Super-GAU am Computer

Von Susanne Billig · 25.02.2009
Wer viel am Computer arbeitet, sollte seine Daten regelmäßig sichern. Doch viele Nutzer befolgen diesen Ratschlag nur halbherzig oder gar nicht. Wenn die Festplatte dann crasht, können auch Profis nicht immer die kompletten Daten retten.
Blind vertraut der Mensch der Technik, denn was kann ein Computer heute nicht alles. Er filmt, fotografiert, birgt heimliche Tagebücher und öffentliche Präsentationen, fasst endlose Datensätze in seinem Festplattenbauch, bewahrt Briefe auf, Bücher, Promotionen. Klingelt wie eine Eieruhr ... und spricht wie ein Mensch:

"Deutscher PC-Markt zum Jahresende 2008 nochmals zweistellig gewachsen. Nach Angaben der Marktforscher wurden hierzulande im vierten Quartal 2008 rund 3,89 Millionen Rechner verkauft."

Das ganze Leben möchte man ihm anvertrauen. Ach was: Man hat es längst getan. Bis es passiert.

Backup vom Notebook gemacht, falsches Häkchen gesetzt, statt Backup zur externen Festplatte hinzugefügt die Platte komplett gelöscht: darauf Buch- und Radiomanuskripte, Filmdatenbank, Fotosammlung, zahllose Recherchen, 15 Jahre kreatives Schaffen.

Schlaflose Nächte. Wie rettet man 40 Gigabyte gelebtes Leben aus den ewigen Jagdgründen der Bits und Bytes? Das Programm zur Datenrettung ist teurer als die Festplatte selbst - siegesgewiss geht es an die Arbeit. Den ganzen Tag, die ganze Nacht.

Da: Das Verzeichnis! Meine Fotos! Die Texte! Doch alles leer, kaputt, unbrauchbar - ein Riesendatenmüll, pure Fata Morgana.

Max Möglich heißt seine Firma, er selbst Frank Scheibner und auf seiner Visitenkarte steht auch noch: max possible. Oh yes, max it possible, please! In seinen schönen, hellen Räumen stapeln sich die Zeugen eines stillen Kampfes: aufgeschraubte Computer, in Stücke zerteilte Festplatten, Kabelreste, Prüfgeräte.

"Ich krieg Anrufe von Studenten, von Ärzten, Journalisten, sehr viele Fotografen hatte ich bisher gehabt, als erstes kommen wirklich die Fotografen, weiß nicht, die sind wahrscheinlich mit ihrer Kreativität beschäftigt, dann vielleicht die Musiker. Und dann eben ganz normale User, die zu Hause auf ihrer externen Festplatte ihre Bilder abspeichern."

... nur um sie dann zu zerstören. Viele Wege führen in den Abgrund, weiß der Datenretter.

"Das ist jetzt hier ein Festplattenmodell, das sehr vielen Leuten umgefallen ist. Vor ein, zwei Jahren sind die fast jede Woche gekommen. Sehr massiv gebaut, sehr schönes Metall, aber der Schwerpunkt von dem Kasten ist extrem hoch, also es sind sehr viele gegen gekommen und es ist einfach nur so umgefallen. Dann waren Köpfe kaputt und meist auch ein schöner Kratzer auf der Oberfläche."

Selbst wenn die Hardware nach dem Sturz noch tadellos zu funktionieren scheint - innen nagt der Zahn der Zeit.

"Wenn Sie weiterarbeiten, dann fängt der Kopf oder die Leseköpfe fangen an, auf der Oberfläche zu kratzen, bis die Oberfläche ganz abgeschliffen ist. Selbst wenn Sie mir dann Zehntausend Euro geben - könnte ich nicht retten, können andere dann auch nicht mehr retten, das ist dann einfach wie verbranntes Papier."

Netzteile, seufzt der Datenretter und gräbt in seinen großen Kisten. Wer nach dem Umzug alles irgendwie ineinander stöpselt, verbrennt sich die Elektronik. Der Datenretter riecht das. Auch Kaffee im Notebook.

"Was auch sehr gefährlich ist, wo man auch schnell handeln sollte, ist zum Beispiel Cola. Nicht denken, ach, es wird schon wieder gehen. Schnell aufmachen, egal ... Ich hatte auch einen Kunden gehabt, dem ist Spezi an die Festplatte gespritzt, da war die Platine richtig verätzt, das war dann eigentlich schon so ein bisschen ein aussichtsloser Fall."

Männer öffnen Speichermedien gern mit groben Schraubenziehern, klagt Frank Scheibner. Ihm fällt dann das ganze Innenleben entgegen. Auch Notdienste machen viel kaputt. Und Datenrettungssoftware: Die liest und liest. Und verwandelt Minikratzer in tiefe Furchen.

"Also wenn man sich von seinem Freund oder seiner Freundin trennt, sollte man auch vorsichtig sein. Ich hatte jetzt einen, da hatte die Freundin das Laptop aus der zweiten Etage geschmissen, und bei einer Kundin hat der Freund das Laptop zertrümmert."
Dann heißt es heimgehen, bangen, hoffen - bis zur nächsten Audienz.

Drei Tage war die Platte krank, jetzt läuft sie wieder - Max sei Dank.

Da steht er, neben ihm ein Riesenbildschirm. Darauf in hunderten von Miniaturen mein fotografisches Schaffen. Ganz schön privat, die Angelegenheit. Der Datenretter ist mit seinen Gedanken woanders.

"Also es sieht wohl so aus, dass Ihre alte Struktur nicht so Hundertprozent wieder hergestellt werden kann, wie, äh, wie sie damals war ... zum Teil kann man alte Struktur sehen. Sehen Sie jetzt hier Sachen, die Sie, die Sie gesucht haben?! ... Das ist alles irgendwie, das ist alles kaputt, ja."

Wer den Schaden hat, ist bereit sich zu ändern. Festplatten hinlegen, mahnt der Computerfachmann. Auch schicke Standmodelle. Nach zwei Jahren austauschen, die Hardware. Und generell viel sichern: auf USB-Sticks, Festplatten, DVDs - doppelt und dreifach. Den wichtigsten Tipp ruft der Datenretter ins Treppenhaus hinterher: Öfter mal die Texte ausdrucken, die man so schreibt. Und Abzüge machen von Fotos. Wie früher. Unsere Eltern und Großeltern besitzen heute noch Fotoalben - die haben zwei Weltkriege überstanden.