Südafrika

Unterwegs im Tunnelsystem von Kapstadt

Historische Tunnel: Hier kamen schon die römischen Gladiatoren durch
Kapstadt können Touristen nun auch unterirdisch erkunden. (Symbolbild) © Dirk Gebhardt
Von Jan-Philippe Schlüter · 10.03.2015
Die meisten Touristen lieben Kapstadt für seine atemberaubende Lage und das Zusammenspiel aus Meer und Bergen. Doch jetzt können Besucher auch eine ganz andere Seite der Stadt kennenlernen - bei einer faszinierenden Tour unter die Erde.
Touristenführer Dave entfernt einen Deckel im Gras hinter der Kapstadter Festung. Dahinter öffnet sich ein knapp drei Meter tiefer Schacht: Der Einstieg in das Tunnelsystem unter der Stadt.
Hier unten ist es stickig und stockduster, ohne die Lampen am Helm würde man nichts sehen. Auf dem Boden fließt etwa 30 Zentimeter hoch der Camissa-Fluss. Wer Gummistiefel oder Wanderschuhe hat, kann durch das Wasser waten. Alle anderen müssen sich ein wenig verrenken.
"Ihr müsst die Beine breit machen, links und rechts des Wassers laufen, die Arme auf beiden Seiten wegstrecken an die Wand und kleine Schritte machen."
Der Tunnel hat hier unten einen Durchmesser von gut zwei Metern, wird an manchen Stellen aber viel enger. Im Lichtkegel der Stirnlampe sieht man die eindrucksvolle Backsteinarchitektur der historischen viktorianischen Gemäuer.
"Die violetten Backsteine auf dem Boden sind länger gebrannt, um sie widerstandsfähiger gegen das fließende Wasser zu machen. Die roten Steine oben sind nur zum Überdecken. Die Steinmetze haben einen guten Job gemacht - die Steine haben schon 170 Jahre gehalten. Und sie sehen so aus, als würden sie locker nochmal 170 Jahre überstehen."
Ursprünglich waren die Tunnel oberirdische Kanäle
Nach einer Weile macht Dave eine Pause. Die Gruppe setzt sich an den Rand und macht alle Lampen aus. In der Dunkelheit den Geräuschen lauschen, die hier ganz anders wirken als im Freien. Selbst eine kleine vom Wasser weggespülte Dose macht im Tunnel ein großes Getöse.
Oben am Schacht-Einstieg steht Matt Weiss, der Erfinder der Touren. Er hat das etwa 25 Kilometer lange Tunnelsystem jahrelang erkundet. Ursprünglich, Mitte des 17. Jahrhunderts waren die Tunnel noch oberirdische Kanäle.
"Als die Holländer hier gelandet sind, hatten sie Heimweh und haben Grachten gebaut. Aber die sind mit Abfall völlig verdreckt worden. Im 19. Jahrhundert hat die Stadt gesagt: wir müssen die Kanäle loswerden und hat angefangen, sie zu überbauen. Es hat 35 Jahre gedauert, bis sie alle abgedeckt waren."
Ein Großteil des Wassers, das die Tunnel noch heute unter der Stadt transportieren, kommt vom majestätischen Tafelberg.
"Der Tafelberg ist wie ein riesiger Schwamm aus Sandstein. Er saugt die ganze Feuchtigkeit aus den Wolken in der Umgebung. Das Wasser sickert dann durch den Berg und entspringt hier unten in der Stadt aus 20 Quellen."
Einiges von dem Wasser wird genutzt, zum Beispiel für das Kapstadter WM-Stadion und den Park drum herum. Das Wasser aus unserem Tunnel fließt ungenutzt ins Meer - fast 500.000 Liter am Tag. Eigentlich eine ziemliche Verschwendung.
Im Tunnel ist Dave mit der Gruppe mittlerweile weitergewatet, an hunderten von Kakerlaken vorbei, die die Wände bevölkern. Sie lieben die Bakterien, die mit dem Grundwasser durch die Wände einsickern. Nach ein paar hundert Metern wird der Tunnel plötzlich von einer Mauer durchzogen, in die eine kleine Stahltür eingelassen ist. Die Gruppe krabbelt hindurch – und steht mitten in der Stadt auf einem Bürgersteig. Nach gut einer Stunde im düsteren Tunnel kommt einem die Kapstadter Sonne noch heller vor als ohnehin schon.
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