Syrien-Konflikt

Politologe: Friedenskonferenz ist alternativlos

Ein syrischer Soldat mit Maschinengewehr an einem Kontrollpunkt in Damaskus.
Was bringen Friedensverhandlungen für Syrien (hier ein Soldat in Damaskus)? © picture alliance / dpa / Mikhail Pochuyev
Moderation: Korbinian Frenzel · 13.01.2014
Elias Perabo von der Hilfsorganisation "Adopt a Revolution" kritisiert im Deutschlandradio Kultur die Politik des Westens. Die ehemaligen Giftgas-Opfer in Syrien seien "im Stich gelassen" worden.
Korbinian Frenzel: "Auf dem Schlachtfeld wird es nur noch weitere Opfer geben, aber keine Entscheidung, erst recht nicht im Sinne der Opposition." Frank-Walter Steinmeier hat das gesagt, gestern in Paris, die Freunde Syriens haben sich getroffen, dieser Kreis aus westlichen und arabischen Staaten, die die gemäßigte Opposition gegen Assad unterstützen. Das Treffen hatte vor allem ein Ziel: die Opposition an den Verhandlungstisch zu holen, sie zu überzeugen, dass sie an den Friedensverhandlungen in der Schweiz teilnehmen wird in knapp zehn Tagen. Allerdings mit mäßigem Erfolg. Die Opposition zögert nach wie vor. Ich spreche jetzt mit Elias Perabo, er hat mit anderen die Aktion gestartet "Adopt a Revolution", ein Hilfsprojekt für eben diese moderate Opposition in Syrien. Herr Perabo, einen schönen guten Morgen!
Elias Perabo: Guten Morgen!
Frenzel: Manövriert sich die Opposition endgültig ins Abseits, wenn sie an diesen Verhandlungen nicht teilnimmt?
Perabo: Ja, das macht sie, weil die Konferenz in Genf alternativlos ist, auf einer Sicht, sozusagen, es ist der richtige Schritt, diesen Konflikt entweder auf das politische Level zu heben, hier hat auch die internationale Gemeinschaft viel zu lange gezögert. Allerdings muss man gleichzeitig auch verstehen, warum die Opposition so skeptisch ist.
Frenzel: Warum ist das so?
Die Menschen vor Ort im Stich gelassen
Perabo: Es gab immer wieder Rückschläge, immer wieder Frustration im Land selber über die internationale Gemeinschaft. Lassen Sie mich ein Beispiel geben aus den Vororten von Damaskus. Dort, wo sozusagen vor einem halben Jahr Giftgas eingesetzt wurde. Diese Gebiete sind heute vom Regime eingeschlossen. Die Überlebenden von damals, des Giftgases, sind heute vom Hunger bedroht, und es sterben wirklich Leute von vor Ort. Da haben die Leute ganz deutlich das Gefühl, hier hat sich der Westen zwar um das Giftgas gekümmert, was ganz wichtig ist und was geostrategisch natürlich bedeutend ist, aber sie vor Ort im Stich gelassen, ihr Leiden überhaupt nicht wahrgenommen. Und das führt natürlich zu einer sehr großen Skepsis der internationalen Gemeinschaft gegenüber der Aktivität sozusagen in Syrien.
Frenzel: Die letzten Wochen und Monate waren ja geprägt durch den Vormarsch der Dschihadisten, der Al-Qaida-nahen Gruppen. Mittlerweile bekämpfen sich die Oppositionsgruppen untereinander. Ich habe gestern auf Ihre Webseite geguckt. Sie schreiben da als ihr Motto, Sie wollen den syrischen Frühling unterstützen. Muss man nicht ehrlich sagen, dass der schon lange gescheitert ist?
Perabo: Der syrische Frühling ist in der Tat, so wie wir ihn kennen, gescheitert. Die Menschen, die vor knapp drei Jahren inzwischen für Freiheit und Demokratie auf die Straße gegangen sind, von dieser Aufbruchsstimmung ist sehr, sehr wenig übrig. Sie haben das ja gerade geschildert, inzwischen gibt es sehr unterschiedliche Konfliktparteien, es ist kein bipolarer Konflikt mehr zwischen der Opposition und Assad, sondern sehr unterschiedliche Gruppen mit sehr unterschiedlichen Interessen sind inzwischen in Syrien aktiv. Trotzdem muss man – und genau das ist sozusagen diese Funktion nun auch – muss man anfangen zu sagen, wir müssen den zivilen Widerstand, den es noch vor Ort gibt, die Leute, die eine zivile Infrastruktur aufbauen, die Leute, die zivile Projekte, Schulen und so weiter, aufbauen, vor Ort, gerade die müssen wir in der Zeit unterstützen, weil sonst bleibt sozusagen nur noch das Grauen in Syrien übrig.
