Terrorismusbekämpfung im Netz

Humor als Mittel gegen den IS

Die Islamwissenschaftlerin Miriam Seyffarth.
Die Islamwissenschaftlerin Miriam Seyffarth ist bei der Berliner re:publica dabei: Mit dem Thema "Terroristen ernst nehmen, Terroristen auslachen" © Deutschlandradio - Andreas Buron
Miriam Seyffarth im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 02.05.2016
Mit entsprechenden Videos und Magazinen wollen Isis-Terroristen gerne glauben machen: Wir haben den coolen Lifestyle. Genau das nehmen Satiriker im arabischen Raum gehörig auf die Schippe und versuchen sie mit entsprechenden Videos lächerlich zu machen, sagt die Islamwissenschaftlerin Miriam Seyffarth.
Korbinian Frenzel: Wir haben einen Gast im Studio, der uns möglicherweise zum Lachen bringen kann, obwohl es um den IS, den sogenannten Islamischen Staat geht: die Islamwissenschaftlerin Miriam Seifert. Guten Morgen!
Miriam Seyffarth: Hallo, herzlichen Dank für die Einladung!
Frenzel: Sie werden bei der re:publica in Berlin, bei der heute beginnenden Konferenz für Internet und Gesellschaft bei einem Panel auftreten, das den wunderbaren Titel hat: "Terroristen ernst nehmen, Terroristen auslachen". Den ersten Teil muss man nach Paris und Brüssel, glaube ich, nicht erklären, aber den zweiten Teil schon. Warum auslachen?

Die popkulturellen Instrumente der Terroristen

Seyffarth: Wir haben ja in den letzten Jahren gesehen, dass die Terroristen sich immer mehr - vor allem ISIS – popkultureller Instrumente bedienen. Also, wir haben die Hochglanzvideos, die sie produzieren, die sehr aufwändig produziert sind, sie haben ihre Hochglanzmagazine, also das sieht teilweise wie so ein Musikvideo aus oder fast schon wie aus einer Fernsehserie, wenn es da explodiert und Menschen hin und her rennen. Und dadurch versuchen sie natürlich auch, sexy und attraktiv zu sein für junge Menschen und sie anzulocken und zu sagen, hier ist cooler Lifestyle.
Und eine Möglichkeit, um dem zu begegnen – einerseits in der Prävention, aber auch, um dem Ganzen so ein bisschen den Schrecken zu nehmen –, ist einfach, in einer ähnlichen Art und Weise auch mit popkulturellen Bildern oder mit popkulturellem Humor ihnen so ein bisschen den Zauber zu nehmen und sie in ihrer Selbstinszenierung zu dekonstruieren und auch ein bisschen lächerlich zu machen.
Frenzel: Sie haben uns ein paar Beispiele rausgesucht, wir hören mal rein in ein Youtube-Video: "Wenn Google ein Imam wäre"!
O-Ton Video:
"Okay, Google, suche mir 'Steinigung im Koran'."
"Okay, steht zwar nicht im Koran, aber da habe ich für dich Afghanistan und Saudi-Arabien."
"Koran, Ehebruch, Steine, werfen."
"Ja, kenne ich. Machen viele, steht aber nicht im Koran."
"Ah."

Youtuber in Saudi-Arabien

Frenzel: Wie gesagt, aus Youtube, ein deutsches Beispiel, muss man sich am besten auch anschauen. Sie haben zuletzt zwei Jahre in Saudi-Arabien gelebt, kennen die arabische Welt, die arabischen Gesellschaften sehr gut auch von innen. Gibt es da Entsprechendes?
Seyffarth: Ja, tatsächlich gibt es auch saudi-arabische Youtuber, die sich unter anderem auch mit Terrorismus und ISIS auf humorvolle Art und Weise auseinandersetzen, was sich viele Leute ja gar nicht vorstellen, wenn sie jetzt hier in Deutschland aus der deutschen Perspektive an Saudi-Arabien denken. Ich fand das auch sehr bemerkenswert, als ich das das erste Mal gesehen habe, dass das tatsächlich geht, weil ja häufig auch den Saudis vorgeworfen wird, dass sie eigentlich selber ja auch den Terror mit finanzieren oder dass der Wahhabismus, die strikte Islamauslegung in Saudi-Arabien, ja eigentlich auch relativ nah am Terrorismus dran wäre. Aber tatsächlich gibt es auch da humorvolle Auseinandersetzung und Lächerlichmachung der Terroristen, was ich sehr schön finde.
Das hat noch mal eine besonders interessante Dimension, weil ich finde, dass Humor und Satire noch mal besonders glaubwürdig rüberkommt, wenn er von Muslimen selber praktiziert wird. Die Gefahr ist häufig, gerade auch bei deutschen Satirikern oder Comedians, wenn sie nicht wie zum Beispiel die Datteltäter - von denen wir gerade den Ausschnitt gehört haben, auch zum großen Teil selber muslimischen Glaubens sind und da noch mal einen anderen Zugang haben -, das Problem ist häufig, dass man dann Gefahr läuft, selber wieder in islamfeindliche, rassistische Stereotype zu verfallen.
Und das sehen wir auch häufiger, dass der Versuch oder die Motivation ist, die Terroristen auszulachen, aber aus Versehen – oder vielleicht nicht aus Versehen, aber weil die Rassismen so tief verankert sind – dann gleich wieder alle Muslime damit lächerlich gemacht werden. Und da muss man ganz scharf trennen.

