Terminologie der Rechten

Sprache, die Verachtung idealisiert

Teilnehmer einer Kundgebung der Pegida-Bewegung haben sich am Königsufer in Dresden versammelt.
Teilnehmer einer Kundgebung der Pegida-Bewegung in Dresden © picture alliance/dpa - Sebastian Willnow
Von Astrid von Friesen · 26.05.2016
Rechte Terminologie verwende die alte Technik, fremde Gruppen von Menschen zum "Freiwild" zu erklären, um das eigene Wir-Gefühl zu stärken, meint die Dresdner Journalistin und Trauma-Therapeutin Astrid von Friesen. Dieser Entzivilisierungs-Prozess bereite den Boden für Gewalt.
Die AfD wolle weg von diesem links-rot-grün verseuchten, man könne auch sagen, leicht versifften 68er-Deutschland. Mit diesem Bild versuchte Jörg Meuthen das Programm seiner Partei auf den Punkt zu bringen. "Verseuchung" meint, schlägt man im Duden nach, "mit Krankheitskeimen verunreinigen". Es geht der AfD also um "rein und unrein", sprich "gut und böse".
Abgrenzungen sind so alt wie die Menschheit! Sie erklärt uns der Londoner Ethnologe und Gruppenanalytiker Gerhard Wilke zunächst tiefenpsychologisch. Ein Kind entwickelt sich aus der Symbiose mit seiner Mutter während des ersten Lebensjahres heraus, bewältigt die Triangulierung mit den Eltern, grenzt sich von den Geschwistern und Gleichaltrigen ab, um eine eigene Identität zu erlangen; ebenso wie ein Familien-wir-und Gruppengefühl.
Es akzeptiert die sozialen Regeln bezogen auf Jungs hier und Mädchen dort, auf meine Freunde und deine Freunde. So lernt jeder – gut oder weniger gut - das Vertraute vom Fremden zu unterscheiden.

Abgrenzung erweiterte Nationalismus zur Leitkultur

Diese Art Abgrenzung vollzog im frühen 19. Jahrhundert auch der Nationalismus mit der Idee einer Leitkultur, die durch Religion, Staatszugehörigkeit und politische Ordnung definiert war. Weswegen bis heute die Bayern und Preußen, Wallonen und Flamen, die Basken und Spanier, die Tschechen mit den Slowaken nicht zusammen können, das heißt nicht wollen.
Evolutionär waren wir Jäger und Sammler und brauchten abgesicherte Territorien, um nicht zu verhungern. So entstanden Grenzprobleme: Nicht nur faktisch, sondern auch ideologisch, transportiert durch Sprache.
Es gehört also zu den menschlichen Grundmustern einer - vielleicht durch Hunger, Krisen oder Führerlosigkeit - verunsicherten Wir-Gruppe, dass sie sich stärkt, indem sie andere herabwürdigt und als schmutzig definiert. Dann "dürfen" sozusagen diese anderen entwertet, ausgegrenzt, angegriffen, sogar ermordet werden.
Die Sprache ist in diesem Entzivilisierungs-Prozess das Mittel, um die Denkhemmungen und Toleranzgrenzen aufzubrechen, welche die gehemmte Tat mental vorbereiten. Das böse Wort geht der bösen Tat voraus. Es scheint Ängstlichen zu helfen, sich als Menschen und die anderen als Tiere zu definieren, um die Aggression zu entsperren. Dann wird der andere zum "Freiwild", das Reden ist vorbei, die Gewalt beginnt. Sprachliche Enthemmung bereitet Gewalt vor.

Sprachliche Enthemmung bereitet Gewalt vor

Die Reinlichkeitsmetaphern machen es deutlich: die millionenfachen "Säuberungen" zu Sowjetzeiten, das "Ausmerzen" der Juden aus dem "reinen Volkskörper" der Deutschen und die "kulturellen Säuberungen" des IS, der jahrtausendealte Kulturgüter in die Luft sprengt.
Auf der individuellen Ebene projiziert der verurteilte Lutz Bachmann*), der Pegida-Anführer, seine Ängste auf die Flüchtlinge, die er als "Gelumpe, Viehzeug, Dreckspack" bezeichnet.
Pegida und AfD stellen George Orwells Roman "1984" auf den Kopf. Sie lehnen sich auf gegen politisch korrekten "new speach" und wollen, dass die Gesellschaft wieder "old speach" adoptiert. Sie huldigen einer Stammtischsprache, die in Deutschland jedoch durch zwei Diktaturen kontaminiert ist. Ihre Sprache verrät, dass sie die Komplexität der Welt nicht aushalten. Sie spalten psychopathisch die Welt in Gut und Böse, voll kalter, erstarrter Wut.
Aufgeklärte Menschen fühlen sich tatsächlich "beschmutzt". Doch gibt es keinen anderen Weg, als diesen gefährlich Schwachen, die sich durch Verachtung hochidealisieren müssen, Argumente, nicht aber Ablehnung und Ausschluss entgegen zu setzen.
*) Korrektur: In der ersten Fassung hatten wir versehentlich einen falschen Vornamen benutzt.

Astrid von Friesen, Jahrgang 1953, ist Journalistin, Erziehungswissenschaftlerin, sowie Gestalt- und Trauma-Therapeutin in Dresden. Sie unterrichtet an der Universität in Freiberg, macht Lehrerfortbildung und Supervision. Außerdem schreibt sie Bücher, zuletzt: "Ein Erziehungsalphabet: Von A bis Z – 80 pädagogische Begriffe".

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