Syrien und Israel

Angespannte Ruhe auf dem Golan

Israelischer Soldat auf den Golanhöhen
Bewohner auf dem Golan fürchten zunehmend um ihre Sicherheit. © AHMAD GHARABLI / AFP
Von Torsten Teichmann · 25.02.2016
Die Bewohner auf den von Israel kontrollierten Golan-Höhen bekommen den Krieg in Syrien am Rande mit: Schüsse sind zu hören, auch die Bombardements. An die angekündigte Waffenruhe glaubt niemand. Manche wünschen sich den Machthaber Assad zurück: "Es war wenigstens Ruhe an der Grenze."
Yossi hat gelernt, genau hinzuhören. Er verfolgt den Krieg in Syrien seit beinahe fünf Jahren von seinem Kibbutz aus. Sein Haus steht auf den von Israel kontrollierten Golan-Höhen. Die Waffenstillstandslinie zu Syrien ist keine drei Kilometer entfernt.
"Schüsse hören wir hier dauernd. Auch die Bombardierungen durch russische Flugzeuge. Und die machen ja auch manchmal Fehler. Sie überqueren die Grenzlinie und drehen wieder um. Aber im Großen und Ganzen sind wir sehr entspannt und haben keine Befürchtungen."
Und dann räumt der Familienvater doch ein, dass er begonnen hat, in der Nacht Rollos an den Fenstern zu schließen und Türen zu verriegeln. Das dumpfe Gefühl, die Unsicherheit wird ihm wohl noch eine Weile bleiben.

Niemand in Israel glaubt an die Waffenruhe

Denn in Israel glaubt derzeit keiner, dass die angekündigte Waffenruhe für Syrien zum Erfolg wird. So versucht Verteidigungsminister Moshe Ya’alon erst gar nicht, seine Skepsis zu kaschieren. Die Zustände in Syrien seien zu chaotisch, erläutert der Minister:
"Es fällt mir schwer in dieser Lage an eine stabile Waffenruhe zu glauben, an die sich alle Seiten halten. Da‘esh ist an diesem Prozess nicht beteiligt, Jabat Al Nusra auch nicht. Und die Russen sagen - solange die aktiv sind, werden wir sie angreifen. Ob das eine oder andere Element der Opposition auf der lokalen Ebene einer Waffenruhe zustimmt ist nur eine Seite. Eine allgemeine Waffenruhe sehe ich jedoch nicht am Horizont."
Israel mische sich nicht in die Konflikte in der Region ein, sagt Yaalon. Die Armee hat seit Beginn die Aufgabe, ein Übergreifen der Kämpfe auf von Israel kontrolliertes Gebiet zu verhindern. Und Israel setzt auf Abschottung, um sich vor syrischen Flüchtlingen zu schützen.
Aber auch das wird immer schwieriger: Auf dem Golan, jenseits der Waffenstillstandslinie, in der Nähe des Hügels Hader haben syrische Flüchtlinge jetzt Zelte bezogen. Mitten in der Pufferzone zwischen den von Israel kontrolliertem Golanhöhen und Syrien. Es sind einzelne, große, weiße Zelte, wie man sie von Bildern aus Flüchtlingslagern kennt. Wäsche hängt davor. Eine Satellitenschüssel ist an einem Zelt zu erkennen. Die Familien haben auch Tiere.

Eine Sicherheitszone an der israelischen Grenze?

Kamal Al Labwani, ein Vertreter der syrischen Opposition, bemühte sich in Israel um Zustimmung für einer Sicherheitszone für Zivilisten in dem Gebiet:
"Europa und Deutschland wollen doch nicht noch mehr Flüchtlinge aufnehmen. Statt nach Europa zu fliehen, sollten sich die Menschen an der Grenze zu Israel ansiedeln dürfen. Dort ist es sicher. Israel sollte das unterstützen. Israel hat Interesse an friedlichen Nachbarn, statt Hisbollah oder anderen Gruppen, die Israel angreifen könnten."
Sichere Grenzen im Gegenzug für humanitäre Hilfe – eine bereits bekannte Formel aus diesem Krieg. Eine offizielle Antwort der israelischen Regierung bleibt aus.
Aber die Tatsache, dass Israel den syrischen Oppositionspolitiker einreisen lässt, dass Labwani in Jerusalem eine Pressekonferenz geben kann, das sind deutliche Hinweis, auf wen die Regierung Netanjahu setzt. Nämlich auf die gemäßigten Rebellen und nicht auf eine Rückkehr des Assad-Regimes.
Einige Bewohner auf dem Golan halten das für falsch. Fayha zum Beispiel aus dem Dorf Majdal Shams. Sie wünscht sich eine Rückkehr des syrischen Machthabers Assad. Sie hofft auf ein Ende des Krieges - seit dem Eingreifen des russischen Militärs in den Konflikt:
"Ja, wir sind sehr glücklich darüber. Jetzt wird bald alles vorbei sein, in ein bis zwei Monaten, mit Gottes Hilfe. Es ist eine Schande, dass ein Volk so niedergemetzelt wird. Mir macht das Angst, ich will das nicht im Fernsehen sehen. Meine Tochter ist erst vier und sie kann schon Da’esch sagen. Sie weiß schon was Da’esch ist."
Da’esch, so nennt Fayha die radikalen Milizen des sogenannten Islamischen Staates. Fayha gehört zu einer Minderheit, zur Gruppe der syrischen Drusen. Und die fühlen sich durch den Vormarsch der Islamisten bedroht. Aber auch durch die Rebellen der Opposition und die Kämpfer der Al-Nusra-Front.

"Mich hat Assad nie gestört"

Aber auch Yossi, der als Siedler auf den Golan kam und blieb, hat Sehnsucht nach der Zeit vor fünf Jahren.
"Ich würde mir wünschen, dass alles wieder wird, wie es war. Mich hat Assad nie gestört. Es war wenigstens Ruhe an der Grenze. Ich bin jetzt ganz eigennützig, verstehst Du, schau nur auf mein Interesse. Aber ich weiß natürlich auch, dass wenn Assad zurückkommt, dann ist da auch Iran."
Iran gilt in Israel als strategische Gefahr - auch nach dem Atomdeal mit dem Westen. Das Regime in Teheran ist ein wichtiger Verbündeter von Assad. Iranische Militärs beraten die Truppen des Machthabers. Israel wirft Iran vor, Angriffe auf israelisches Gebiet von Syrien aus zu planen. Teheran unterstütze zudem die libanesische Hisbollah.
Deshalb setzt die israelische Regierung auf die gemäßigten Rebellen. Das Militär pflegt syrische Kämpfer. Es gibt Spekulationen über Abmachungen, die darüber hinausgehen – aber auch darüber spricht niemand. Israels Militär greift Ziele in Syrien an, wenn der Staat die eigene Sicherheit in Gefahr sieht.
Darüber hinaus will die Regierung Netanjahu ihre öffentliche Zurückhaltung nicht aufgeben. Aber wie wird sie sich verhalten, wenn Assad tatsächlich zurückkehrt und die westlichen Staaten ihre Unterstützung für die syrische Opposition ganz vergessen.
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