Syrien

"Assads Macht ist nicht gefährdet"

Ein blaues großes Schiff liegt vor einem Hafen, flankiert von zwei kleineren Schlepperschiffen.
Das dänische Schiff Ark Futura, beladen mit syrischen Chemiewaffen, beim Einlaufen in den italienischen Hafen Gioia Tauro. © dpa/picture alliance/Franco Cufari
Heiko Wimmen im Gespräch mit Julius Stucke · 27.09.2014
Die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen ist erfolgreich, hat aber nicht dazu geführt, den Konflikt in Syrien zu beenden, bedauert der Nahost-Experte Heiko Wimmen. So würden seiner Meinung nach nur Bodentruppen helfen, "das Problem endgültig an der Wurzel zu packen".
Julius Stucke: Das britische Unterhaus hat für Luftschläge gegen den Islamischen Staat im Irak gestimmt. Auch Großbritannien könnte also an diesem Wochenende schon Angriffe gegen IS fliegen. Um Angriffe auf syrischem Gebiet ging es dabei gestern noch nicht in der britischen Politik, aber die US-Luftwaffe hat auch heute Nacht wieder Angriffe gegen IS in Syrien geflogen. Cornelia Wegerhoff berichtet.
Cornelia Wegerhoff berichtete aus dem ARD-Studio Kairo. Der Islamische Staat ist es, der gerade als das große Übel im Nahen Osten gilt. Es ist aber nicht so lange her, da galt in den Augen des Westens ein Mann als Übeltäter Nummer eins in der Region: Syriens Machthaber Assad. Im Sommer des vergangenen Jahres überschritt er die von US-Präsident Obama ausgerufene rote Linie und setzte Chemiewaffen ein. Aber weder Amerika noch Großbritannien entschieden sich damals für Luftangriffe gegen Assad. Das einzige, worauf sich der UN-Sicherheitsrat einigen konnte, war internationale Kontrolle und Vernichtung der Chemiewaffen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach damals von einer historischen Resolution. Heute vor einem Jahr war das. Wie sieht es mit der Umsetzung dieser Resolution aus, ein Jahr danach? Darüber spreche ich mit Heiko Wimmen. Bei der Stiftung Wissenschaft und Politik forscht er über den Nahen und Mittleren Osten und ist seit Anfang des Jahres in Kairo. Die Frage an ihn: Kann man denn heute sagen, Resolution erfolgreich und abschließend umgesetzt?
Heiko Wimmen: Nun, wenn man davon ausgeht, was drin steht in der Resolution, sprich Chemiewaffen müssen vernichtet werden, aus Syrien entfernt werden, dann ist das sicherlich erfolgt. Wenn man die Nachrichten verfolgt, was in Syrien passiert, hat das sicherlich nicht dazu beigetragen, dass der Konflikt dort beendet wird oder dass es weniger Opfer gibt.
Stucke: Und es gab neue Vorwürfe im August, Vorwürfe des UN-Menschenrechtsrates, der Verdacht, Assads Armee habe im April erneut chemische Waffen eingesetzt. Wie passt das zusammen mit dem Versuch, die Chemiewaffen zu vernichten?
Assad nutzt den jeweiligen Spielraum gekonnt aus
Wimmen: Nach dem, was ich dazu weiß, hat es sich dabei um Substanzen gehandelt, die tatsächlich von dieser Resolution nicht erfasst waren. Aber was man einfach sagen muss, Herr Assad hat in dem vergangenen Jahr mit ganz konventionellen Waffen weitere Zehntausende von Syrern getötet, und ob nun da tatsächlich da im August dann wiederum chemische Waffen eingesetzt werden, macht für die Leute, die mit den konventionellen Waffen getötet werden, sicherlich keinen Unterschied.
Stucke: Das heißt, Assad schafft es, wie in so einer Art unendlicher Geschichte, immer direkt auf der roten Linie herumzutänzeln und das für sich auszunutzen und dann doch am Ende immer an der Macht zu bleiben?
Wimmen: Ja, man muss das einfach so sagen. Er hat das in der Vergangenheit, in den vergangenen drei Jahren sehr geschickt und natürlich auch mit viel Unterstützung von seinen ausländischen Bündnispartnern, Russland vor allen Dingen, geschafft. Er hat immer wieder auf brutalste Weise die Opposition bombardiert, bekämpft, Zivilisten getötet und dabei keine Skrupel gezeigt und ist jedweden oder weitgehend jedweden Sanktionen oder Bestrafungsmaßnahmen immer wieder entkommen.
Stucke: Nun gibt es seit dieser Woche Luftangriffe der USA und verbündeter Staaten gegen den Islamischen Staat, auch in Syrien. Wie wirkt sich das Ihrer Einschätzung nach auf den syrischen Bürgerkrieg aus? Stärkt es die Opposition?
Assads Macht ist nicht gefährdet
Wimmen: Die Angriffe auf den Islamischen Staat werden nach meiner Einschätzung dazu führen, dass sich die Situation für die nicht-islamistische Opposition in Syrien sicherlich entspannt. Die haben in der Tat in der Vergangenheit an zwei Fronten gekämpft, gegen Assad und gegen den Islamischen Staat. Herrn Assads Macht ist zurzeit sowieso nicht gefährdet, es sei denn, man würde sich entschließen, dass man nun tatsächlich sagt, wir machen reinen Tisch, wir greifen in Syrien ein und senden Bodentruppen, um eben auch Herrn Assad zu entmachten und das Problem endgültig an der Wurzel zu packen. Da gibt es keinerlei Anzeichen zu. Und Herr Assad selber ist durch diesen Islamischen Staat nicht wirklich bedroht. Alle seine Versuche, sich dem Westen anzudienen als Partner gegen den Islamischen Staat, waren erfolglos, und nach all dem, was dieses Regime auf sich geladen hat, kann das kein Partner sein, nicht einmal gegen eine Organisation wie den Islamischen Staat.
Stucke: Sagt Heiko Wimmen von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Herr Wimmen, vielen Dank fürs Gespräch!
Wimmen: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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