Supersize me revisited

17.02.2007
Der schwedische Professor Fredrik Nyström hat 18 freiwillige Studenten engagiert, um die Folgen einer massiven Überernährung bei Bewegungsarmut zu überprüfen. Dazu mussten die Studenten ihre Kalorienzufuhr mittels Fastfood verdoppeln und sollten sich so wenig wie möglich bewegen. Dazu bekamen sie sogar Freikarten für den Nahverkehr.
Es wurde an den Probanden so ziemlich alles untersucht, was nicht niet- und nagelfest war. Neben den bekannten und üblichen Parametern vieles, was nur Spezialisten kennen oder beherrschen. Dazu zählen neben der psychischen Befindlichkeit unter anderem alle 30.000 menschlichen Eiweiße.

Hintergrund: Vor einiger Zeit machte ein amerikanischer Dokumentarfilmer namens Morgan Spulock in Furore. Er hatte sich vier Wochen lang die Produkte von McDonalds bis zum Erbrechen reingequält. All das hat er – zusammen mit den dramatischen Folgen für seinen Körper – in dem Film "Super Size Me" effektvoll in Szene gesetzt. Er nahm in den vier Wochen zwölf Kilo zu, wurde impotent, bekam beinahe einen Leberschaden und sein Cholesterin schoss in astronomische Höhen. Er wurde fett, faul und depressiv. Zumindest behauptete er das. Vor allem die Deutschen waren tief beeindruckt. Er bekam nicht Beifall von zahlreichen Eltern, die endlich ihre Kinder eindrucksvoll vor Fastfood warnen konnten, auch Ernährungsfachgesellschaften waren entzückt, schließlich war erstmals einem Filmemacher geglückt, was die Wissenschaft bisher nicht zuwege gebracht hatte: einen Beweis, das Fastfood gefährlich ist. Nyström wollte dieses Experiment einfach nur wiederholen – aber diesmal mit wissenschaftlicher Begleitung.

Ergebnisse: Es kam völlig anders als im "Dokumentarfilm". Zunächst einmal fielen die Ergebnisse sehr unterschiedlich aus. Einige Teilnehmer nahmen bis zu fünf Kilo zu – davon kurioserweise manchmal die Hälfte in Form von Muskelmasse. Und das durch Verzicht auf Sport! Bei anderen tat sich gar nichts und nur einer setzte unter dem stressigen Fressprogramm schnell Fett an. Bei den psychologischen Tests war nicht die Gewichtszunahme das Problem, sondern das stete Völlegefühl und der damit verbundene Wunsch ein paar Schritte laufen zu dürfen – was aber nicht gestattet war. Am meisten waren die Versuchspersonen darüber schockiert, wie unglaublich schwer es war, die geforderten Kalorien zu verzehren. Manch einer musste, um das Soll zu erfüllen, nach einer Fressorgie sich vor dem Zubettgehen noch ein Glas Speiseöl reinquälen, damit er sein tägliches Soll schaffte. Der Körper versuchte sich durch Hitze und Schweiß der Kalorien zu entledigen.

Diese Eindrücke bestätigen, was man seit langem weiß: Die Verzehrsmenge unterliegt einer biologischen Kontrolle. Es ist sehr schwer, mehr zu essen als man will. Niemand der dick wird, hat sich vorher hingesetzt und sich entschieden mehr zu essen, um endlich wie ein Pfannkuchen aufzugehen. Umgekehrt leiden Menschen, die weniger essen sollen, als ihr Appetit verlangt, ständig Hunger, ihr ganzes Denken dreht sich ums Essen.

Die biochemischen Untersuchungen brachten gleichermaßen Überraschungen. Speziell das Cholesterin macht den Fachleuten nun Kopfzerbrechen: Während Spurlock über einen massiven Cholesterinanstieg klagte, tat sich bei Nyströms Probanden gar nichts. Na ja, ein klein wenig schon – aber leider in die falsche Richtung. Je mehr sie fraßen, desto besser wurden ihre Blutfette: Das LDL sank sogar bei einem Teil, das "gute" HDL stieg hingegen.

Übrigens: Am Ende des Experiments hatten alle wieder das angefutterte Gewicht ganz von selbst verloren. Sie sehen wie schwierig, ja unmöglich es ist, durch mutwillige Fresserei auf Dauer an Gewicht zuzulegen. Das bestätigen übrigens zahllose Experimente des letzten Jahrhunderts, insbesondere zu Zeiten als es besonders schick galt, über große Fettreserven zu verfügen.

Fazit: Wie kam dann Spurlocks Film zustande? Genauso wie andere Produktionen aus Hollywood. Er nahm vorher Cholesterinsenker, die er später absetzte. Beweis: Am Ende des Experimentes war sein Cholesterinspiegel mit 230 nicht in astronomischer Höhe, sondern völlig normal. Pathologisch an der Grenze des Tolerierbaren lag er kurioserweise vor Beginn des Films. Während des Experiments griff er womöglich zu Schilddrüsenhormonen – daher das aufgeschwemmte Erscheinungsbild. Und für die Gewichtszunahme schluckte er Anabolika. Beweis: Leberschaden und Impotenz.

Dass sich ein Filmemacher, der zugleich Hauptdarsteller, Produzent und Finanzier ist, während der Produktion nicht bewegt und am Set keine Kalorien verbraucht, ist unglaubwürdig. Filmemachen ist harte, kalorienfressende Arbeit. Und dann gibt es auch noch ein Drehbuch, das pingelig die einzelnen Szenen und Effekte vorausplant. Schließlich kann man das Ergebnis eines solch teueren Projekts nicht dem Zufall überlassen. Wäre es so ausgegangen wie Nyströms Experiment, hätte man Spurlock nur ausgelacht. Wollte man den Film "Supersize me" als Dokumentation durchgehen lassen, dann ist Kingkong der Beweis für die Existenz von Riesenaffen.


Quelle: Douglas K: "Super size me" revisited – under lab conditions. New Scientist 2007; 27. Januar.