Surreale Vertonung eines Kultromans

Von Uwe Friedrich · 01.12.2012
Vom lässigen Duke-Ellington-Jazz über die sowjetische Musik-Avantgarde bis zu Musical-Anklängen ist alles drin in Edison Denisovs Oper "Der Schaum der Tage" nach Boris Vians Kultroman "L’écume des jours". In Stuttgart wurde sie 16 Jahre nach der Pariser Uraufführung neu inszeniert.
Darin geht es um die Gedanken, Worte und Werke von zwei jungen Paaren im Paris der 40er-Jahre. Colin und Chloé genießen gerade ihre Flitterwochen, als sie einer merkwürdigen Krankheit anheim fällt. In Chloés Lunge wächst eine Seerose, die sie am Atmen hindert. Die Ehe von Chick und Alise kriselt hingegen, weil er alles Geld für die Schriften ihres Philosophielehrers Jean-Sol Partre ausgibt, mit dem natürlich Jean-Paul Sartre gemeint ist.

Schließlich kommt die Polizei, will die Schriften beschlagnahmen, Chick wird beseitigt, Alise stirbt beim Versuch, die Dokumente zu verbrennen, und Chloé erliegt ihrer rätselhaften Krankheit. Einzig Colin bleibt übrig und diskutiert mit dem desillusionierten und unbeteiligten Jesus.

Kein Wunder, dass dieses 1981 vollendete surreale Werk in der Sowjetunion nicht aufgeführt werden konnte. Dabei war der 1996 in Paris verstorbene Edison Denisov einer der führenden sowjetischen Komponisten der Generation nach Schostakowitsch, von dem er sehr gefördert wurde. Wie kein anderer unterstützte der studierte Mathematiker Denisov den musikalischen Austausch zwischen den politisch und ästhetisch getrennten Blöcken im Osten und Westen, kannte selber keine Grenzen zwischen den Genres und Stilen.

Das zeigt sich auch in seiner Oper "Der Schaum der Tage", die von französischer Kammermusik ebenso beeinflusst ist wie von katholischen Kirchenklängen oder klassisch-russische Symphonik.