence Rattigan - genau 50 Jahre nach seiner Premiere - erzählt Autorenfilmer Terence Davies ein Ehe-und Liebesdrama aus den 50er-Jahren. Dabei behält er das dramaturgische Konzept des Theaterstücks bei und konzentriert sich auf die drei Hauptpersonen und fast nur eine Spielstätte: die Wohnung der Heldin Hester (Rachel Weisz). In der ersten Szene zoomt sich die Kamera von Florian Ballhaus aus einer düsteren Straße in dieses ärmliche, spärlich erleuchtete Appartement und erzeugt damit, unterlegt von den aufwühlenden Klängen von Samuel Barbers Konzert für Violine und Orchester, einen Sog für den Zuschauer, der bis zum Ende anhalten wird. Denn Hester wird Selbstmord begehen, ein innerer Monolog zeigt an, dass es ihr diesmal ernst damit ist.

Sie hinterlässt einen Brief an ihren Geliebten, dessen Auffinden bittere Folgen für ihre Liebe haben wird, als die aufmerksame Concierge die Selbsttötung verhindert und die beiden Männer, Ehemann Sir William (Simon Russel Beale) und ihren Geliebten Freddie (Tom Hiddlestone) zu Hilfe holt. Während sich Hester zum Sterben legt, gleitet die Kamera elegant in die Vergangenheit und erzählt die Leidensgeschichte einer in den Moralvorstellungen der Zeit gefangenen Vernunftehe mit einem älteren reichen Mann und den Verlauf einer leidenschaftlichen Affäre mit dem jungen Weltkriegspiloten, der für sie Hoffnungsträger eines neuen, erfüllten Lebens ist. Ein Skandal, denn sie verlässt eine gesicherte Existenz und setzt ihren Ruf aufs Spielt. Das Risiko ist hoch und die Hoffnung erfüllt sich nicht, denn Freddie kann die Tiefe und Leidenschaft ihres Verlangens nicht teilen.

Was wie ein großes Kinomelodram der 50er-Jahre klingt, bleibt in der Regie von Terence Davies ein Kammerspiel - nur dass die Leinwand hier zur Bühne wird, ohne dass die emotionale oder filmische Wirkung verloren ginge. Eine konsequent düster-melancholische Szenerie, ausgefeilte Dialoge, vor allem aber die Mimik der Darsteller werden in langen ruhigen Einstellungen nahezu peinigend direkt eingefangen, was vor allem Rachel Weisz als von Seelenqualen gepeinigtes menschliches Wesen die Möglichkeit zur außerordentlicher Darstellungskunst gibt.

USA / Großbritannien 2011; Regie: Terence Davies; Darsteller: Rachel Weisz, Tom Hiddleston, Simon Russell Beale, Ann Mitchell; ohne Altersbeschränkung; 98 Minuten

Filmhomepage