Frenzel: Wie kann man sie unterstützen? Mit Waffen am Ende auch?
Dezentrale Lösungen suchen
Perabo: Nein. Ich glaube, die Zeit von Waffen ist vorbei. Und vor allem ist die Sache die, dass mehr Waffen in Syrien garantiert nicht zu einer Lösung führen. Was wir brauchen iast eine Unterstützung, einmal eine politische Unterstützung, der Versuch von Genf, auch wenn er sehr wenig Erfolgsaussichten hat. Und noch wichtiger ist aber, nicht alles nur auf diese Genf-Karte zu setzen, sondern dezentrale Lösungen zu suchen, in die unterschiedlichen Regionen reinzugucken, zu verstehen, dass es sich in Syrien um einen dezentralen Konflikt mit sehr vielen Konfliktlinien handelt, und genau dort anzusetzen. In der zivilen Verwaltung, bei Schulen, bei Zukunftsprojekten, die vor Ort entstehen. Und die brauchen ganz dringend Unterstützung.
Frenzel: Wenn ich Sie mal zusammenfasse – Sie haben wenig Hoffnung auf die Diplomatie, aber noch ein bisschen Resthoffnung – Sie sehen militärisch keine ernsthafte Option, von außen einzugreifen. Was bleibt denn dem Land? Was bleibt den Menschen? Nur noch die Erwartung eines langen Bürgerkrieges?
Perabo: Nein, den Menschen bleibt in der Nebenzeit in der Tat sehr wenig Hoffnung. Ich hab nicht gesagt sozusagen, dass Diplomatie aussichtslos ist, sondern ich glaube, es ist der richtige Schritt, und wir müssen genau dies probieren. Ich warne nur davor, dass man alles auf diese eine Karte setzt. Das ist in der Vergangenheit, also gerade bei diesen UN-Resolutionen gemacht und gesagt, wir haben versucht, etwas zu verhindern, und dann ist aber nichts passiert, und jetzt können wir nichts mehr machen, dass darf nicht wieder passieren, es darf nicht so passieren wie im letzten Jahr, wo eigentlich ein Jahr Stillstand auf dem internationalen Parkett zu Syrien entstanden ist, sondern man muss einen alternativen Plan haben, man muss in diese Regionen gehen. Schauen Sie etwa in den Norden, wo es eine kurdische Selbstverwaltung gibt, wo es ein Moment von auch Aufbruch gibt, wo längst Strukturen entstanden sind. Ich glaube, genau die muss man jetzt unterstützen, damit nicht auch diese noch untergehen. Und das ist, glaube ich, diese Hoffnung an das Neue bleibt den Menschen noch immer noch.
Frenzel: Ich finde es erstaunlich, wie ruhig, wie sachlich Sie über diese Sache reden. Sie haben sich da ja sehr engagiert. Gibt es da manchmal bei Ihnen auch Momente des Zorns, auch mit Blick auf den Westen, auf vertane Chancen, versäumte Gelegenheiten, in diesem Konflikt etwas zu tun, was ihn hätte beenden können?
"Die EU hat diesen Konflikt mehr verwaltet denn gestaltet"
Perabo: Ganz sicher. Ich glaube, in der Vergangenheit sind sehr viele Optionen dazu vergeben worden. Ich glaube, es gab sehr viele Möglichkeiten, viel früher und intensiver eine Politik wirklich für Syrien zu gestalten. Es ist sehr stark der Eindruck entstanden, der Westen, vor allem die Europäische Union hat diesen Konflikt mehr verwaltet als ihn wirklich mitgestaltet. Es gab keine stringente Syrien-Politik für diesen Konflikt. Das rächt sich nun jetzt, wo immer stärker dschihadistische Positionen in Syrien stärker werden, wo international Dschihadisten zu Syrien dazu fliegen. Und hinzu kommt natürlich noch die wirklich beschämende Reaktion auf die Riesen-Flüchtlingsdramatik, die dieses Land irgendwie hervorgebracht hat. Wir sprechen von Millionen von Flüchtlingen, allein im Libanon, einem Land, das halb so groß ist wie Hessen, sind 900.000 Flüchtlinge. Wenn man bedenkt, dass Deutschland gerade mal bereit ist, zehntausend Flüchtlinge aufzunehmen, ist das doch beschämend. Hier braucht es mindestens eine Anzahl wie 100.000 Flüchtlinge, um wirklich die Nachbarländer, aber auch der humanitären Katastrophe gerecht zu werden.
Frenzel: Elias Perabo von der Aktion "Adopt a Revolution", Hilfe für die Opposition in Syrien. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Perabo: Bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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