Der andere Humor der Muslime

Frenzel: Das heißt, der Humor, den Sie da finden in Saudi-Arabien zum Beispiel, ist ein anderer?
Seyffarth: Er ist ein anderer, würde ich sagen, als jetzt von weißen, nichtmuslimischen, westlichen Comedians, wie wir sie teilweise in den USA oder in Deutschland finden. Das muss nicht so sein, aber ich sehe, die Gefahr ist größer, wenn man jetzt selber nicht muslimisch ist und vielleicht nicht so einen geschärften Blick für den antiislamischen Rassismus hat, dass man tatsächlich, wenn man versucht, darüber Humor und Satire zu machen und das ins Lächerliche zu ziehen, dass man doch sehr schnell auch wieder in die Stereotype verfällt und sich gleich über alle Muslime lustig macht. Wobei es ja eigentlich darum geht, dass man den konkreten Terroristen in seiner selbstherrlichen Inszenierung lächerlich macht und nicht alle Muslime.
Frenzel: Ich würde erst mal aus der Ferne heraus vermuten, man muss auch sehr viel vorsichtiger sein in solchen Ländern, wenn man Islamisten lächerlich machen will, dass man eben nicht den Islam lächerlich macht. Wie ist da die Gratwanderung?
Seyffarth: Das ist schon richtig, da muss man vorsichtig sein. Und gerade auch die saudischen Youtuber machen sehr viel mehr, als wir uns jetzt vorstellen könnten, und sind auch sehr viel kritischer, als wir denken. Natürlich haben die auch rote Linien. Und die wissen ganz genau, wo die sind, und die werden auch nicht übertreten.

Die "roten Linien" der Scherze über den Islam

Frenzel: Wo sind die zum Beispiel?
Seyffarth: Na, dass man zum Beispiel die Königsfamilie nicht beleidigen darf oder den Islam an sich oder den Propheten und so weiter. Aber wie gesagt, deswegen fand ich besonders bemerkenswert, dass es eben doch geht, sich über ISIS lustig zu machen. In einem Video, das fand ich ganz lustig, da ging es darum, dass die Regenbogenfahne ja von vielen konservativen Muslimen sofort automatisch mit der Gay-Pride-Bewegung assoziiert wird.
Und Youtuber machen sich dann darüber lustig und sagen, nein, wir sollten jetzt alle unsere Videos nur noch in Schwarz-Weiß machen, damit uns nicht der Vorwurf gemacht werden kann, wir hätten auch verfallene Moralvorstellungen. Und dann machen sie tatsächlich ihre Videos in Schwarz-Weiß und sagen: Oh nein, jetzt sehen wir viel zu sehr aus wie ISIS und das wollen wir eigentlich nicht, mit denen wollen wir eigentlich nicht assoziiert werden!
Frenzel: Das Mittel des IS und anderer Islamisten ist ja die Krassheit, das Grenzen-Überschreiten, also Köpfung, andere Grausamkeiten. Können Videos, die auf Humor setzen, in den Kreisen junger Menschen da überhaupt mithalten?
Seyffarth: Doch, ich denke schon. Also, gerade wenn es um Humor geht. Ich denke, das ist das Einzige, was man da wirklich machen kann. Genau, die Videos von ISIS versuchen ja, uns zu schocken, versuchen, Angst und Schrecken zu verbreiten. Das ist das Herz von Terrorismus, dass Angst verbreitet wird, dass die Menschen sich ängstigen, dass auch der Graben in der Gesellschaft immer größer wird, dass Stereotype auch bedient werden. Und ich denke, dass der Comic Relief, der Humor da sehr, sehr gut hilft.
Frenzel: Comic Relief.

Humor als Prävention für Jugendliche

Seyffarth: Ja, ja, genau, und diese Angst zu nehmen, die man dann hat. Weil sie dann eben plötzlich nur noch Leute sind, die sich selbstherrlich inszenieren, aber dass sie so ein bisschen von ihrer Macht verlieren. Und man darf nicht vergessen, dass zuletzt dieser Humor auch in der Prävention helfen kann. Also, wenn man in der Prävention schaut, wo es darum geht, dass sich Jugendliche radikalisieren und vielleicht sogar Deutschland verlassen, um sich dem IS anzuschließen, da gibt es verschiedene Stufen.
Und gerade in den frühen Phasen, denke ich, kann Humor auch gut helfen, einfach um die Terroristen zu entzaubern und zu sagen, guck mal, die sind gar nicht so cool, das ist eigentlich albern was die machen. Die inszenieren sich als die Heilsbringer, die versprechen dir eine alternative Identität, aber eigentlich ist das gar nicht cool, eigentlich ist das lächerlich.
Frenzel: Die Islamwissenschaftlerin Miriam Seyffarth, am Mittwoch auf der re:publica in Berlin mit dem Panel "Terroristen ernst nehmen, Terroristen auslachen". Frau Seyffarth, ich danke Ihnen ganz herzlich für den Besuch hier im Studio!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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