Symbolik und nette Spielereien

Von Carsten Probst · 31.01.2011
Im digitalen Zeitalter müssen auch Festivals umdenken. So möchten die Macher der Transmediale im Haus der Kulturen der Welt in Berlin mit mehr Live-Aktionen und interaktiven Erlebniswelten die Besucher für die Kunst begeistern.
Die mysteriös-wissenschaftliche Sound- und Bilderwelt des Filmemachers Reynold Reynolds ist ein gutes Intro zur diesjährigen Transmediale. In dem abgedunkelten Saal hinter dem Foyer sind mehrere Leinwände aufgehängt, auf denen seltsame Untersuchungen an menschlichen Körpern vorgenommen werden, subtil erotisch inszenierte Übergänge von Mensch zu Maschine und zurück, und in dem Parcours hindurch kann man sich schon einmal verirren.

Die Transmediale selbst möchte gerne wieder ein wenig uneindeutiger, überraschender werden, die feste Programmstruktur verflüssigen, und die Schlagzeilen, die Google Street View, Facebook oder WikiLeaks in den letzten Monaten zum Thema Datensicherheit und soziale Netzwerke geliefert haben, sind für Stephen Kovats als künstlerischem Leiter eine willkommene Gelegenheit, das in die Jahre gekommene Festival zu aktualisieren.

"Man kann schon mit Gewissheit sagen, dass für die breite Gesellschaft ist die Bedeutung und die Kraft und die Möglichkeiten des Internets wirklich seit anderthalb oder zwei Jahren angekommen. Und natürlich seit den Geschichten mit WikiLeaks, natürlich jetzt auch, was jetzt in Tunesien und so weiter los ist, sind auch die individuellen Möglichkeiten des Internets sichtbar geworden."

Mehr Performance, mehr Live-Erlebnis, weniger statische Kunstwerke und Installationen – das Publikum soll das Gefühl haben, direkt mitzuwirken an den Arbeiten und Projekten, die als Prozesse angelegt sind und über die ganze Festivalwoche weiter entstehen. Die Künstler und Projektleiter sind in der Regel die ganze Zeit anwesend und ansprechbar, und die fünf Themengebiete sind nicht mehr scharf voneinander getrennt, auch wenn die Inhalte selbst gegenüber den früheren Festivals mehr oder weniger immer die gleichen geblieben sind.

Die "Open Zone" im Foyer des Hauses der Kulturen der Welt ist ein klassischer Meeting Point, wo sich die Social Network Gemeinde versammeln und Debatten anstoßen soll. Es geht um das Stammthema der Transmediale, die alte Forderung nach Open Sources, offenem Internet. Neu ist hier der Open Web Award, der zusammen mit der Mozilla Foundation eingerichtet wurde, um die Gefahren von Zensur und Selbstzensur im Internet zu thematisieren.

Aber es geht traditionell immer auch um das große Ganze, wie zum Beispiel Kapitalismuskritik. Kuratorin Ela Kagel:

"Das ist "The Currency of the Commence" und wir haben hier auch täglich und fast stündlich wechselndes Programm, wir werden hier zum Beispiel Kelly Sutton zu gast haben, der seine privaten Besitztümer verkauft, er hat das schon begonnen das Projekt, "The Cult of Less" nennt sich das, und er ist der Meinung, je weniger man besitzt, desto besser ist es, und Sie können ihm dann helfen, noch glücklicher zu werden, indem Sie seine Sachen abkaufen. "The Future of Money" findet hier statt, also hier geht es eben darum: Wie werden wir in Zukunft uns bezahlen und welche anderen Formen von nicht monetären Tauschsystemen kann es geben."

"The Cult of Less", Kult des Weniger, betreibt Stephen Kovats auch im Bereich der Ausstellung, wo üblicherweise Medienkunst präsentiert wird. Diesmal aber wird ein direkter Übergang zu den Netzaktivisten geschaffen. Der Titel dieser Sektion ist Programm: "HackA Way" - ein interaktives Spielfeld mit sechs Hauptinstallationen.

"Auf dieser Seite hier ist Uebermorgen.com zusammen mit dem kenianischen Künstler Otieno Gomba mit einem Projekt, das WOPPOW heißt, also 'War on Pirates/Prisoners of War"' Übermorgen.com ist Vielen bekannt als Netzaktivisten. Dieses Projekt geht um Pirate Fashion, aber spricht die Themen von Piraterie und Freiheit an und gibt halt einfach einen ganz anderen Blick auf diese Problematik."

Einige dieser Projekte sind auch für den traditionell vergebenen Transmediale Award nominiert, wie zum Beispiel "Macht Geschenke" der Medienkünstlerin Christine Lahr, die jeden Tag einen Cent an das Bundesfinanzministerium überweist, zusammen mit 100 Zeichen aus Karl Marx’ "Das Kapital" in der Betreffzeile des Überweisungsvordrucks. Ihrer Berechnung zufolge wird sie dabei die nächsten 34 Jahre diesen Dauerauftrag aufrecht erhalten, ehe die komplette Bibel der Kapitalismuskritik auf diesem Weg an das Ministerium komplett überwiesen sein wird.

Vieles aber bleibt, bei aller Bemühung um ein wenig subversive Praxis, im Bereich der symbolischen Handlungen und netten Spielereien. Stephen Kovats hat in seinen vier Jahren als künstlerischer Leiter nichts daran ändern können, dass die Transmediale als kultureller Leuchtturm harmlos geworden ist und der Bundeszentrale für Politische Bildung letztlich näher steht als der Kulturkritik. Aber das wollte er nicht als Grund dafür gelten lassen, dass er nach Ende das Festival 2011 nach relativ kurzer Zeit schon wieder seinen Posten an Christopher Gansing weitergibt.

""Ich finde es auch gar nicht so schlecht, in einer Art Veranstaltung wie der Transmediale das vielleicht in einem Drei-Jahres-Turnus zu machen, zumindest auf der Ebene der künstlerischen Leitung","

schlägt Kovats sogar vor und verabschiedet sich mit warmen und versöhnlichen Worten. Ob aber häufigere Führungswechsel die inhaltlichen Fragen und Probleme der transmediale in Zukunft lösen können, bleibt abzuwarten.
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