Syrer besuchen Gedenkstätte Buchenwald

Flüchtlinge informieren sich über den Holocaust

Ein Wachtum in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald.
Deutsche Studenten und Flüchtlinge aus Syrien haben die Gedenkstätte in Buchenwald zusammen besucht. © imago / Ulli Winkler
Von Henry Bernhard · 25.07.2016
Viele syrische Flüchtlinge wissen wenig über den Holocaust. Bei einer Exkursion ins ehemalige KZ Buchenwald ging es aber auch darum, wie die Gedenkstätte geflüchteten Besuchern die deutsche Geschichte besser vermitteln könnte.
"Also, wir sind hier zur Gedenkstätte Buchenwald gekommen. Das hier also ist das Gelände des ehemaligen KZs Buchenwald."
Vor einem Übersichtsplan des KZs Buchenwald steht Rainer Prass von der Uni Erfurt und versucht, in Worte zu fassen, was damals geschehen ist.
"Solche Konzentrationslager sind Bestandteil gewesen des Herrschaftssystems des Nationalsozialismus."
Jedes seiner Worte wird ins Arabische übersetzt, denn vor ihm steht eine Gruppe junger Flüchtlinge zusammen mit deutschen Studenten. Der Besuch der KZ-Gedenkstätte Buchenwald ist Teil eines Integrationsprojekts. Birgit Schäbler leitet den Kurs. Sie lehrt Geschichte Westasiens an der Universität Erfurt.

Auch Syrer waren inhaftiert

"Es ist auf jeden Fall eine schwierige Aufgabe. Das Problem ist ja, dass junge Menschen aus den arabischen Ländern kein Vorwissen haben, weil sie weder in der Schule noch im Studium damit konfrontiert werden. Aber ich bin eigentlich schon mit ganz guten Gefühlen hochgekommen mit der Gruppe, denn wir haben es ja bereits letzte Woche vorbereitet, mit einem Film über den Aufstieg Hitlers und das Dritte Reich. Und da sind grundlegende Fragen schon mal geklärt worden."
Es geht hinein ins Lager, über den Appellplatz, hin zu einer Metallplatte, die immer 37 Grad hat.
"Also, 37 Grad, das ist die Körpertemperatur. Sie verbindet jeden Menschen. So, in diesem Lager waren Menschen aus über 50 Nationen inhaftiert."
Auf der Gedenkplatte stehen die Namen all der Länder, aus denen die Häftlinge kamen. Viele Länder, in denen Muslime leben, sind dabei: Bosnien, Indonesien, auch Syrien. Die jungen Leute hören gebannt zu. Und stellen Fragen.
"Wie die Syrer hierher kamen?"
"Als Kriegsgefangene. Sie waren ja Mitglieder alliierter Streitkräfte, und als solche sind sie dann ins Kriegsgefangenenlager gekommen."
Ein 26-jähriger Iraker, Anas Al-Jubori, ist skeptisch hierher gekommen. Die Deutschen haben Juden umgebracht, ja, aber schikanieren und töten die Israelis heute nicht die Palästinenser? Jetzt unterhält er sich sichtlich berührt mit zwei Studentinnen.

Wie konnte Hitler solchen Hass schüren?

"I can't imagine to live in this place. To have this place to kill people and to tor."
"… torture them!"
"Beside this wall another life! People lived very good and they had their own houses and they come just to torture people. That is not cool or funny."
"You are right!"
Dass Menschen vor dem Zaun ihrem alltäglichen Leben nachgingen und hinter dem Zaun andere gequält und ermordet wurden, kann er sich nur schwer vorstellen. Wie es Hitler geschafft hat, so viel Hass zu schüren, bewegt ihn.
"…how he made people hate!"
"Hate other people!"
"This kind of hate! Where does it come from? And how he made people change their minds! This is crazy!"
Auf dem Weg zum Krematorium die Belehrung, sich dort angemessen zu verhalten.

Fotos im Krematorium

"Darf man fotografieren, Herr Faaß?"
Ja, darf man. Und die jungen Syrer und Iraker tun es auch, gehen sehr nah ran an die Öfen, in denen die SS die Leichen der Ermordeten verbrannt habe.
"Was ist denn das arabische Wort für Urne?"
Der Dolmetscher weiß es nicht. Moslems verbrennen keine Leichen. Anas Al-Jubori fragt mit belegter Stimme, wer denn die Leichen verbrannt hat. Als er erfährt, dass es meist gar keine Urnen für die Verwandten gab und wenn, dann mit gemischter Asche, ringt er um Worte.
"Like now I'm feeling bad."
"… like something wrong happened here. Like no matter if I have information or not somehow I understand."
Ein Horror, findet er.
"It is horror, horror-like."
Kurze Zeit später, in der Ausstellung über das KZ. Eine Gruppe junger Araber steht um einen Prügelbock, ein Holzgestell, auf das Häftlinge bäuchlings geschnallt wurden, um ausgepeitscht zu werden.
"In Syria wir haben das. Wir haben diese Situation, diese Maschine. Normal - die Polizei machen das mit den Leuten."
Draußen ist Anas Al-Jubori sehr nachdenklich.
"Ich bin traurig, sehr traurig über das, was geschehen ist. Es darf niemals als Rechtfertigung dafür dienen, irgendwo anders wieder Menschen zu töten. Es ist gut, dass in Buchenwald daran erinnert wird, was damals geschehen ist."
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