Tansania

Stolz auf den Aufstand gegen deutsche Herrschaft

Das Wappen des ehemaligen deutschen Zollamtes ist im Nationalmuseum in Daressalam ausgestellt.
Das Wappen des ehemaligen deutschen Zollamtes ist im Nationalmuseum in Daressalam ausgestellt. © dpa / picture alliance / Carola Frentzen
Von Bettina Rühl · 08.02.2017
Im Juli 1905 erhoben sich die Völker im damaligen Deutsch-Ostafrika gegen die wilhelminische Kolonialherrschaft. Die deutsche Kolonialmacht schlug brutal zurück, zwei Jahre später war der so genannte Maji-Maji-Aufstand beendet.
Die Zahl der Toten wird auf bis zu 300.000 geschätzt. Die Rebellion in Deutsch-Ostafrika war die größte Widerstandsaktion von Afrikanern gegen die deutsche Kolonialherrschaft in Ostafrika.
Ein Schlachtruf, Chief Emmanuel Zulu Gana macht ihn nach. Ein "Chief" ist ein traditioneller Anführer.
"How bedeutet: Geh und kämpfe!", erklärt der 61-jährige Tansanier. Mit diesem Schlachtruf zogen die Aufständischen in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika vor über hundert Jahren in den Kampf gegen die wilhelminische Kolonialmacht. Der blutige Aufstand ist Teil von Chief Ganas Familiengeschichte: Unter den Kämpfern waren einige seiner Vorfahren.
"Sie wurden auf grausame Weise getötet. Sie sind nicht im Kampf gefallen, sondern wurden gehenkt. Deshalb interessiere ich mich immer noch für die Geschichte des Aufstands. Der Gedanke an den Tod meiner Vorfahren schmerzt mich bis heute.
Der Krieg fing in der Gegend von Kilua an. Die Menschen mussten auf den Feldern und in den Häusern der deutschen Kolonialherren arbeiten, ohne dafür bezahlt zu werden."
Wegen der Zwangsarbeit auf den Feldern der deutschen Kolonialherren hatte die Bevölkerung kaum noch Zeit, ihre eigenen Felder zu bestellen. Wer sich dem brutalen Regiment der Deutschen widersetzte, wurde hart bestraft. Besonders gefürchtet waren die schmerzhaften und meist öffentlichen Hiebe mit der Nilpferdepeitsche. Schon in den 1880er-Jahren versuchten die Menschen in verschiedenen Regionen Deutsch-Ostafrikas, sich gegen die Deutschen zu erheben. Diese ersten Revolten konnte die Kolonialarmee im Keim ersticken.
"Aber dann fingen die Deutschen auch an, von uns Steuern zu erpressen. Solche Abgaben waren wir bis dahin nicht gewöhnt. Plötzlich kamen diese Fremden und zwangen uns, ihnen Geld zu zahlen. Dabei hatten wir gar kein Geld, nur Hühner oder Mais und andere Feldfrüchte. Woher sollten wir plötzlich das Geld nehmen, das sie von uns verlangten?"
Die Erpressung von Steuern – darunter auch eine Zwangsabgabe auf Hütten – wird zum Auslöser für den Aufstand gegen die deutschen Kolonialherren. Am 20. Juli 1905 reißen zwei Männer und eine Frau auf einer Baumwollplantage die Stauden aus der Erde. Das gleicht einer Kriegserklärung: Die Baumwollplantagen sind für die deutschen Kolonialherren besonders lukrativ. Für die Bevölkerung sind sie ein Symbol der verhassten Fremdherrschaft.
In Windeseile schließen sich tausende Kämpfer von etwa 20 Bevölkerungsgruppen aus dem Südosten der deutschen Kolonie zusammen.
"Dieser Schlachtruf riss die Menschen mit, vor allem, wenn ihn viele auf einmal riefen."
Die Aufständischen erkennen einander an dem Ruf "Maji-Maji". Das Wort bedeutet auf Suaheli "Wasser", in diesem Fall ein magisches. Wenn die Kämpfer das mit Hirse gemischte Wasser trinken, so die Prophezeiung, werden die "Geschosse des Gegners von den Zielen wie Regentropfen abfallen". Auch gestärkt durch den Glauben an diesen Wasserzauber gelingt es den Maji-Kämpfern in den ersten Wochen etwa ein Fünftel der Kolonie unter ihre Kontrolle zu bringen, erzählt Chief Emmanuel Zulu Gana:
"Anfangs hätten die deutschen Kolonialherren den Krieg fast verloren. Um ihre Niederlage abzuwenden, rekrutierten sie Kämpfer aus dem Sudan und Somalia. Diese afrikanischen Söldner brannten unsere Hütten nieder, töteten sehr viele Menschen. Bis heute sind wir hier in dieser Gegend ärmer als anderswo, weil die afrikanischen Kämpfer unseren Vorfahren ihren ganzen Besitz genommen haben. Viele unserer Chiefs wurden getötet oder gehenkt."

Strategie der verbrannten Erde

Vögel sitzen in den Bäumen, ein idyllisches Bild. Die Bäume stehen auf dem Grundstück eines Nationalmuseums in der Stadt Songea, es erinnert an den Maji-Maji Aufstand. Eigentlich ist der Ort ein Friedhof: 66 Aufständische wurden hier in einem Massengrab bestattet, nachdem sie im Februar 1907 gehenkt worden waren. Zu dieser Zeit hatten die afrikanischen Söldner und deutsche Truppen den Aufstand fast schon niedergeschlagen – und mit ihrer Strategie der verbrannten Erde ganze Landstriche verwüstet. Hunger, Krankheiten und Verzweiflung zwangen die Bevölkerung schließlich dazu, aufzugeben. Fast 300.000 Menschen, also etwa ein Drittel der Bevölkerung, kamen in dem Krieg und der anschließenden Hungerkatastrophe ums Leben. Auf Seiten der Deutschen waren nur 15 Weiße und 389 Afrikaner gefallen.
Baltasar Nyamusy ist Direktor des Museums in Songea:
"An manchen Tagen haben wir nicht einen einzigen Besucher. Die Menschen interessieren sich nicht besonders für das Museum, weil sie glauben, dass an einem solchen Ort nur alter Krempel liegt. Außerdem wissen sie, dass es hier ein Massengrab gibt, und das hält sie ab."
Wie brutal die Herrschaft der Deutschen tatsächlich war, ist vielen Menschen im heutigen Tansania gar nicht bewusst. Wenn sie an den Maji-Maji-Aufstand denken, empfinden sie nicht als erstes Trauer um zehntausende Tote oder Hass auf die deutschen Kolonialherren. Sondern Stolz darauf, dass sich ihre Vorfahren gegen die deutsche Übermacht erhoben haben. Die Maji-Maji-Rebellion wird in Tansania als erster Schritt zur nationalen Unabhängigkeit gefeiert.
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