#systemkrank

    Was Alleinerziehenden stinkt - in 140 Zeichen

    Eine Mutter mit ihrem Kind
    Unter dem Hashtag #systemkrank berichten Alleinerziehende, was in ihren Augen schief läuft. © imago stock&people
    15.11.2016
    Unter dem Hashtag #systemkrank melden sich seit Montagabend zahlreiche Alleinerziehende bei Twitter zu Wort, um auf ihre schwierige Situation aufmerksam zu machen. Die Idee dazu hatte die Autorin und Stadträtin Christine Finke. Sie fordert eine Debatte über gesellschaftliche Solidarität.
    Christine Finke hat mit dem Hashtag #systemkrank eine richtige Welle bei Twitter losgetreten. Zahlreiche Alleinerziehende und Eltern meldeten sich, um auf bestimmte Missstände aufmerksam zu machen, die vor allem Alleinerziehenden und ihren Kindern das Leben schwer machen. Hier ein paar Beispiele:
    Deutschlandradio Kultur hat mit Christine Finke über ihre Aktion gesprochen:
    Deutschlandradio Kultur: Wie sind Sie auf die Idee zu #systemkrank gekommen?
    Christine Finke: Ich las gestern Abend einen Tweet von Dr. Alexandra Widmer, die sich auch für Alleinerziehende engagiert - sie ist Therapeutin und Buchautorin - und griff ihr Wording auf. Dass das System in vielerlei Hinsicht krank ist, besonders aus Sicht der Alleinerziehenden, beschäftigt mich ja schon länger, und das gestern war einfach eine spontane Reaktion von mir, was an und für sich nichts Ungewöhnliches für meinen Twitter-Account ist, aber offenbar sehr den Nerv traf. Alexandra und andere Follower griffen den Hashtag dann auf, und die Sache kam relativ schnell ins Rollen.
    Deutschlandradio Kultur: Was wollen Sie damit erreichen? Und wen?
    Christine Finke: Mir ging es erstmal darum, einen Gedanken weiterzutragen. Und Eltern zu bitten, aus ihrer Sicht auch etwas beizutragen. Wenn ich so eine "Welle" starte, dann um die Sichtbarkeit von Themen zu erhöhen, die mir am Herzen liegen. Dafür ist es gut, möglichst viele Stimmen einzufangen, die die ganze Bandbreite der Anliegen repräsentativ zeigen, so ähnlich wie bei Aktion #muttertagswunsch, wo man dann am Ende sieht, an welcher Stelle die Leute am meisten der Schuh drückt. Und natürlich möchte ich letztendlich die Politiker erreichen, und Dinge verändern. Das fängt halt in den Köpfen an.
    Deutschlandradio Kultur: Ist nicht die Gefahr groß, dass das Thema in der eigenen Filterblase verharrt?
    Christine Finke: Nehmen wir nochmal die Aktion #muttertagwunsch – da haben viele große Medien berichtet, übrigens auch das Deutschlandradio Kultur, und sogar die RTL-Abendnachrichten. Klar kann das nicht immer klappen, aber wir sehen ja, dass es funktionieren kann. Mit der Geschichte waren wir drei Initiatorinnen dann im September im Familienministerium eingeladen, um sehr ernsthaft und kontruktiv mit Petra Mackroth zu diskutieren. Filterblasen sind offenbar nach außen durchlässig.
    Deutschlandradio Kultur: Ein Hashtag #systemkrank wirkt natürlich wie eine Einladung an Pegida und Co., die ja unser demokratisches Gefüge als "krankes System" bezeichnen. Öffnen Sie da nicht unfreiwillig die Tore für Trolle?
    Christine Finke: Ja, und das war mir auch klar. Aber das kann ja kein Grund sein, sich nicht zu äußern. Ich halte es auch für eine Art digitaler Zivilcourage, wenn man sich von Bots und Trollen nicht mundtot machen lässt.
    Deutschlandradio Kultur: Was müsste sich ändern, damit dieses System nicht mehr "krank" ist?
    Christine Finke: Oh, ich wünschte, ich hätte darauf eine kluge Antwort. Eine Reply auf Twitter zu #systemkrank war, dass wir mehr über unsere Vorstellungen von Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Solidarität sprechen müssen, und ich glaube, das ist ein zentraler Punkt. Mein Anliegen ist es, Debatten zu führen, die mit Vorurteilen aufräumen. Damit benachteiligte Gruppen nicht untergehen - wie die Alleinerziehenden und ihre Kinder - oder sich radikalisieren. Beides halte ich für sehr gefährlich.
    Das Interview führte Andreas Buron, Online-Redakteur
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